Dass ein Privatbankier die Diskretion in Person ist, stimmt in diesem Fall nicht. Pierre Mirabaud (54), der neue Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, ist offen und kommunikativ wie noch kaum einer seiner Vorgänger. Dass «Monsieur Pierre», wie ihn die Mitarbeiter nennen, den Auftritt liebt, ist schon rein äusserlich abzulesen: Dalí-Schnauz, Designerbrille, oftmals farbige Anzüge.
Dass die Wahl auf ihn fiel, hat ihn überrascht: «Was hinter den Kulissen abgelaufen ist, weiss ich nicht.» Vielleicht konnten sich die beiden Grossen am Platz – Lombard Odier Darier Hentsch (LODH) und Pictet – nicht rechtzeitig auf einen Kandidaten aus den eigenen Reihen einigen, oder ihr Vorschlag war der UBS und der CS, ohne deren Stimmen im Vorstand nichts geht, nicht genehm. Mirabauds Kür zum obersten Schweizer Banker ist gleichwohl kein Zufall. Hinter seiner jovialen Art versteckt sich ein calvinistisch geprägter Privatbankier, der die tradierten Prinzipien des Gewerbes verinnerlicht hat. Sein Glaube an das Partnerschaftsmodell mit unbegrenzt haftenden Teilhabern einer echten Privatbank ist ungebrochen. Im Konkursfall hiesse das für jeden, alles zu verlieren – bis zum Existenzminimum. Übermütig wird da keiner!
Seine «Roadmap» hat der neue Präsident bereits definiert. Erste Priorität ist und bleibt der umfassende Schutz der Privatsphäre rund um das Geld. Das Bankgeheimnis ist ihm so heilig, dass er bereits gegen den EWR-Beitritt vor gut zehn Jahren Sturm gelaufen ist. «Einen Häretiker haben mich die Genfer Kollegen damals geschimpft», erinnert er sich. Inzwischen seien alle auf seiner Seite, lacht er. SVP-Präsident Ueli Mauer stellte unlängst fest: «Zwischen den Positionen der Privatbankiers und der SVP gibt es keine Unterschiede mehr.» Diese Umarmung geht Mirabaud aber dann doch zu weit. So will er mit der Einwanderungspolitik der Volkspartei nichts zu tun haben. Engen Kontakt wird Mirabaud zu den Behörden suchen. Seine Vereinigung soll agieren und nicht den Problemen hinterherhinken. Der frühere Spitzenpolospieler in England macht dabei einen kämpferischen Eindruck.
Erster unter Ungleichen
Wenn er im September von Georg Krayer (Bank Sarasin) das Präsidium übernimmt, vertritt Mirabaud 350 Institute von der Raiffeisenbank bis zum Giganten UBS, deren Interessen teilweise weit auseinander liegen. Eng sind seine Bande zu den Genfer Kollegen Jean A. Bonna von Lombard Odier Darier Hentsch (LODH) und Ivan Pictet (Pictet). Jacques Rossier (LODH), vor ein paar Jahren inoffizieller Kandidat für das Amt, bezeichnet er als Mentor, was die Verbandsarbeit betrifft. Bénédict Hentsch, gefallener früherer Partner von Darier, Hentsch & Cie und Verwaltungsrat bei der Swissair, bleibt für ihn ein «alter Freund». UBS-Präsident Marcel Ospel hat ihm ebenso den Segen erteilt wie Walter Kielholz, Präsident der CS. Mit ihm verbindet ihn die Gründung von Avenir Suisse. Dank Mirabaud finanzieren die Genfer Privatbanken den Think-Tank mit, der von Thomas Held geleitet wird. Bei der Bankiervereinigung kann er sich auf Geschäftsführer Urs Roth und dessen Team stützen. Stephan Haeringer, graue Eminenz bei der UBS, spielt die Rolle als langjähriger Vize bei der Bankiervereinigung wohl auch unter Mirabaud weiter. Paul Hasenfratz, Ex-Chef der Zürcher Kantonalbank, kennt er vom Arbeitskreis Kapital und Wirtschaft.
Seine Bank Mirabaud & Cie
Sein Ahne Jacques-Marie Mirabaud, Bankier in Mailand und Financier der Feldzüge Napoleons in Italien, gründete die Bank 1819 in Genf. «M.&Cie», wie das Haus am Boulevard du Théâtre diskret angeschrieben ist, hat sich erst in den letzten 30 Jahren internationalisiert, nachdem die Privatbank zuvor von der französischen Klientel gelebt hatte. Pierre Mirabaud war dabei die treibende Kraft – nicht zuletzt mit den Renditen seiner alternativen Anlagen. Die Zahl der Mitarbeiter ist von 30 auf 300 angewachsen und das verwaltete Vermögen von einer auf zehn Milliarden Franken. Cousin Thierry Faucher-Magnan leitet heute die Bank. Neffe Yves Mirabaud gehört der Direktion an und dürfte der künftige Chef sein. Franz Blankart, ehemaliger Staatssekretär im Bundesamt für Aussenwirtschaft, ist Partner mit beschränkter Haftung. Mirabaud selbst kümmert sich nur noch um den eigenen Kundenstamm und die von ihm etablierten Hedge-Fund-Anlagen.
Business-Partner
Im Gegensatz zu den meisten anderen Privatbankiers hat Pierre Mirabaud früh auf alternative Anlagen gesetzt und für seine Kunden und sich selbst viel Geld verdient. Er war einer der ersten, die dem ungarisch-amerikanischen Grossinvestor George Soros Geld gegeben haben. Heute präsidiert er dessen Quantum Endowment Fund und sitzt auch im Aufsichtsgremium der Zuger Karl-Popper-Stiftung. Präsident dieser gemeinnützigen Einrichtung, die mit ihrem Milliardenvermögen zu den grössten in der Schweiz zählt, ist der frühere IKRK-Präsident Cornelio Sommaruga. Wie der grosse Soros unterstützt auch Mirabaud Osteuropa. Seine Stiftung Pro Democratia finanziert Projekte in Rumänien, der Heimat seiner Mutter. Eine weitere Hedge-Fund-Beziehung besteht zu Louis Moore Bacon von Moore Capital. Bei Moore hat auch der neue Nationalbanker Philipp Hildebrand sein Geld gemacht. Diesen kennt Mirabaud schon aus der Zeit, als er kurz beim WEF in Genf tätig war. Eng ist sein Verhältnis zu Tito Tettamanti, mit dem er in den Achtzigerjahren beim Angriff auf Sulzer an vorderster Front mitgekämpfte. Dank Tettamanti ist er auch (mit zehn Prozent) am Zürcher Verlagshaus Jean Frey beteiligt, zu dem die BILANZ
gehört.
Nach der Arbeit
Pierre Mirabaud sitzt als Parteiloser im Gemeinderat seiner Wohngemeinde Founex VD. Obwohl er ihre politische Ansichten nicht teilt, spricht er mit Hochachtung von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, die er aus ihrer Zeit als Genfer Finanzministerin kennt. Befreundet ist er mit Jacques de Watteville, Botschafter in Syrien, Anton Thalmann, Botschafter in Kanada, und Edouard Brunner. Zusammen mit dem früheren Botschafter in den USA hat er die Swiss Foundation for World Affairs in Washington gegründet. Zusammen sitzen die beiden Geniesser auch in der Académie Suisse du Gourmet, der auch alt SP-Bundesrat Pierre Aubert angehört. Auftritte von Altstars wie Johnny Hallyday kürzlich in Genf und Carlos Santana bald im Hallenstadion zieht er Konzerten wie etwa jenen im Rahmen des Lucerne Festival vor. Rückzugsorte hat er in Rougemont bei Gstaad (mit Restaurant und Weinhandlung). Seine Frau Sylvia ist eine gebürtige Baslerin. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder.