Ab und zu hat es fast den Anschein eines Spiels. Da lässt Margarita Louis-Dreyfus bei mancher Gelegenheit in durchaus halböffentlichen Kreisen durchblicken, dass der von ihr beherrschte Rohstoffkonzern Louis Dreyfus Commodities einem Börsengang nicht abgeneigt sei. Und schreiben dann die Medien über die sich verdichtende Wahrscheinlichkeit einer Publikumsöffnung, kommt jeweils prompt ein Dementi aus der Firmenzentrale mit dem Hinweis, da tue sich rein gar nichts.
So jüngst geschehen am alljährlich in Lausanne stattfindenden FT Commodities Global Summit, dem globalen Stelldichein der Rohstoffbranche. Mit dabei auch die starke Frau hinter Louis Dreyfus, einem der weltweit grössten Produzenten und Händler von Agrarrohstoffen. Dort diktierte Margarita Louis-Dreyfus der «Financial Times»: «Die Botschaft ist klar: Wir werden das tun, was am besten für die Firma ist. Und wenn wir zu einem bestimmten Zeitpunkt das Gefühl haben – nicht aus finanziellen, sondern aus strategischen Gründen –, dass wir mit einem Partner zusammenspannen oder an die Börse gehen müssen, dann werden wir bereit sein.»
Das verblümte Statement reichte aus, dass die Schlagzeile «Louis Dreyfus bereit für IPO» durch die Weltpresse rauschte. Eine Anfrage am Firmenhauptsitz ergab jedoch, dass man weder an ein Going public denke noch Teilverkäufe der Firma an andere Unternehmen vorbereite. Abgesehen von solch überhastet wirkenden Aussagen hat Margarita Louis-Dreyfus über die letzten zwei Jahre spür- und sichtbar an Statur, Selbstsicherheit und fachlicher Kompetenz gewonnen. Trat sie nach dem Tod ihres Mannes Robert Louis-Dreyfus im Juli 2009 im Unternehmen noch hart, fordernd und etwas selbstherrlich auf, zeigt sie sich inzwischen auffallend zurückhaltend.
Autoritäre Repräsentantin
Die 51-Jährige hat nicht den Fehler gemacht, sich auch im operativen Geschäft an die Spitze setzen zu wollen. Bei der Louis Dreyfus Commodities installierte sie im vergangenen Sommer mit Ciro Echesortu einen neuen CEO. Serge Schoen als langjähriger Chef des Rohwarenhändlers wurde ins Präsidium bugsiert. Margarita Louis-Dreyfus selbst hat die Funktion der Repräsentantin übernommen. Als eine Art Aussenministerin reist sie durch die Welt, führt zahlreiche Gespräche auf Regierungsebene in jenen Ländern, wo der Agrarhändler aktiv ist, verhandelt mit Lieferanten und Konkurrenten.
Obwohl sie bei Louis Dreyfus Commodities offiziell die zweite Geige spielt, hat sie klar das Sagen; ohne ihr Plazet werden keine wichtigen Entscheidungen gefällt. Wer gegen ihren Willen handelt, bekommt den Zorn der schönen Russin zu spüren.
Überangebot führt zu Gewinneinbruch
Das abgelaufene Geschäftsjahr brachte heftige Ertragseinbrüche. Zwar konnte der Umsatz um elf Prozent auf 63,6 Milliarden Dollar gesteigert werden, doch schmolz der Reingewinn um ein Drittel auf 640 Millionen. Margarita Louis-Dreyfus bezeichnet das Ergebnis dennoch als gut, «wenn man die herausfordernden Rahmenbedingungen für die Rohstoffindustrie berücksichtigt».
2013 war für die Landwirtschaft weltweit ein höchst fruchtbares Jahr, schwere Stürme, Trockenheit oder Überschwemmungen blieben aus. «Die guten Ernten bewirkten ein grosses Angebot an Nahrungsmitteln», erläutert David-Michael Lincke, Leiter Portfolio Management bei dem auf Rohstoffanlagen spezialisierten Asset Manager Picard Angst. Doch was gut ist für die Landwirte, das ist schlecht für die Agrarkonzerne; das Überangebot «machte sich in starken Preiseinbrüchen bemerkbar, vor allem bei Mais und Zucker», so Lincke.
Von der Farm auf die Gabel
Die härtesten Konkurrenten von Louis Dreyfus dagegen weisen für das vergangene Jahr deutlich bessere Zahlen aus. Archer Daniels Midland musste lediglich einen Gewinnrückgang von rund zwei Prozent ausweisen, Bunge kam sogar auf ein Plus von 16 Prozent. Und das US-Familienunternehmen Cargill, die Nummer eins der Branche, vermochte den Gewinn gar zu verdoppeln. Allerdings war der Ertrag beim führenden Agrarkonzern im Jahr davor gehörig eingebrochen.
Der wichtigste Grund für die unterschiedliche Ertragsentwicklung der Top Vier ist in den zum Teil unterschiedlichen Geschäftsmodellen zu suchen. Louis Dreyfus verfolgt die Strategie eines integrierten Rohstoffkonzerns am konsequentesten, ganz nach dem Firmenmotto «from farm to fork». Doch die Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette ist speziell in der Nahrungsmittelproduktion eine höchst teure Angelegenheit. Dabei geht es um gewaltige Mengen. Louis Dreyfus hat über 77 Millionen Tonnen an Agrarrohstoffen aufbereitet, transportiert, verkauft. Nach eigenen Schätzungen wickelt die Firma damit gegen ein Zehntel der weltweiten Handelsströme an Landwirtschaftsgütern ab. Zudem wächst die Nummer drei der Branche deutlich schneller als die meisten Konkurrenten; innerhalb von acht Jahren hat sich der Umsatz vervierfacht.
Das Management will das scharfe Expansionstempo über den weiteren Ausbau der gesamten Wertschöpfungskette beibehalten. Im letzten Jahr wurden gegen 700 Millionen Dollar investiert, und bis 2018 sind weitere Zukäufe mittelgrosser Firmen im Umfang von etwa vier Milliarden geplant. In der Branche wird damit gerechnet, dass der Konzern noch mehr Geld ins Wachstum investieren dürfte. Die Finanzierung stellt kein Problem dar – zumindest nicht dieser Tage, wo die Zinsen tief sind und die Geldhäuser nicht wissen, wohin mit ihrer überschüssigen Liquidität. «Die Banken stehen bei uns Schlange», meint denn auch ein Manager von Louis Dreyfus. Auch ist das Unternehmen höchst kapitalmarktfähig; die Emission von Obligationen in Singapur und Luxemburg ging problemlos über die Bühne.
Verkaufs-Verbotsklausel
Doch wenn die Zinsen eines nicht fernen Tages anziehen, dann werden sich die Kapitalmärkte darauf besinnen, dass Louis Dreyfus Schulden von 8,5 Milliarden Dollar vor sich herschiebt. Spätestens dann muss sich das Management überlegen, wie man sich kostengünstiger finanzieren kann. Dann kommt wohl auch der Gedanke des Börsengangs wieder aufs Tapet.
Ein Going public allerdings bringt Margarita Louis-Dreyfus, die in Zollikon ZH in einer Villa am Zürichsee lebt, in etwelche Nöte. Ihr an Leukämie verstorbener Mann hat testamentarisch festgelegt, dass für 99 Jahre keine einzige Aktie der Louis Dreyfus Holding verkauft werden darf. Die Aktien liegen in der Familienstiftung Akira. Die Matriarchin muss das Erbe für die gemeinsamen Söhne Eric (21) und die 15-jährigen Zwillinge Maurice und Kyril beisammenhalten. Damit die «Märchenfee am Zürisee» («Schweizer Illustrierte») nicht darben muss, erhielt sie von Robert Louis-Dreyfus eine einmalige Zahlung von 300 Millionen Franken.
Die Matriarchin erhält nicht nur das Erbe für ihre Kinder, sondern sie kaufte über die Jahre Aktien des Familienunternehmens dazu. Als Verkäufer treten Monique und Marie-Jeanne, die zwei Schwestern von Robert Louis-Dreyfus, sowie zwei Cousins auf. Aktuell liegen bei Akira etwas über 65 Prozent der Papiere, die Verwandten halten noch schätzungsweise 15 Prozent, der Rest befindet sich in Händen des Managements. Der Konzern richtete per 2013 eine Dividende von 360 Millionen Dollar aus. Alleine in die Akira-Familienkasse flossen damit gegen 240 Millionen.
Einzelne Aktivitäten versilbern
Wahrscheinlicher als eine Publikumsöffnung zur Erschliessung neuer Finanzmittel ist der Börsengang einzelner Gesellschaften des Konzerns. So wurde vor Jahresfrist die brasilianische Zucker- und Ethanol-Tochter Biosev an die Börse geführt, 400 Millionen Dollar flossen in die Holdingkasse.
Denkbar ist auch das Versilbern einzelner Aktivitäten; 2012 brachte der Verkauf des Anteils am Energiehändler LDH Energy frisches Kapital für die Expansion von Louis Dreyfus. Den geringsten Machtverlust für Margarita Louis-Dreyfus bringt ein Teilverkauf des Konzerns, mit Vorliebe an einen Staatsfonds. Denn diese sind dafür bekannt, dass sie sich nicht ins operative Geschäft einmischen, solange die Rendite stimmt.
Interessenten für eine Beteiligung an Louis Dreyfus lassen sich vor allem in Asien lokalisieren, speziell im nahrungsmittelhungrigen China. So hat jüngst der chinesische staatliche Lebensmittel- und Getränkegigant Cofco eine Beteiligung am Agrargeschäft des Rohwarenhändlers Noble erworben.
Schwerpunkt Asien
Sowieso scheint Asien ein wichtiges Aufmarschgebiet für Louis Dreyfus zu sein. Vor kurzem wurde Jörg Wolle in den 13-köpfigen Supervisory Board von Louis Dreyfus Commodities aufgenommen. Der 57-Jährige ist CEO des Dienstleistungs- und Handelskonzerns DKSH, der über beste Kontakte bis in die höchsten Regierungsspitzen Asiens verfügt.
Ein beträchtliches Interesse an einer Beteiligung an Louis Dreyfus dürfte auch BlackRock, die weltgrösste Investmentgesellschaft, haben. Denn ein nicht unbeträchtlicher Teil der Kundengelder im gewaltigen Umfang von 4324 Milliarden Dollar ist in Rohstoffen angelegt. An den nötigen Kontakten zwischen den beiden Unternehmen wird es jedenfalls nicht scheitern: Philipp Hildebrand (50), einst Nationalbankpräsident mit hässlichem Abgang, heute in Diensten von BlackRock, und Rohstoffkönigin Margarita Louis-Dreyfus sind seit einigen Monaten liiert. Doch beim Unternehmen «hört die Liebe auf», heisst es aus dem Umfeld des Paars. Hildebrand hüte sich davor, irgendwelchen Einfluss auf Entscheidungen bei Louis Dreyfus Commodities zu nehmen.
Sowieso hat Margarita Louis-Dreyfus ihre Macht im Rohstoffkonzern über die vergangenen fünf Jahre dermassen zementiert, dass sie sich auch von einem Philipp Hildebrand nicht mehr dreinreden lässt.
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