Nur Trainingsklamotten und Sportschuhe an und ab auf die Laufstrecke - das reicht vielen Sportlern heute nicht mehr. Sie wollen genau Bescheid wissen über ihre Fitness und ihren Leistungsstand. Dabei sammeln sie Daten über sich selbst, was das Zeug hält.
Heute schon das persönliche Trainingspensum geschafft? Stimmen Herzfrequenz, Kalorienverbrauch und Schrittzahl? Im Kampf gegen den inneren Schweinehund setzen viele Sportler mittlerweile auf Verstärkung durch Fitnessarmbänder und Computeruhren. Unmengen von Daten werden so täglich gemessen, gesammelt und verglichen.
Das heizt nicht nur den Trend zur Selbstoptimierung an, sondern auch die Geschäfte der Hersteller, die sich für die kommenden Jahre gute Chancen versprechen. Auf der weltgrössten Sportartikelmesse Ispo (24. bis 27. Januar) in München gehören Sensoren und andere Geräte zur Erfassung und Verarbeitung von Fitnessdaten in diesem Jahr zu den Schwerpunkten.
Grosser Markt
Auf gut 5 Milliarden US-Dollar dürfte der Markt dafür im Jahr 2019 gewachsen sein, erwarten Branchenexperten. Wichtige Anbieter von Fitnessarmbändern sind die US-Unternehmen Fitbit und Jawbone, aber auch der chinesische Smartphone-Aufsteiger Xiaomi mischt mit seinen vergleichsweise günstigen Produkten kräftig mit.
Hinzu kommen Computeruhren wie die Apple Watch, die ebenfalls Fitnessdaten messen können, oder Software-Angebote wie das Trainingssystem Micoach und die Sport-App Runtastic, die zum Sportartikler Adidas gehören. Rund 80 Millionen Menschen in 20 Ländern haben sich inzwischen bei Runtastic registriert, sagt ein Firmensprecher. «Das ist sicherlich ein Trend, der wachsen wird.»
Rückenwind bringt dabei nicht nur die Digitalisierung, die immer mehr Lebensbereiche erfasst - vom mobilen Arbeiten per Laptop und Smartphone über den Online-Einkauf bis zum vernetzten Zuhause. Daten werden so allgegenwärtig. Das nutzen immer mehr Menschen für die ausgiebige Selbstvermessung unter dem Stichwort «Quantified Self».
Neben der technischen Spielerei steht dahinter auch der Gesundheitsgedanke. Denn angesichts steigender Lebenserwartung wollen viele Menschen möglichst bis ins Alter fit und beweglich bleiben.
Grosser Zulauf
Fitness-Sportarten wie Radfahren, Laufen, Schwimmen und Wandern haben deshalb grossen Zulauf. Sie sind in Deutschland sogar noch beliebter als König Fussball, sagt die Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Sportartikel-Industrie, Nicole Espey.
Gerade bei solchen oft individuell betriebenen Sportarten könnten sogenannte Wearables - also Technik, die man am Körper trägt - den Spass, die Motivation und auch die persönliche Leistung voranbringen.
Aber was, wenn die Daten in falsche Hände geraten? Die Ankündigung des Versicherers Generali, gesunden Lebensstil und regelmässige Besuche im Fitness-Studio in seinen Versicherungspolicen belohnen zu wollen, hatte jedenfalls für viel Aufsehen gesorgt.
Konsumentenschützer warnten vor dem gläsernen Kunden. Generali will das Produkt im zweiten Halbjahr 2016 trotzdem starten. Primär gehe es darum, die Kunden anzuregen, etwas für sich zu tun, sagt ein Unternehmenssprecher.
Gemischte Gefühle
Auch Sportmediziner und -psychologen sehen den Trend mit gemischten Gefühlen. So kann das Verletzungsrisiko steigen, wenn sich immer mehr Menschen von Apps zu sportlichen Leistungen anspornen lassen, anstatt fachkundige Trainer zu Rate zu ziehen.
Andererseits wäre es schon wünschenswert, dass sich die Menschen mehr bewegen, um körperlich und auch kognitiv länger am Ball zu bleiben - und dafür könnten elektronische Geräte durchaus ein geeignetes Hilfsmittel sein, sagt der Sportpsychologe Thomas Ritthaler.
Versklaven und in ständigen Leistungsdruck und Selbstabwertung oder gar Sportsucht treiben lassen sollte sich aber niemand. Wie bei vielen Dingen komme es eben auch hier auf die richtige Dosis und den mündigen Umgang mit der Technik an, betont Ritthaler. Letztlich gelte: «Man muss es auch schaffen, das Ding abzuschalten, ein gutes Essen mit Freunden zu geniessen und auch mal faul zu sein.»
(sda/ccr)