Der Herbst taugt für einen Endorphinschub. Lufthansa-Chef Christoph Franz präsentierte im Oktober nach der Kritik am Sparprogramm «Score» ein Wohlfühlresultat: Operativ flog die Airline von Januar bis September fast 50 Prozent mehr Gewinn ein, Sanierungskosten ausgeklammert. Das Passagiergeschäft hob Franz hervor, die Domäne von Passage-Chef Carsten Spohr. Erstmals seit fünf Jahren schreibt der Europaverkehr Gewinn. Die Glücksgefühle beim so Gelobten dürften bleiben. Schliesslich steht Spohr vor seinem Karriereaufstieg.
Im Lufthansa-Topkader ist der Entscheid klar: Spohr beerbt Franz als Chef von Europas grösster Airline, wenn dieser ab Mai auf den Präsidentensessel des Pharmakonzerns Roche wechselt. «Die Anzeichen für Spohrs Wahl sind unübersehbar», heisst es vonseiten der Führungscrew. Andere Kader sehen die Entscheidung ebenso deutlich. Kein Wunder: Das Passagiergeschäft unter Spohr ist das wichtigste im Konzern, und er kann als gelernter Pilot das diffizile Verhältnis zu den Gewerkschaften austarieren. Ein Manager lobt, wie «charismatisch» Spohr sei. «Die Leute folgen ihm.»
Klare Wahl
Vorerst müssen Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber und die anderen Kontrolleure den Stärken Spohrs folgen. Am 4. Dezember sitzt das Gremium zusammen. Die Nachfolge von Franz steht auf der Tagesordnung. Deutlich ist, dass Spohr auf der Kapitalseite wie auch bei den Arbeitnehmervertretern Befürworter hat. Franz war durch seinen Sparkurs zuletzt hart mit den Arbeitnehmern aneinandergeraten. Spohr gilt als galanter.
Obwohl Mayrhuber auch extern Kandidaten suchen liess, kristallisiere sich Spohr als die klare Wahl heraus, heisst es im Umfeld von Franz. Swiss-Chef Harry Hohmeister etwa performe sehr gut, sei aber als neuer Lufthansa-Vorstand vorerst gut besetzt und müsse von dort aus erst den Bund der Lufthansa-Töchter schmieden. Da der Aufsichtsrat klar einen Lufthanseaten an der Spitze wolle, habe unter den Externen einzig Ex-Lufthansa-Manager Stephan Gemkow eine Chance gehabt. Doch er hat erst Mitte 2012 die Führung des Mischkonzerns Haniel übernommen und verdiene zumal dort mehr als ein Lufthansa-Chef.
Der 46-jährige Spohr wiederum arbeitet im Konzern schon seit 19 Jahren und passt dank seinem lockeren Umgang gut in die Lufthansa-Kultur. Zudem wird ihm ein guter Draht zu Chefaufseher Mayrhuber bestätigt.