Von seiner Kabine aus hat der Kranführer den perfekten Überblick. 112 Meter unter ihm liegt die Luzerner Allmend. Der stählerne Koloss ist der grösste Kran der Schweiz und das Kernstück einer Grossbaustelle, die das neue Stadion für den FC Luzern und zwei Hochhäuser umfasst. Die reichen mit 88 und 77 Metern dem Monsterkran gerade mal knapp an die Schulter.

Riesige Baumaschinen gehören zum Kerngeschäft von Liebherr. Die schweren Geräte werden überall gebraucht, wo Massen bewegt werden müssen. So stehen die Maschinen des Schweizer Milliardenkonzerns im boomenden Bergbau hoch im Kurs. Und auch bei den Aufräumarbeiten an der Nordostküste Japans werden sie eingesetzt. Wie sehr der Konzern nun, wie auch der grösste Konkurrent Caterpillar, tatsächlich von Erdbeben und Tsunami profitiert, lässt Sprecher Kristian Küppers offen. «Die Katastrophe in Japan unter einem geschäftlichen Aspekt zu sehen und auf zusätzliche Maschinenbestellungen zu spekulieren, liegt uns fern», erklärt er in nobler Zurückhaltung.

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Die Antwort ist ein schlagendes Beispiel für den Kommunikationsstil des ursprünglich deutschen Familienunternehmens, dessen Fäden seit knapp drei Jahrzehnten am Hauptsitz in Bulle FR zusammenlaufen. Verschwiegenheit ist das Motto. Damit lässt sich allerdings nicht verhindern, trotzdem in die Schlagzeilen zu geraten. Das passierte in den letzten Monaten mehrmals: Ende Februar traten bei Liebherr in Frankreich mehrere Hundert Beschäftigte in den Streik, um ihren Forderungen nach mehr Lohn Nachdruck zu verleihen. In den deutschen Werken wird die Leiharbeit kritisiert.

Mitarbeiter abgebaut

Firmensprecher Küppers sieht den Konzern dennoch nicht im Konflikt mit den Arbeitnehmern. Ausgesprochen arbeitnehmerfreundlich gibt sich Liebherr zumindest nach aussen nicht. Beim Produktionswerk in Bulle FR existiert für die 670 Mitarbeitenden jedenfalls kein GAV. «Das Unternehmen sucht nicht gerade den Kontakt mit uns», sagt Syna-Sekretär Maurice Clément. Gleichzeitig räumt er ein, dass es bislang kaum nennenswerte Probleme gegeben habe, nicht einmal im Krisenjahr 2009. Damals brach der Umsatz in Bulle um die Hälfte ein. Liebherr baute zwei Dutzend Stellen ab und schrieb einige Monate Kurzarbeit. Seit Februar 2010 herrscht aber wieder Vollbeschäftigung, und inzwischen ist die Zahl der Mitarbeiter gar höher als vor der Krise.

Zudem investierte der Konzern in den letzten Monaten 33 Millionen Franken in ein neues Prüfstandszentrum. In Bulle werden nun auch neue Dieselmotoren getestet, welche die ab 2014 geltenden, massiv verschärften EU-Emissionsvorschriften erfüllen sollen. Das Werk in der Westschweiz, wo nebst Diesel- auch Gasmotoren, Hydraulikkomponenten und Pumpenverteilergetriebe entwickelt und gefertigt werden, läuft wieder auf Hochtouren. «Wir werden im laufenden Jahr personell weiter aufstocken», so Küppers. Zusammen mit dem Verkaufs- und Servicezentrum in Reiden LU beschäftigt Liebherr in der Schweiz über 1000 Leute.

Dass die Schweiz ideal für seine Geschäfte sein könnte, entdeckte Firmengründer Hans Liebherr bereits in den 70er-Jahren: Er zog samt fünfköpfiger Kinderschar aus Süddeutschland in den Kanton Freiburg, der schon damals auf eine Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen verzichtete. Gross geworden war er mit seiner Firma beim deutschen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Idee, einen einfach montierbaren und leicht transportierbaren Turmdrehkran zu entwickeln, entpuppte sich als Goldgrube. Die schweren Baumaschinen bildeten das Fundament eines rasch expandierenden Unternehmens, das sich schnell auf den Weltmarkt ausrichtete.

Seit 1999 stehen die Geschwister Isolde und Willi Liebherr, zwei der fünf Kinder des 1993 verstorbenen Firmengründers Hans, allein an der Spitze des Grosskonzerns. Bezüglich Unternehmensphilosophie stehen sie ganz in der Tradition ihres Vaters. Liebherr war, ist und bleibt ein reines Familienunternehmen. Das erlaubt es, nicht mehr als notwendig ins Scheinwerferlicht zu treten.

Fast bekannter als das Unternehmen selbst ist denn auch eine Enkelin des Firmengründers, die Spitzenreiterin Christina Liebherr. Sie ist eine Vertreterin der dritten Generation. Noch aber ist die zweite am Drücker. Gegenwärtig lässt Konzernchef Willi Liebherr an seinem Wohnort im aargauischen Obersiggenthal eine Niederlassung für die Verwaltung erbauen. So ist er näher bei den Werken im süddeutschen Raum, dem wichtigsten Produktionsstandort des Konzerns.

Wenn der zurückhaltende 64-Jährige sich ausnahmsweise von Journalisten zu einem Interview überreden lässt, plaudert er weniger über Geschäftliches als lieber über ein Hobby: In seinem Garten hat er nämlich 500 Rebstöcke angepflanzt, und als Nebenerwerbswinzer besitzt er im Bordelais eine Domaine mit 12 Hektaren. Fragen bezüglich der Nachfolgereglung muss hingegen Firmensprecher Küppers beantworten. «Es gibt einige Enkel des Firmengründers, die für die Nachfolge von Willi und Isolde Liebherr in Frage kommen und bereits in der Gruppe aktiv sind», sagt er. Es ist kein Geheimnis, dass Willi Liebherr sowohl den Kindern seiner Schwester als auch den eigenen Führungsqualitäten bescheinigt. Als wahrscheinlichster Nachfolger gilt sein Sohn Jan.

Er wird einen Mischkonzern übernehmen, bei dem die maschinellen Kolosse nach wie vor das wichtigste Standbein sind. Hinzugekommen sind aber im Laufe der Jahre weitere Sparten, von Kühlschränken über Klimatechnik für Züge bis zu Hotels (siehe Kasten). Diese Diversifizierung hat sich in Krisen schon mehrmals bewährt. Nach den Terroranschlägen 2001 zum Beispiel. Damals konnte Liebherr die Einbrüche in den Bereichen Luftfahrt und Baumaschinen rasch auffangen, plötzlich waren Hafenkrane gefragt. Seit einigen Jahren mischt das Unternehmen auch indirekt im Energiegeschäft mit: Mit Hochleistungskranen, die bei der Errichtung von Offshore-Windanlagen gefragt sind.

Verdienen am Rohstoff-Boom

Am dynamischsten wächst Liebherr aber im Bergbau. Die Sparte macht rund ein Drittel des Umsatzes aus. Riesige Hydraulikbagger mit Dienstgewichten von 120 bis 800 Tonnen werden im französischen Colmar gefertigt, mächtige Muldenkipper mit Nutzlasten von bis zu 363 Tonnen und vier Meter hohen Rädern in den USA. Der Boom im Minengeschäft dürfte lange andauern. Dennoch konsolidiert sich die Branche. So schluckte Marktführer Caterpillar kürzlich den Konkurrenten Bucyrus, der eben die Minen-Division von Terex übernommen hatte. Fressen und Gefressenwerden heisst die Devise, was die Gerüchte wild spriessen lässt. Küppers dementiert aber Spekulationen, die Bergbausparte von Liebherr könnte ebenfalls involviert sein.

Viele Zahlen kennt man vom Konzern nicht. Doch Branchenkenner sind sich einig, dass der sogar in den Krisenjahren hochrentable Familienkonzern über eine pralle Kriegskasse verfügt. Und bei günstiger Gelegenheit wird er diese ohne laute Geräusche einsetzen, um schnell und entschlossen zuzugreifen.

 

Wurzeln in Deutschland: Krane, Bagger, Kühltruhen und Hotels

Wiederaufbau-Saga
In dem vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Deutschland fehlte es an allem. Aber das Potenzial war riesig – vor allem in der Bauwirtschaft. Das erkannte der gelernte Maurer Hans Liebherr früh. Im deutschen Kirchdorf an der Iller baute er 1949 den ersten Kran. Er erweiterte das Sortiment und baute auch hydraulische Bagger und später Betonmischer. Schon 1951 zählte Liebherr 400 Mitarbeitende.

Umzug in die Schweiz
1983 verlegte Hans Liebherr den Konzernsitz nach Bulle FR. 1993 starb der Gründer, und die zweite Generation mit den fünf Geschwistern Hans jr., Willi, Markus, Hubert und Isolde übernahm die Leitung. Hans jr. zog sich 1999 aus der Führung zurück, Hubert und Markus waren schon früher ausgeschieden. Letzterer wendete sich ganz vom Konzern ab: Er baute den eigenen Industriekonzern Mali auf und war Eigentümer des englischen Fussballklubs Southampton. Er starb im August 2010 mit 62 Jahren. Heute stehen Willi und Isolde Liebherr allein an der Spitze des Unternehmens, das sich nach wie vor in Familienbesitz befindet.

Buntes Angebot
Liebherr tanzt auf vielen Hochzeiten. Das Produkteangebot umfasst Sparten wie Erdbewegung und Bergbau (Bagger, Kipper, Raupen), Fahrzeugkrane, Baukrane und Mischtechnik, Schiffs- und Hafenkrane, Werkzeugmaschinen, Materialflusstechnik, Luftfahrt- und Verkehrstechnik (Fahrwerke, Flugsteuerungs-, Betätigungs- und Luftsysteme) und Komponenten (Diesel- und Gasmotoren.) Daneben baut Liebherr aber auch Haushaltgeräte (Kühl- und Gefriergeräte) und betreibt Hotels (sechs Häuser in Irland, Österreich und Deutschland).

Weltweit aktiv
2010 steigerte Liebherr den Umsatz um rund 9 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro. Fast alle Sparten legten zu, am stärksten die Sparte Erdbewegung und Bergbau. Die Gewinnzahlen folgen im Juli. 2009 resultierte ein Plus von 388 Millionen. Liebherr zählt mehr als 32000 Beschäftigte in über 100 Firmen auf allen Kontinenten. Gelenkt wird die Gruppe von Bulle aus.

Vermögende Familie
Willi Liebherr wohnt in Obersiggenthal AG, seine Schwester Isolde in Bulle. Beide haben den deutschen und den schweizerischen Pass. Mit einem Vermögen von 4 bis 5 Milliarden gehört die Familie Liebherr heute zu den reichsten der Schweiz.