E-ProcurementNoch bestellen Unternehmen ihre Waren eher zögernd übers Internet und die wenigsten mit einer eigens dafür entwickelten Software. Dafür beginnen sie bereits damit, die Lieferantenwahl übers Netz abzuwickeln. SCR (Supplier Relationship Management) heisst die neue Softwarelösung dazu.@HZ_Autor:Kilian Eyholzer
Die Beschaffung von Gütern über Internet hat sich in Schweizer Unternehmen etabliert. Gemäss der im Juli 2002 veröffentlichten Studie «Netzreport 4» des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern und der Fachzeitschrift «Netzwoche» haben rund 68% aller Schweizer Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitern bereits einmal online bestellt. Nur zwei von fünf Unternehmen setzten dafür aber eine spezielle Software ein (Desktop Purchasing Software). Diese erlaubt jedem Mitarbeiter das dezentrale Bestellen von Gütern via Internet durch elektronische Kataloge und automatisierte Workflows.
Stärker verbreitet ist der Einkauf auf Lieferantenhomepages, während elektronische Marktplätze ein Schattendasein führen. Mit den knapp 70% Online-Beschaffungen liegt die Schweiz im internationalen Vergleich im Mittelfeld. In den USA beschaffen laut einer Studie von Forrester Research bereits 84% aller Firmen online.
Beschaffung übers internet spart Geld
Diese Zahlen zeigen zumindest eines: Auch wenn Marktauguren das Potenzial des E-Procurement heute nüchterner betrachten als noch vor drei Jahren, die Beschaffung übers Internet hat Potenzial und spart Geld. Eine Studie des Autors bei Schweizer Grossunternehmen zeigte, dass durch den Einsatz von E-Procurement-Lösungen die Bearbeitungszeit einer Bestellung um durchschnittlich 47% und die Prozesskosten um 44% reduziert wurden. Eine Schweizer Grossbank konnte durch den Einsatz von E-Procurement 86 Stellen im operativen Bereich abbauen. Die freigesetzten Personalressourcen kümmern sich heute mehrheitlich um strategische Aufgaben und tragen so verstärkt zum Unternehmenserfolg bei. Weitere quantifizierbare Verbesserungen waren unter anderem der Abbau von Lagern sowie die Verringerung der Zahl fehlerhafter Bestellungen.
Nur die wenigsten Schweizer Unternehmen können jedoch derartige Erfolge vorweisen. Gespräche mit Beschaffungsverantwortlichen zeigen, dass zwar oft bereits E-Procurement-Lösungen eingesetzt werden, die Unternehmen dabei aber noch weitgehend am Anfang stehen und teilweise nur rudimentäre Funktionalitäten nutzen.
Die eingesetzten Lösungen sind häufig nicht in interne ERP-Systeme integriert, es sind nur wenige Lieferanten angebunden, und die Zahl der Benutzer sowie deren Nutzung des Systems muss als enttäuschend bezeichnet werden. Die hohen Erwartungen bezüglich der Einsparung von Kosten und der Erlangung strategischer Wettbewerbsvorteile wurden darum bisher kaum erfüllt.
Schwieriger als gedacht
Dies zeigt vor allem, dass die Einführung einer E-Procurement-Lösung komplexer und langwieriger ist als ursprünglich angenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie liegen einerseits im Unternehmen selbst (z.B. fehlende Personalressourcen, inkompatible Systeme, interne Widerstände, fehlende begleitende Prozessoptimierungen); andererseits sind sie exogen und daher nur schwer beeinflussbar (z.B. ungenügende Bereitschaft der Lieferanten oder für eine Elektronisierung der Beschaffungsprozesse, unausgereifte Software).
Trotz der erkannten Schwierigkeiten ist den meisten Unternehmen heute klar, dass sich die Rolle des Einkaufs ändern muss. Neben einer klaren strategischen Ausrichtung und der Optimierung traditioneller Prozesse und Strukturen gewinnen seit geraumer Zeit insbesondere die Lieferantensuche und -auswahl (Sourcing) sowie das Lieferantenmanagement an Bedeutung. Wurden die Lieferanten früher oft als Widersacher betrachtet und gegeneinander ausgespielt, lässt sich heute ein Trend zu partnerschaftlichen Beziehungen mit dem Ziel der beidseitigen Optimierung feststellen.
Die bislang verfügbaren E-Procurement-Lösungen unterstützen in erster Linie operative Bestellprozesse und setzen damit die Potenziale der Beschaffung übers Internet zu wenig frei. Neue Konzepte und Softwarelösungen, die unter dem Stichwort SRM (Supplier Relationship Management) derzeit auf den Markt gebracht werden, versprechen umfassendere Nutzungs- und Einsparpotenziale im Bereich der internetbasierten Beschaffung, insbesondere auch zur Unterstützung strategischer Aufgaben.
Supplier Relationship Management besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten, die sich an den typischen Phasen einer Markttransaktion orientieren und aufeinander aufbauen, nämlich Sourcing (Information, Verhandlung, Vereinbarung, Lieferantenmanagement), Procurement (operative Abwicklung) und Monitoring (Kontrolle).
Ein hohes Optimierungspotenzial zeigt sich vor allem im bisher vernachlässigten Sourcing, also in der Suche, Verpflichtung und konsequenten Weiterentwicklung der besten Lieferanten mit dem Ziel des Aufbaus langfristiger Beziehungen. Neuartige Tools unterstützen hier bspw. die elektronische Zusammenarbeit zwischen Einkäufer und Lieferant in den Phasen Design, Entwicklung, Planung und Produktion (E-Collaboration), die Durchführung von Ausschreibungen und Reverse Auctions sowie ein zentrales Vertragsmanagement. Auch die effiziente elektronische Beschaffung von strategisch relevanten Produktionsgütern und Dienstleistungen sowie das Beschaffungscontrolling und Reporting erledigt die Software. Angesichts der unsicheren Wirtschaftslage investieren Unternehmen zurückhaltend. Gerade wegen des starken Kostendrucks müssen aber Einsparpotenziale gesucht und realisiert werden. Der Einkauf kann hier einen positiven Beitrag leisten.
Auch wertvolle Güter online bestellen
Im heutigen Stadium werden vor allem operative Abläufe und die Beschaffung geringwertiger Güter (sog. C-Güter) durch Internet unterstützt. Für die Zukunft ist zweifellos eine intensivere Nutzung neuer Software-Tools in der Beschaffung zu erwarten. In bereits fortschrittlicheren Unternehmen wird sich das Augenmerk dank der neuen Tools zunehmend auf den Bereich der A- und B-Güter sowie auf die Unterstützung strategischer Aufgaben verlagern. Die elektronische Zusammenarbeit zwischen Unternehmen (E-Collaboration) und damit ein partnerschaftliches Lieferantenmanagement werden an Bedeutung gewinnen.
Die erweiterten Funktionalitäten neuer SRM-Lösungen können helfen, zusätzliche Potenziale in der Beschaffung zu realisieren. Die Erfahrung lehrt aber, dass eine erfolgreiche Implementierung und Nutzung neuer IT-Tools stark von einer entsprechenden Anpassung und Optimierung bestehender Abläufe und Strukturen abhängt. Sowohl interne Mitarbeiter wie auch Lieferanten müssen frühzeitig informiert und in die sich verändernden Prozesse einbezogen werden. Nur so kann eine effiziente elektronische Beschaffung verwirklicht werden.
Dr. Kilian Eyholzer verfasste eine Dissertation an der Uni Bern mit dem Titel «Einsatzpotenziale und Auswirkungen von E-Procurement-Lösungen: Eine Analyse des Entwicklungsstands in Schweizer Grossunternehmen» (veröffentlicht im Shaker Verlag, Juli 2002, vgl. www.shaker.de). Seit dem 1.3.2002, ist Kilian Eyholzer als Consultant im Bereich Supplier Interaction bei der ESPRiT Unternehmensberatung AG in Bern tätig.