Die Bedeutung der Logistik für die Wirtschaft nimmt ständig zu. Neben Vorteilen im Zeit- und Kostenwettbewerb kann eine effiziente Logistik auch die Kundenzufriedenheit steigern und sich folglich in mehrfacher Hinsicht auf das Unternehmensergebnis positiv auswirken. Doch was kostet die Logistik eigentlich? In Deutschland sind die nationalen Logistik-Studien der Bundesvereinigung Logistik (BVL) bereits eine etablierte Informationsquelle. Für die Schweiz erarbeitete die Schweizerische Gesellschaft für Logistik (SGL) zusammen mit dem Kühne-Institut für Logistik an der Universität St.Gallen eine Grundlagenstudie zur Bedeutung der Kosten der Logistik in der Schweiz. Die Resultate zeigen bedeutende Stärken, aber auch Schwachstellen der Logistik in den Schweizer Unternehmen auf.
Die Grundlagenstudie zur Logistik in der Schweiz zeigt auf, dass in den Unternehmen bedeutende Chancen für eine strategische Ausrichtung des Logistikmanagements bestehen. In mehr als drei von vier Schweizer Geschäftsleitungen werden die Belange der Logistik ausdrücklich von einem Mitglied des Vorstandes vertreten.
Schweiz: Breites Aus- und Weiterbildungsangebot
Zudem beurteilen die Schweizer Logistikmanager die unternehmensinterne Zusammenarbeit zwischen der Logistik und der Produktion überdurchschnittlich positiv. Deutlich werden aber zugleich die Herausforderungen, die sich der Schweizer Logistik stellen. Der Stand der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden der Logistik kann dem ausserordentlich breiten Aufgabenfeld der Logistik nicht immer gerecht werden. Ebenso besteht häufig noch eine Intransparenz betreffend der Logistikkosten.
Die Beurteilung der unternehmensinternen Zusammenarbeit der Logistik zeigt deutliche Schwankungen. Die befragten Logistikmanager in der Konsumgüter- als auch in der Industriegüterbranche äussern sich positiv über die Zusammenarbeit mit der Produktion, der Beschaffung und der Distribution. Allerdings könnten durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen dem Marketing und der Logistik Kundenbedürfnisse in Zukunft stärker berücksichtigt werden. Zudem könnten insbesondere durch eine engere Zusammenarbeit zwischen der Logistik und der Entwicklung noch bessere Voraussetzungen für die Realisierung von effizienten Waren- und Informationsflüssen geschaffen werden. Somit kann vermieden werden, dass Engpässe in Lieferketten erst dann zutage treten, wenn die Produktentwicklung die Marktreife erlangt.
Analysiert man die Zusammenarbeit der Logistik mit unternehmensvor- und nachgelagerten Stufen, so zeigt sich, dass eine gute Abstimmung mit direkten Lieferanten wie auch ein enger Kontakt zu den direkten Kunden besteht. Ein Defizit ist jedoch bei der Kooperation mit den Vorlieferanten wie auch mit den Endkunden zu verzeichnen. Dies ist insofern problematisch, da Unternehmen der Konsumgüterindustrie den steigenden gesetzlichen Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit von Produkten gerecht werden müssen.
Um die Rückverfolgbarkeit möglichst effizient sicherzustellen, müssen in der gesamten Lieferkette kompatible Technologien für den Informationsfluss verwendet werden. Zudem zeigen die Untersuchungen über den Bullwhip-Effekt («Peitscheneffekt»), dass sich für einen reibungsfreien Materialfluss auch eine Kommunikation zwischen einem Unternehmen und seinen Vorlieferanten möglich sein muss. Der Bullwhip-Effekt besagt, dass sich bei ungenügender Kommunikation der Partner in der Wertschöpfungskette eine geringfügige Änderung in der Endkonsumentennachfrage auf den vorgelagerten Stufen der Versorgungskette zunehmend stark auswirken kann. So kann beim Rohstofflieferanten eine Schwankung in der Produktionsmenge ausgelöst werden, die mehrere 100% der eigentlichen Schwankungen in der Endkonsumentennachfrage beträgt.
Ungebrochen hohes Outsourcing-Potenzial
Von der grossen Vielfalt an Logistikleistungen wird eine erheblicher Anteil von rund 70% noch unternehmensintern erbracht. Von den übrigen 30% der Logistikleistungen entfällt der Hauptteil auf die Leistungen von Logistikdienstleistern, gefolgt von den Leistungen der IT-Dienstleister und der Logistikberater. Die befragten Logistikmanager beabsichtigen in den kommenden Jahren insbesondere weitere Leistungen an externe IT-Dienstleister zu vergeben. Auch erwägen sie, verstärkt Logistikberater für die Optimierung von Logistikprozessen hinzuzuziehen und weitere Prozesse an Logistikdienstleister auszulagern. Die Studie bestätigt somit den Trend hin zu einem wachsenden Markt für Logistikdienstleister, Logistikberater und insbesondere IT-Dienstleister. Ein bedeutendes Hindernis für ein weiteres Auslagern von Logistikprozessen könnten jedoch fehlende Informationen bezüglich der aktuellen Kostenstrukturen der Logistik darstellen.
Die Befragung der Logistikmanager in der Schweiz zeigt, dass die Erfassung der Logistikkosten oftmals nur wenig detailliert erfolgt. In der Konsumgüterbranche ermitteln 20% der befragten Unternehmen ihre Logistikkosten weniger als einmal pro Monat, in der Industriegüterbranche trifft dies sogar für knapp 60% der Unternehmen zu. Somit fehlt häufig eine zufriedenstellende Datengrundlage für einen Entscheid für beziehungsweise wider das Auslagern von Logistikleistungen. Auch die Aufschlüsselung der Logistikkosten müsste oftmals noch verbessert werden, bevor Outsourcing-Entscheide getroffen werden können. Lediglich 50% der befragten Unternehmen führen eine Prozesskosten- oder eine Kostenträgerrechnung für die Logistik durch. Die übrigen Unternehmen begnügen sich mit einer Ermittlung der Logistikkosten nach Kostenstellen.
Aufholbedarf bei der Bildung
Betriebswissenschaftliche Kenntnisse sind die Grundlage für eine Optimierung der Kostenrechnung der Logistik. Auch eine vertiefte Zusammenarbeit der Logistik mit dem Marketing und der F&E-Abteilung fordert von den Logistikmanagern und ihren Mitarbeitenden eine immer anspruchsvollere Ausbildung. Momentan besteht in der Schweiz jedoch noch ein deutlicher Aufholbedarf betreffend der berufsbezogenen Aus- und Weiterbildung. Von einem neueintretenden Logistiker erwarten die Schweizer Logistikmanager nämlich Logistik-Kenntnisse, als auch Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge sowie Erfahrung im Finanzwesen.
Vergegenwärtigt man sich die Ansprüche, die an einen Logistiker gestellt werden, so zeigt sich eine Diskrepanz gegenüber dem tatsächlichen Ausbildungsstand. Rund 20% der Mitarbeitenden der befragten Unternehmen sind ohne Ausbildung. Von grundlegender Bedeutung für die weitere Entwicklung der Logistik dürfte somit der Aus- und Weiterbildungsstand der Mitarbeitenden sein. Im internationalen Vergleich können die bestehenden Angebote an Aus- und Weiterbildung für Logistiker als sehr gut beurteilt werden. Die Schweizerische Gesellschaft für Logistik (SGL) und weitere Organisationen bieten eine sehr breite Palette an Kursen und Lehrgängen an. Selbst für die Spitzenkräfte in der Logistik bestehen mit dem Executive MBA in Logistik der Universität St.Gallen (und dem MBA SCM der Universität Zürich, Red.) Weiterbildungsangebote.
Die erste Grundlagenstudie zur Logistik in den Schweizer Unternehmen zeigt eine Reihe herausragender Stärken der Logistik auf. Die Zusammenarbeit der Logistik mit den Lieferanten und den Kunden verfestigt sich zusehends. Die weit verbreitete Repräsentanz der Logistikfunktion durch ein Geschäftsleitungsmitglied zeigt auf, dass die Logistik zusehends eine strategische Bedeutung erlangt. Um dieser jedoch gerecht zu werden, muss die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden in der Logistik noch weiter gefördert werden. Somit können die Ressourcen für die Einführung einer detaillierteren Kostenerfassung zur Verfügung gestellt werden.
Prof. Dr. Daniel Corsten, Vizedirektor, Kühne-Institut der Universität St. Gallen und Co-Direktor des Executive-MBA in Logistik; Andrea Meyer, B.A. HSG, Mitarbeiterin, Kühne-Institut, St. Gallen.