Die Piloten und Pilotinnen der deutschen Airline Lufthansa haben für diesen Freitag (2. September) einen ganztägigen Streik beschlossen. Bestreikt werden sollen sämtliche Abflüge aus Deutschland der Kerngesellschaft Lufthansa sowie der Lufthansa Cargo, wie die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) in Frankfurt mitteilte. Das habe der Vorstand nach intensiven Verhandlungen mit dem Unternehmen und auf Antrag der Tarifkommission beschlossen, erklärte ein Sprecher. Die Lufthansa wird voraussichtlich einen Notflugplan aufstellen.
«Um Arbeitskämpfe abzuwenden, muss die Lufthansa ein deutlich verbessertes Angebot vorlegen», erklärte VC-Tarifchef Marcel Gröls laut einer Mitteilung. Offizieller Anlass des Arbeitskampfes sind die aus Sicht der Gewerkschaft gescheiterten Verhandlungen über einen neuen Gehaltstarifvertrag. Auch eine Sondierungsrunde hinter verschlossenen Türen und ein verbessertes Angebot des Unternehmens aus der vergangenen Woche hatten keinen Durchbruch gebracht. Zuletzt waren an diesem Mittwoch die Gespräche ergebnislos geblieben.
Gewerkschaft verlangt 5,5 Prozent mehr Lohn und Teuerungsausgleich ab 2023
Die Swiss-Mutter Lufthansa habe den Termin nicht für ein verbessertes Angebot genutzt, erklärte die VC. Sie verlangt für die rund 5000 Kapitäne und Ersten Offiziere Lohnsteigerungen von 5,5 Prozent im laufenden Jahr und einen automatisierten Inflationsausgleich ab dem kommenden Jahr.
Im Hintergrund schwelt zudem ein Konflikt über die künftige Konzernstrategie. Die VC hatte sich in der Vergangenheit die exakte Zahl von 325 Flugzeugen garantieren lassen, die ausschliesslich von den rund 5000 Kapitänen und Ersten Offizieren geflogen werden durften, die dem Konzerntarifvertrag unterlagen. Die Lufthansa hatte unter dem Eindruck der Corona-Krise die entsprechende Vereinbarung aufgekündigt und begonnen, unter dem Kranich-Logo einen neuen Flugbetrieb (AOC) mit niedrigeren Tarifbedingungen aufzubauen. Die neue Airline mit der internen Bezeichnung «Cityline 2» soll im Europa-Verkehr zahlreiche Flüge der bisherigen Kerngesellschaft übernehmen.
97,6 Prozent der Pilotinnen und Piloten für den Arbeitskampf
Laut VC haben bei der Urabstimmung in der Lufthansa-Passage 97,6 Prozent für den Arbeitskampf gestimmt, bei der kleineren Lufthansa Cargo waren es sogar 99,3 Prozent. Die Beteiligung lag laut Gewerkschaft in beiden Flugbetrieben bei über 93 Prozent. Erforderlich war eine Zustimmung von mehr als 70 Prozent aller Stimmberechtigten.
Die Pilotengewerkschaft hat sich auch bei der grössten Lufthansa-Tochter Eurowings mit ihren rund 100 Flugzeugen streikbereit gemacht. Laut der am Mittwoch ausgezählten Urabstimmung haben dort 97,9 Prozent für einen möglichen Arbeitskampf gestimmt. Allerdings steht in der kommenden Woche noch ein Verhandlungstermin zum strittigen Manteltarif aus, sodass für die Eurowings zunächst kein konkreter Streiktermin genannt wurde.
Die Lufthansa Cargo war mit ihren rund 4000 Beschäftigten selbst in der tiefsten Corona-Krise die Ertragsperle des Konzerns. Angesichts der weltweit gestörten Lieferketten stieg die Bedeutung der Luftfracht, sodass die Logistiktochter auch im Corona-Jahr 2021 rund 1,5 Milliarden operativen Gewinn ablieferte, was sich im laufenden Geschäftsjahr ungefähr wiederholen soll.
Arbeitsstreit von 2012 bis 2017 kostete Lufthansa 500 Millionen Euro
Erst im Juli hatte die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der grössten deutschen Airline für einen ganzen Tag nahezu lahmgelegt. Es fielen über 1000 Flüge aus, und rund 134’000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern. In der anschliessenden Verhandlungsrunde erreichte die Gewerkschaft für die rund 20’000 Bodenbeschäftigten Gehaltssteigerungen, die insbesondere in den unteren Lohngruppen deutlich zweistellig ausfielen.
Der vorerst letzte Pilotenstreik bei Lufthansa endete im Februar 2017 nach 14 Runden und einer letztlich erfolgreichen Schlichtung. Der 2012 begonnene Arbeitskampf hat die Lufthansa nach damaligen Angaben mindestens 500 Millionen Euro gekostet.
(awp/gku)