Was interessiert es uns, wie viel UBS-Präsident Marcel Ospel verdient? Die Chance ist gering, dass wir uns eines Tages in seine Salärkategorie einreihen. Zu wissen, dass er rund zwölf Millionen Franken pro Jahr bekommt, Swisscom-Chef Jens Alder aber zehnmal weniger, schätzen wir als netten Beitrag an die Allgemeinbildung. Von Bedeutung ist das genauso wenig wie der Einblick in die Einkommensverhältnisse von Voltaire, der umgerechnet 4500 Franken pro Monat verdiente, von Casanova mit seinen 400 000 Franken als Präsident der königlichen Lotterie oder von Karl Marx, durch dessen Hände mindestens zwei Millionen Franken flossen und sich in nichts auflösten.
Erstaunlich, wie wir uns in den letzten Monaten auf die Einkommensverhältnisse der Wirtschaftsgrössen stürzten und darüber vergessen haben zu fragen, wie viel unser Büronachbar verdient, der eine mit unserem Job vergleichbare Arbeit macht – natürlich mit viel weniger Engagement als wir selber – und sich ersichtlich einen höheren Lebensstil leistet. In Lohnfragen hält sich der Schweizer an die Gepflogenheiten der Aristokratie: Über Geld redet man nicht, man hat es. Offen sprechen dürfen wir nur über Saläre, die dem Olymp der Wirtschaft vorbehalten sind und auf deren Offenlegung zu pochen wir als Aktionäre das Recht haben.
Das Tabu Lohn
Unsere eigenen Löhne bleiben das Geheimnis einer Hand voll Menschen. Ausser dem Vorgesetzten wissen im besten Fall Lebenspartner und Kreditgeber Bescheid. So verklemmter Umgang mit immerhin lebenswichtigen Zahlen schafft ein gewichtiges Problem: Lohnverhandlungen sind ein Lotteriespiel, wenn uns die Benchmark fehlt.
Den Arbeitgebern kommt diese Verschwiegenheit gelegen. Die Untergebenen in Unwissenheit zu halten, hat sich schon immer als Rezept der Herrschaft bewährt. Mit Zückerchen erntet man Dankbarkeit und Loyalität dessen, der eigentlich einen Sack Zucker verdient hätte, seinen Anspruch aber nicht kennt. Und wer einen Sack Zucker heimlich überreicht, bewahrt sich vor unliebsamen Forderungen anderer.
So weit der Klassenkampf, dem wir uns entronnen glaubten. Merkwürdig bleibt dennoch, dass die Unternehmen Millionen in die interne Kommunikation stecken und im Sinne der Transparenz jeden Kaninchenfurz über die Netze jagen, die Löhne aber streng unter Verschluss halten. Niemand hat verboten, in den Stellenanzeigen zu verraten, was der Job wert ist. Doch die meisten Zeitungsverlage und der grösste Teil der Personalabteilungen und -vermittler halten sich an die schweizerischen Gepflogenheiten, wie sie immer wieder beteuern. Selbst in den Internet-Jobbörsen werden die Löhne in der Regel nicht genannt.
Die Geheimniskrämerei ist nicht nur den Arbeitgebern anzulasten. In der Hoffnung, in vertrautem Gespräch mit Vorgesetzten einen guten Vertrag auszuhandeln, wollen auch viele Arbeitnehmer nichts von Lohntransparenz wissen. Eine Kasino-Mentalität: Jeder Mitspieler hofft, vom System zu profitieren, das letztlich nur einen reich macht – die Bank, in diesem Fall den Arbeitgeber. Argumentiert wird von beiden Seiten ganz anders. Die Verteidigung des Lohngeheimnisses diene dem Persönlichkeitsschutz und der Intimsphäre. Saläre seien ohnehin nie vergleichbar, und deren Offenlegung würde nur zu endlosen Diskussionen führen.
Sich den Durchblick verschaffen
Was also bleibt uns, den Arbeitnehmern, anderes übrig, als entweder der Fairness der Arbeitgeber zu vertrauen oder mit Hilfe von Lohnumfragen ansatzweise zu entschlüsseln, ob wir verdienen, was wir verdienen? Zu Risiken und Nebenwirkungen solcher Daten haben sich die Arbeitgeber oft geäussert. Die Durchschnittswerte sind nach ihrer Ansicht nutzlos. Das Salär sei von so vielen Kriterien abhängig, Vergleiche allein auf Grund der Funktion seien unzulässig. Damit sind sie nicht ganz im Unrecht. So warnt auch Susanne Urban, Principal bei Watson Wyatt, deren Salärstudie die Grundlage für den Gehaltstest: «Unterschiedliche Positionen können die gleiche Bezeichnung tragen.»
Niemand wird sich der Illusion hingeben, den Lohnanspruch auf Franken und Rappen genau berechnen zu können. Erstens sind nicht nur die Funktion, sondern auch die Branche, die Person und die Region für die Höhe des Gehalts wichtig. Zweitens wäre es abwegig, den Lohn als Resultat rein rationaler Kriterien zu sehen. Er ist immer das Produkt von Verhandlungen, in denen beide Seiten einen gewissen Spielraum ausschöpfen. Die Daten auf den Seiten 117 bis 122 in der September-Ausgabe der BILANZ dienen in Lohngesprächen jedoch als Argumente, die schwer zu widerlegen sind.
Die nächste Lohnrunde
Was lässt sich in der bevorstehenden Salärrunde herausholen? Allein darauf kommt es jetzt an. Von generellen Lohnerhöhungen wollen die Arbeitgeber immer weniger wissen. Die von den Gewerkschaften geforderten fünf Prozent für nächstes Jahr hält Arbeitgeberdirektor Peter Hasler für übersetzt und unrealistisch. Was für die Belegschaften schwer zu verstehen ist, nachdem die Lohnerhöhung für Manager im vergangenen Jahr 4,3 Prozent, jene für das Fussvolk jedoch 0,9 Prozent betragen hat.
Manche Saläre werden dennoch um deutlich mehr als fünf Prozent steigen. Für Funktionen im Finanz- und Rechnungswesen beispielsweise ist die Zahl der Stellenanzeigen in den letzten zwölf Monaten um 25 Prozent gestiegen. Susanne Urban von Watson Wyatt bestätigt: «Top-Finanzpositionen – insbesondere in international tätigen Firmen – lassen weiterhin Traumgehälter erwarten.» Welche Wertschätzung Geldfachleute geniessen, zeigt sich daran, dass die Finanzchefs der Schweizer Firmen im Durchschnitt auf 60 Prozent eines CEO-Lohnes kommen, Marketingchefs aber nur auf 40 Prozent.
Vorbei ist es mit den teilweise absurden Gehältern in der Telekombranche und in der Informationstechnologie. Kein Mensch zweifelt zwar daran, dass deren Bedeutung noch wächst. Das Ende der Interneteuphorie, die Strukturbereinigung der Branche und die zunehmende Zahl von Nachwuchskräften werden Auswüchse aber bremsen. Darauf deutet auch die Abnahme der entsprechenden Stellenanzeigen in den letzten Monaten hin.
Die Entlassungen in der Elektrotechnik- und der Informatikbranche sind nicht dazu angetan, die Lohnforderungen zu stützen. Die Angst um den Arbeitsplatz – irreal angesichts einer Arbeitslosenquote von 1,7 Prozent – macht die Mitarbeiter gefügig und stärkt die Position der Arbeitgeber. Zu Unrecht. 65 000 Arbeitslose sind zwar 65 000 zu viel, andererseits wurden in den vergangenen zwölf Monaten in der Schweiz 60 000 neue Stellen geschaffen.
Das Kreuz mit den Boni
Dennoch macht sich eine neue Nachdenklichkeit breit. Vor allem bei jenen, die während der guten Zeiten über Gebühr kassiert haben: die Topkader, die reichlich mit Boni gesegneten Händler, die jungen Wilden, die mit raren Ausbildungsabschlüssen und ungebremster Arbeitswut die Lohnbudgets in der New Economy abräumten. Sinkende Unternehmenserträge, die vor sich hin dümpelnde Börse und die Rückkehr zur Vernunft im E-Business wirken sich jetzt direkt auf die Boni aus. Das kann schmerzhaft sein. Unternehmensleiter in Grosskonzernen haben im letzten Jahr mindestens ein Fünftel des gesamten Gehalts als Bonus ausbezahlt erhalten. Im Wertschriftenhandel, im Verkauf und in der New Economy war der Anteil der erfolgsabhängigen Entschädigung sehr viel höher.
Das ist verantwortbar bei hohen Fixlöhnen, die für die gewohnte Lebenshaltung ausreichen sollten. Bei Salären unter 100 000 Franken jedoch seien Boni als Lohnbestandteil nicht angebracht, sagt Lars-Olaf Timmermann von Andersen. Und grundsätzlich sind sie nach seiner Meinung nur dann sinnvoll, wenn der Empfänger überhaupt Einfluss nehmen kann auf den Geschäftsgang.
Die vergessene Generation
Sollten die Saläre in nächster Zeit stagnieren oder fallen, werden vor allem über 45-Jährige darunter leiden. Sie haben jene Zeiten nicht erlebt, in denen die Einsteiger absahnten. In jungen Jahren wurden sie nicht mit fantastischen Zahlungen geködert, haben sich dafür mit zum Teil bescheidenen Gehältern hochgedient und können sich die sieben mageren Jahre, die auf die sieben fetten folgen, gar nicht leisten. Altershalber ist ihnen ein lukrativer Stellenwechsel verwehrt, von der Börsenhausse haben sie, wenn überhaupt, nur in geringem Ausmass profitiert, weil sie in die Zeit hoher Ausgaben für Haus und Familie fiel, und auf nennenswerte Lohnerhöhungen dürfen sie nicht hoffen, weil sie gebunden sind.
Die Jungen hingegen können sich erlauben, erst kräftig abzuschöpfen und mit dem Angefutterten eine Zeit der Dürre zu überstehen. Das gilt vor allem für jene, die immer noch gesuchte Qualifikationen mitbringen: Verkaufsprofis, Händler, Informatiker, Finanzfachleute. Wer hingegen keine besondere Leistung und keine Zusatzqualifikationen vorweisen kann, wird vom Stellenabbau, der unweigerlich weitergeht, am meisten getroffen. Wenn Unternehmen sparen, halten sie sich in der Regel an die üblichen Diätvorschriften: Das Fett muss weg, nicht das Muskelfleisch. Also wird durchforstet, wo sich Fettpolster angesetzt haben. Das sind häufig Stellen mit repetitiver Arbeit und Zudienerfunktion. Ihre Aufgaben werden «an die Front verlagert», wie das im militärischen Wortschatz der Wirtschaft heisst, oder einfach überflüssig. Verkaufsinnendienste wurden ebenso zusammengestrichen wie viele der Back-Office-Funktionen in Banken, die dank neuer Software überflüssig geworden sind.
Wie viel müssten Sie verdienen?
Wer also nicht zu den Verlierern gehören will, kommt nicht darum herum, sich dauernd neu zu qualifizieren. Dann aber dürfen wir unseren eigenen Wert durchaus kennen und dem Höchstbietenden verkaufen. In der September-Ausgabe der BILANZ finden Sie ab Seite 117 eine Anleitung, wie Sie Ihren Wert einschätzen können. Grundlage dieser Selbstevaluation ist die Salärstudie von Watson Wyatt. Nach Unternehmensgrösse und Aufgabenbereich getrennt sind die Durchschnittssaläre von 74 Funktionen aufgelistet. In drei weiteren Schritten können Sie Ihre Gehaltsforderung präzisieren. Zu- oder Abnahme der Stellenanzeigen für Ihren Job sind ein Indiz für den Marktwert. Dazu kommen die unterschiedlichen Lohnniveaus in den einzelnen Regionen. Und schliesslich versuchen Sie in Zahlen umzusetzen, was Ihre Leistungen wert sind.
Auf diese Weise erhalten Sie einen guten Anhaltspunkt für Salärverhandlungen. Noch präziser werden Ihre Vorstellungen, wenn Sie das Lohntabu konsequent brechen. Verschwiegenheit in Lohnfragen ist selten mehr Bestandteil eines Arbeitsvertrags. Arbeitnehmer aller Länder, vereinigt euch! Redet endlich über euren Lohn!
Erstaunlich, wie wir uns in den letzten Monaten auf die Einkommensverhältnisse der Wirtschaftsgrössen stürzten und darüber vergessen haben zu fragen, wie viel unser Büronachbar verdient, der eine mit unserem Job vergleichbare Arbeit macht – natürlich mit viel weniger Engagement als wir selber – und sich ersichtlich einen höheren Lebensstil leistet. In Lohnfragen hält sich der Schweizer an die Gepflogenheiten der Aristokratie: Über Geld redet man nicht, man hat es. Offen sprechen dürfen wir nur über Saläre, die dem Olymp der Wirtschaft vorbehalten sind und auf deren Offenlegung zu pochen wir als Aktionäre das Recht haben.
Das Tabu Lohn
Unsere eigenen Löhne bleiben das Geheimnis einer Hand voll Menschen. Ausser dem Vorgesetzten wissen im besten Fall Lebenspartner und Kreditgeber Bescheid. So verklemmter Umgang mit immerhin lebenswichtigen Zahlen schafft ein gewichtiges Problem: Lohnverhandlungen sind ein Lotteriespiel, wenn uns die Benchmark fehlt.
Den Arbeitgebern kommt diese Verschwiegenheit gelegen. Die Untergebenen in Unwissenheit zu halten, hat sich schon immer als Rezept der Herrschaft bewährt. Mit Zückerchen erntet man Dankbarkeit und Loyalität dessen, der eigentlich einen Sack Zucker verdient hätte, seinen Anspruch aber nicht kennt. Und wer einen Sack Zucker heimlich überreicht, bewahrt sich vor unliebsamen Forderungen anderer.
So weit der Klassenkampf, dem wir uns entronnen glaubten. Merkwürdig bleibt dennoch, dass die Unternehmen Millionen in die interne Kommunikation stecken und im Sinne der Transparenz jeden Kaninchenfurz über die Netze jagen, die Löhne aber streng unter Verschluss halten. Niemand hat verboten, in den Stellenanzeigen zu verraten, was der Job wert ist. Doch die meisten Zeitungsverlage und der grösste Teil der Personalabteilungen und -vermittler halten sich an die schweizerischen Gepflogenheiten, wie sie immer wieder beteuern. Selbst in den Internet-Jobbörsen werden die Löhne in der Regel nicht genannt.
Die Geheimniskrämerei ist nicht nur den Arbeitgebern anzulasten. In der Hoffnung, in vertrautem Gespräch mit Vorgesetzten einen guten Vertrag auszuhandeln, wollen auch viele Arbeitnehmer nichts von Lohntransparenz wissen. Eine Kasino-Mentalität: Jeder Mitspieler hofft, vom System zu profitieren, das letztlich nur einen reich macht – die Bank, in diesem Fall den Arbeitgeber. Argumentiert wird von beiden Seiten ganz anders. Die Verteidigung des Lohngeheimnisses diene dem Persönlichkeitsschutz und der Intimsphäre. Saläre seien ohnehin nie vergleichbar, und deren Offenlegung würde nur zu endlosen Diskussionen führen.
Sich den Durchblick verschaffen
Was also bleibt uns, den Arbeitnehmern, anderes übrig, als entweder der Fairness der Arbeitgeber zu vertrauen oder mit Hilfe von Lohnumfragen ansatzweise zu entschlüsseln, ob wir verdienen, was wir verdienen? Zu Risiken und Nebenwirkungen solcher Daten haben sich die Arbeitgeber oft geäussert. Die Durchschnittswerte sind nach ihrer Ansicht nutzlos. Das Salär sei von so vielen Kriterien abhängig, Vergleiche allein auf Grund der Funktion seien unzulässig. Damit sind sie nicht ganz im Unrecht. So warnt auch Susanne Urban, Principal bei Watson Wyatt, deren Salärstudie die Grundlage für den Gehaltstest: «Unterschiedliche Positionen können die gleiche Bezeichnung tragen.»
Niemand wird sich der Illusion hingeben, den Lohnanspruch auf Franken und Rappen genau berechnen zu können. Erstens sind nicht nur die Funktion, sondern auch die Branche, die Person und die Region für die Höhe des Gehalts wichtig. Zweitens wäre es abwegig, den Lohn als Resultat rein rationaler Kriterien zu sehen. Er ist immer das Produkt von Verhandlungen, in denen beide Seiten einen gewissen Spielraum ausschöpfen. Die Daten auf den Seiten 117 bis 122 in der September-Ausgabe der BILANZ dienen in Lohngesprächen jedoch als Argumente, die schwer zu widerlegen sind.
Die nächste Lohnrunde
Was lässt sich in der bevorstehenden Salärrunde herausholen? Allein darauf kommt es jetzt an. Von generellen Lohnerhöhungen wollen die Arbeitgeber immer weniger wissen. Die von den Gewerkschaften geforderten fünf Prozent für nächstes Jahr hält Arbeitgeberdirektor Peter Hasler für übersetzt und unrealistisch. Was für die Belegschaften schwer zu verstehen ist, nachdem die Lohnerhöhung für Manager im vergangenen Jahr 4,3 Prozent, jene für das Fussvolk jedoch 0,9 Prozent betragen hat.
Manche Saläre werden dennoch um deutlich mehr als fünf Prozent steigen. Für Funktionen im Finanz- und Rechnungswesen beispielsweise ist die Zahl der Stellenanzeigen in den letzten zwölf Monaten um 25 Prozent gestiegen. Susanne Urban von Watson Wyatt bestätigt: «Top-Finanzpositionen – insbesondere in international tätigen Firmen – lassen weiterhin Traumgehälter erwarten.» Welche Wertschätzung Geldfachleute geniessen, zeigt sich daran, dass die Finanzchefs der Schweizer Firmen im Durchschnitt auf 60 Prozent eines CEO-Lohnes kommen, Marketingchefs aber nur auf 40 Prozent.
Vorbei ist es mit den teilweise absurden Gehältern in der Telekombranche und in der Informationstechnologie. Kein Mensch zweifelt zwar daran, dass deren Bedeutung noch wächst. Das Ende der Interneteuphorie, die Strukturbereinigung der Branche und die zunehmende Zahl von Nachwuchskräften werden Auswüchse aber bremsen. Darauf deutet auch die Abnahme der entsprechenden Stellenanzeigen in den letzten Monaten hin.
Die Entlassungen in der Elektrotechnik- und der Informatikbranche sind nicht dazu angetan, die Lohnforderungen zu stützen. Die Angst um den Arbeitsplatz – irreal angesichts einer Arbeitslosenquote von 1,7 Prozent – macht die Mitarbeiter gefügig und stärkt die Position der Arbeitgeber. Zu Unrecht. 65 000 Arbeitslose sind zwar 65 000 zu viel, andererseits wurden in den vergangenen zwölf Monaten in der Schweiz 60 000 neue Stellen geschaffen.
Das Kreuz mit den Boni
Dennoch macht sich eine neue Nachdenklichkeit breit. Vor allem bei jenen, die während der guten Zeiten über Gebühr kassiert haben: die Topkader, die reichlich mit Boni gesegneten Händler, die jungen Wilden, die mit raren Ausbildungsabschlüssen und ungebremster Arbeitswut die Lohnbudgets in der New Economy abräumten. Sinkende Unternehmenserträge, die vor sich hin dümpelnde Börse und die Rückkehr zur Vernunft im E-Business wirken sich jetzt direkt auf die Boni aus. Das kann schmerzhaft sein. Unternehmensleiter in Grosskonzernen haben im letzten Jahr mindestens ein Fünftel des gesamten Gehalts als Bonus ausbezahlt erhalten. Im Wertschriftenhandel, im Verkauf und in der New Economy war der Anteil der erfolgsabhängigen Entschädigung sehr viel höher.
Das ist verantwortbar bei hohen Fixlöhnen, die für die gewohnte Lebenshaltung ausreichen sollten. Bei Salären unter 100 000 Franken jedoch seien Boni als Lohnbestandteil nicht angebracht, sagt Lars-Olaf Timmermann von Andersen. Und grundsätzlich sind sie nach seiner Meinung nur dann sinnvoll, wenn der Empfänger überhaupt Einfluss nehmen kann auf den Geschäftsgang.
Die vergessene Generation
Sollten die Saläre in nächster Zeit stagnieren oder fallen, werden vor allem über 45-Jährige darunter leiden. Sie haben jene Zeiten nicht erlebt, in denen die Einsteiger absahnten. In jungen Jahren wurden sie nicht mit fantastischen Zahlungen geködert, haben sich dafür mit zum Teil bescheidenen Gehältern hochgedient und können sich die sieben mageren Jahre, die auf die sieben fetten folgen, gar nicht leisten. Altershalber ist ihnen ein lukrativer Stellenwechsel verwehrt, von der Börsenhausse haben sie, wenn überhaupt, nur in geringem Ausmass profitiert, weil sie in die Zeit hoher Ausgaben für Haus und Familie fiel, und auf nennenswerte Lohnerhöhungen dürfen sie nicht hoffen, weil sie gebunden sind.
Die Jungen hingegen können sich erlauben, erst kräftig abzuschöpfen und mit dem Angefutterten eine Zeit der Dürre zu überstehen. Das gilt vor allem für jene, die immer noch gesuchte Qualifikationen mitbringen: Verkaufsprofis, Händler, Informatiker, Finanzfachleute. Wer hingegen keine besondere Leistung und keine Zusatzqualifikationen vorweisen kann, wird vom Stellenabbau, der unweigerlich weitergeht, am meisten getroffen. Wenn Unternehmen sparen, halten sie sich in der Regel an die üblichen Diätvorschriften: Das Fett muss weg, nicht das Muskelfleisch. Also wird durchforstet, wo sich Fettpolster angesetzt haben. Das sind häufig Stellen mit repetitiver Arbeit und Zudienerfunktion. Ihre Aufgaben werden «an die Front verlagert», wie das im militärischen Wortschatz der Wirtschaft heisst, oder einfach überflüssig. Verkaufsinnendienste wurden ebenso zusammengestrichen wie viele der Back-Office-Funktionen in Banken, die dank neuer Software überflüssig geworden sind.
Wie viel müssten Sie verdienen?
Wer also nicht zu den Verlierern gehören will, kommt nicht darum herum, sich dauernd neu zu qualifizieren. Dann aber dürfen wir unseren eigenen Wert durchaus kennen und dem Höchstbietenden verkaufen. In der September-Ausgabe der BILANZ finden Sie ab Seite 117 eine Anleitung, wie Sie Ihren Wert einschätzen können. Grundlage dieser Selbstevaluation ist die Salärstudie von Watson Wyatt. Nach Unternehmensgrösse und Aufgabenbereich getrennt sind die Durchschnittssaläre von 74 Funktionen aufgelistet. In drei weiteren Schritten können Sie Ihre Gehaltsforderung präzisieren. Zu- oder Abnahme der Stellenanzeigen für Ihren Job sind ein Indiz für den Marktwert. Dazu kommen die unterschiedlichen Lohnniveaus in den einzelnen Regionen. Und schliesslich versuchen Sie in Zahlen umzusetzen, was Ihre Leistungen wert sind.
Auf diese Weise erhalten Sie einen guten Anhaltspunkt für Salärverhandlungen. Noch präziser werden Ihre Vorstellungen, wenn Sie das Lohntabu konsequent brechen. Verschwiegenheit in Lohnfragen ist selten mehr Bestandteil eines Arbeitsvertrags. Arbeitnehmer aller Länder, vereinigt euch! Redet endlich über euren Lohn!
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