Fliegen ist heute viel zu günstig.» Aus dem Munde eines Umweltaktivisten oder eines André Dosé wäre diese Aussage kaum erstaunlich. Beide hätten ihre Argumente. Doch die Kritik kommt von Peter Pfister, CEO der neuen Günstig-Airline Helvetic. Das überrascht, fliegt die heimische Gesellschaft doch pauschal für 99 Euro nach Wien oder Mallorca. Für den 46-jährigen Unternehmer aus der Zentralschweiz ist das kein Widerspruch: «Ticketpreise schon ab 20 Fr. pro Flug sind ökologischer und ökonomischer Unsinn. Aber so ist nun mal der Markt. Entweder macht man mit, oder man lässt die Finger davon.»

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Pfister macht mit und wie. Noch dieses Jahr sollen zwei der elf georderten Flieger vom Typ Fokker 100 abheben. In Pink, mit Ledersitzen und Verpflegungs-Service à la SBB. Zu lesen gibts an Board einzig ein Magazin, das sich über die Inserate selbst finanziert und vielleicht noch etwas abwirft. Zeitungen sucht man vergebens, ebenso das Kreuz auf der Heckflosse. «Das braucht eine Schweizer Airline heute nicht mehr», sagt Pfister. Kein Wunder, preist er seine Airline mit Begriffen wie «Lifestyle» und Jugendlichkeit an. Gleichzeitig setzt er auf traditionelle Schweizer Tugenden: Pünktlichkeit, Sauberkeit, Klarheit. Also nichts mit billig. Mit typischen Low-Cost-Carriern hätten die stählernen Flamingos nichts gemein. «Wir ködern unsere Kunden nicht mit Schnäppchenpreisen, von welchen nur wenige profitieren können. Das ist meiner Meinung nach», er stockt einen kleinen Moment, «eine Verdummung der Passagiere.»

Erste Firma mit 22 Jahren

Der Vater von drei Kindern ist kein Mann der leisen Töne. Er sagt direkt, was er denkt. Gleich hält er es mit der Selbstkritik. «Wir waren alle grössenwahnsinnig», meint er mit Blick zurück auf den Internethype. Er selbst war mit dabei, gründete mit gerade 22 Jahren eine eigene IT-Firma, die heutige Simultan. 130 Mitarbeiter arbeiten derzeit im modernen Hauptsitz in Altishofen LU und fünf weiteren Standorten in der Schweiz. Vor rund drei Jahren, nach dem Zusammenschluss von Simultan und Wickart-Kleb+Partner zur Simultan Group, waren es 520. Etwas mehr als ein Jahr später, Anfang 2001, wurde die Gruppe wieder aufgetrennt. Die Vision des grössten unabhängigen IT-Unternehmens der Schweiz war gescheitert.

«Für mich war das keine persönliche Niederlage», sagt Pfister. «Ich habe gelernt, dass Grösse allein nicht selig macht.» Eine Erfahrung, die nun auch den Aufbau der Helvetic Airways mitbestimmt. Nullwachstum lautet die Devise. «Wir werden bei elf Fliegern zehn in der Luft, einer in Reserve bleiben, selbst wenn wir genügend Passagiere für 15 Flieger haben. Man sagt zwar immer, dass eine Firma ohne Wachstum nicht überleben kann. Doch meine Erfahrungen haben mich etwas anderes gelehrt.»

Mein Büro, die Baracke

Pfisters Motto «Lieber klein und rentabel als gross und defizitär» hat weniger ideologischen als unternehmerischen Hintergrund. «Wenn Sie einen Betrieb mit bis zu 200 Angestellten haben, ist eine familiäre Struktur möglich, in der man den Überblick behält. Wird er grösser, werden die Strukturen komplizierter, der Überblick schwierig, und die Gefahr, die Kontrolle zu verlieren, nimmt zu.» Entsprechend umfasst auch das Team der Helvetic Airways knapp 200 Leute; 160 im Fluggeschäft, also Piloten und Kabinenpersonal, und etwas mehr als 20 in der Verwaltung. Diese kann so schlank gehalten werden, weil die Informatik wie auch das Rechnungswesen in die Simultan ausgelagert sind, welche auch die Buchungs-Engine entwickelt hat.

Damit spannt Pfister den Bogen aus der Vergangenheit ins Jetzt und spart gleichzeitig Kosten. Letzteres tut er überall, wo es möglich ist so lange es weder Qualität noch Sicherheit tangiert. Dabei nimmt er sich nicht aus. «Im Januar ziehen wir alle gemeinsam in die Baracke», sagt er und lächelt. Die Baracke ist wörtlich zu nehmen und steht bei Parkhaus 6 am Zürcher Flughafen. Sie umfasst 300 m2 Fläche, wurde für die Bauphase des neuen Terminals E erstellt und ist das zukünftige Büro der Helvetic Airlines. «Gerade mal 60000 Fr. Jahresmiete werden wir zahlen», sagt Pfister nicht ohne Stolz.

Der begeisterte Akrobatikflieger und Linienflugpilot mit 5000 Flugstunden ist aber nicht nur auf den Baracken-Deal stolz, sondern auf die gesamte Unternehmung. Dazu hat er auch allen Grund. Denn eine Fluggesellschaft mit 12 Fliegern, inklusive einer MD83, die heute als Chartermaschine für die Helvetic-Vorgängerin Odette Airways im Ethnik-Verkehr in Betrieb ist, stellt man nicht einfach so auf die Beine. Dazu benötigt es nebst Spürsinn auch Überzeugungskraft. Und die hat der Hobbygolfer, der zwei Jahre lang Maschinen in Libyen flog. Swiss-Piloten haben von sich aus gekündigt und einen Vertrag mit Helvetic unterschrieben, und Investoren waren bereit, rund 20 Mio Fr. einzuschiessen. Die meisten davon aus seinem Bekanntenkreis. Er selbst ist mit 10% beteiligt. Daneben halten Verwaltungsrat Peter Blum, Ex-Microsoft-CEO Schweiz, und der österreichische Flugunternehmer Wilhelm Koeck namhafte Anteile an der neuen Airline.

Die Kritik über den Zeitpunkt der Lancierung kann Pfister nicht nachvollziehen. «Der Moment, eine neue Airline zu gründen, war noch nie günstiger. Die Preise für Flugzeuge sind tief, hoch qualifiziertes Personal lässt sich zu guten Löhnen anstellen, und man kann gute Konditionen mit Partnerfirmen aushandeln.» Dazu brauche es nur gesunden Geschäftssinn. «Wir fliegen bereits mit vernünftiger Auslastung rentabel. Damit unterscheiden wir uns ganz klar von Billig-Airlines, die teilweise selbst mit einem Auslastungsgrad von 100% nicht kostendeckend operieren. Das ist meiner Ansicht nach Wahnsinn.»

«Immer der gleiche Quatsch»

Das wird auch Pfister vorgeworfen. Eine neue Schweizer Airline habe doch keine Überlebenschance: «Diesen Quatsch höre ich andauernd», enerviert sich Pfister. «Auch als ich meine IT-Firma gegründet habe, hiess es, das funktioniere nie. Es tat es aber doch. Manchmal kommt es mir vor, als würden sich die Schweizer mehr über eine Niederlage als einen Erfolg freuen. Das ist sehr gefährlich. Wenn wir weiter so denken, gibt es bald nur noch Unterlasser und keine Unternehmer mehr.»

Pfister schaut auf seinen Kuli mit der Aufschrift Helvetic.com. «Ich habe keine Mühe, wenn man mich als Spinner bezeichnet. Aber ich habe Mühe, wenn man alles von Anfang an zerreisst. Ich und die anderen Investoren riskieren etwas und schaffen Arbeitsplätze.» Er nimmt den Kugelschreiber fest in die Hand. «Natürlich ist es möglich, dass das Projekt scheitert. Aber dann erleidet niemand einen Schaden - und wir haben es dann immerhin versucht.»