Im Gezeter über hohe Managersaläre ging an der Generalversammlung der UBS vom 18. April Marcel Ospels neuster Streich fast unter: Erstmals wurde eine Frau in den UBS-Verwaltungsrat gewählt: Gabrielle Kaufmann-Kohler (53). Eine weltweit renommierte Anwältin, Professorin für internationales Privatrecht an der Universität Genf, Expertin für Fragen des Schiedsgerichtes im internationalen Handel und des Sportrechts sowie Mutter von drei Teenagern. Die Partnerin der Anwaltskanzlei Schellenberg Wittmer zählt zu den führenden Experten der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Die Liste ihrer Aktivitäten ist lang: Kaufmann-Kohler war und ist unter anderen in Kommissionen der International Chamber of Commerce (ICC), des International Center for the Settlement of Investment Disputes unter Aufsicht der World Bank (ICSID), der World Intellectual Property Organization (WIPO/OMPI) und des Panel of Arbitrators and Mediators des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes. Als Professorin betreut sie neben Studenten und Doktoranden ein Forschungsprojekt über internationale Schiedsgerichtsbarkeit in China. Sie ist Autorin von drei und Herausgeberin von fünf Fachbüchern. Schier unzählig sind ihre Publikationen von Fachartikeln.
In den People-Rubriken der Medien ist Gabrielle Kaufmann-Kohler nicht zu finden, doch in einer Umfrage der amerikanischen Fachzeitschrift «The American Lawyer» rangiert sie unter den zehn anerkanntesten Schiedsgerichtsexperten. Die Juristin mit Anwaltspatent in Genf und New York war Präsidentin und ist jetzt Ehrenpräsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Gerichtsbarkeit (ASA).
Gabrielle Kaufmann-Kohler ist in Mülhausen als Tochter eines reformierten Pfarrers geboren und in Basel aufgewachsen. Sie spricht Französisch, Englisch, Spanisch und Deutsch. Ihr Jus-Studium an der Uni Basel schloss die Schweizerin mit «summa cum laude» ab. Das war 1977. Vorbild blieb ihr bis heute Doktorvater Frank Vischer, Spezialist für Handelsrecht und internationales Privatrecht. Vischer sitzt auch im Verwaltungsrat von Pirelli in Mailand. Beeindruckt hat sie seine analytisch-pragmatische Denkart und sein motivierender Umgang mit den Doktoranden.
Als Partnerin der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie (1985 bis 1995) arbeitete Gabrielle Kaufmann-Kohler mit einer Frau, die am WEF in Davos und am St. Gallen Symposium wohlbekannt ist – mit Christine Lagarde. Die Juristin Lagarde trat im vergangenen Jahr als Managing Partner von Baker & McKenzie zurück, weil sie zur Handelsministerin Frankreichs ernannt wurde. «Wir sind beinahe gleich alt und sind fast in den gleichen zwei Jahren Mütter von zwei Buben geworden, das verbindet auch privat», erzählt Gabrielle Kaufmann-Kohler.
Die Kluge
Mit herablassenden Blicken in Männergremien plus Nonverbalem im Sinne von «Lass die Kleine machen» war sie als junge Juristin gelegentlich konfrontiert. Ein Land lehnte sie später als Schiedsrichterin gar ab, weil sie eine Frau war. Kaufmann-Kohler rät Frauen, «Männer als Verbündete zu betrachten und für sich zu gewinnen». Sie ist gegen Frauenquoten. «Doch bei gleichen Qualifikationen sollte man im Sinne der Diversity auf der Führungsetage einer Frau den Vorzug geben.»
Die Sport-Connection
Die Juristin Gabrielle Kaufmann-Kohler präsidierte mehrmals die Ad-hoc-Abteilung des Internationalen Sportgerichtshofs (TAS) für die Olympischen Spiele und nahm als erste Frau im fünfköpfigen Schiedsgericht des America’s Cup Einsitz.
Man könnte vermuten, dass Kaufmann-Kohler in diesem Schiedsgericht auch den «Alinghi»-Segler Ernesto Bertarelli traf, der Mitglied im zwölfköpfigen UBS-Verwaltungsrat ist. Doch weit gefehlt: «Ich habe Ernesto Bertarelli erstmals beim Auswahlverfahren für die UBS persönlich getroffen», sagt die Anwältin.
Nach ihrer Wahl in den Verwaltungsrat der UBS – die Grossbank ist Hauptsponsorin der «Alinghi» – gab Kaufmann-Kohler ihren Rücktritt aus dem Segelschiedsgericht bekannt. So ging sie dem Vorwurf der Interessenkollision präventiv aus dem Weg.
Frauenpower
An der UBS Women’s Leadership Conference am 29. Mai im Zürcher Kongresshaus wurden über tausend Wirtschaftsfrauen dazu ermutigt, mit mehr Selbstvertrauen bis in die Old Boys Clubs an der Spitze vorzudringen.
Die Konferenz wurde nicht von Gabrielle Kaufmann-Kohler initiiert, sondern von Frauen aus dem mittleren Kader der Grossbank organisiert. Der Auftritt der neuen Verwaltungsrätin, die nicht nur von ihren Erfolgen sprach, überzeugte das Publikum. «Leadership ist heute vor allem Teamwork, und das ist eine Stärke von Frauen», betonte die Juristin.
Der Mangel an Selbstvertrauen, der viele Frauen schwächt, ist auch Kaufmann-Kohler nicht unbekannt: «Als ich beim ersten Meeting einer Schiedsgerichtskommission am Haager Gerichtshof die Mitglieder dieses Old Boys Clubs traf, wäre ich am liebsten davongerannt, doch ich atmete tief ein und nahm auf meinem Sessel Platz.» Inzwischen haben
die Herren ihr angeboten, das Gremium zu präsidieren. Ähnliche Erfahrungen in Männergremien sind auch Barbara Kux, Konzernleitungsmitglied bei Philips, und Hanne de Mora, Präsidentin der Beratungsfirma A-Connect, die auf dem Podium sprachen, nicht fremd.