So schnell wendet sich das Blatt. Wurde Georg Stumpf bei der Unaxis-Übernahmeschlacht noch als gieriger «Finanzhai», «Abzocker» oder «Unternehmensfledderer» beschimpft, haftet ihm neuerdings der Nimbus eines «weissen Ritters» an. Eines Helden, der das Industrieunternehmen Saurer den Zähnen des britischen Finanzhais Laxey entrissen hat. Es war Dienstag, 5. September, als Stumpf Saurer-VR-Präsident Giorgio Behr darüber informierte, dass Unaxis nun grösster Saurer-Aktionär sei. Dies, nachdem Preston Rabl, Chef von Laxey, sein 24-Prozent-Paket zum Kauf freigegeben hatte. Wohlgemerkt: nachdem er noch Tage zuvor Wirtschaftsanwalt Urs Schenker und Top-Sanierer Hans Ziegler als VR auserkoren und der Presse zugeführt hatte. Ob sich Stumpf tatsächlich als Glücksfall für Saurer herausstellt oder ob dieser nur ein weiterer Raider ist, wird sich weisen. Auf jeden Fall lässt sein Umgang mit Mitarbeitern oder mit Investitionsobjekten wenig Feingefühl durchblicken.
Der Grund für seinen unzimperlichen Stil liegt in der Vergangenheit. Bereits als Kind musste er sich gegen den übermächtigen, stets fordernden Vater behaupten, der ihn gleich nach dem Wirtschaftsstudium ins elterliche Immobiliengeschäft drängte. Im zarten Alter von 22 Jahren kam Stumpf auf die Idee, den höchsten Turm Österreichs zu bauen. Allen Skeptikern, die das Projekt als Flop des Jahrhunderts taxierten, zum Trotz zog er innerhalb von drei Jahren das grösste Geschäftsgebäude Wiens empor. Doch nur mit Türmebauen wollte sich der Tower-Bauer nicht zufriedengeben, also gründete er auch noch zwei Internetfirmen. Eine davon sollte Gebrauchtwagen via Internet verkaufen, die andere bot Telekom- und Internetdienstleistungen an. Zu diesem Zeitpunkt begegneten sich Stumpf und Ronny Pecik zum ersten Mal. Ein Freund von Stumpf, der ehemalige «Handelsblatt»-Verleger Axel Mader, stellte die beiden einander vor. Stumpf beauftragte daraufhin Pecik, für seine Internetfirmen Investoren zu suchen, was dieser auch via M&A-Privatbank tat. Einzig, beide Internet-Gehversuche Stumpfs endeten mit einer kolossalen Pleite. Die Verbindung zu Pecik blieb.
Dann, 2003, ging es steil bergauf. Stumpf verhökerte den Millennium-Tower und löste dafür rund 230 Millionen Euro. Damit sollte ein Kapitel abgeschlossen werden, in dem sich Stumpf vor allem dadurch hervortat, dass er reihenweise Handwerker nicht bezahlte und qualitativ schlechte Bausubstanz verwendete. Zahlreiche Mieter klagten über Mängel. Gefolgsleute des heute 34-Jährigen schwanken zwischen Bewunderung und Kopfschütteln. «Er hat sich Anfang zwanzig in einer Haifischbranche durchsetzen müssen. Das geht nicht, wenn man als Goldfisch agiert», versucht es einer mit einem Erklärungsansatz.
Die Austria-Connection
Steigbügelhalter Stumpfs war der Vater. Neben ansehnlichem Vermögen hinterliess der Herr Kommerzialrat dem Filius ein respektables Netzwerk an hochkarätigen Managern und Politikern. Zu diesen gehört Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky, der Stumpf in dessen Anfängen kräftig unter die Arme griff. Ebenfalls in seinem Radarkreis bewegt sich der Wiener Ex-Baulöwe und Klatschspaltenfüller Richard Lugner. Diese Beziehung besteht nicht allein des Wissenstransfers wegen, ihre Frauen verbindet eine enge Freundschaft. Es war Financier Ronny Pecik, der auf Stumpf zutrat und ihm die Idee verkaufte, gemeinsam mit dem Industriellen Mirko Kovats Unaxis (neu: Oerlikon-Gruppe) zu übernehmen. Stumpf liess sich rasch überzeugen und steuerte gemäss eigenen Aussagen die Hälfte der rund 1,2 Milliarden Franken zur Übernahme bei. Mit Freunden hat Stumpf so seine Schwierigkeiten, wie er selber eingesteht, des Zeitmangels wegen. «Er kennt jeden in Österreichs Wirtschaft, der etwas zu sagen hat, doch Kontakt pflegt er nur, wenn er etwas von einem braucht», so ein Bekannter über Stumpf.
Der Privatmann
Trotz genügend Reibach gibt es für den Mittdreissiger nur ein Ziel: den geschäftlichen Erfolg. Auf Hobbys angesprochen, muss er lange nachdenken, Golfen gewöhnte er sich aus Zeitmangel ab, obwohl er als 18-Jähriger mehrere Titel holte. Freunde bezeichnen ihren «Gerry» als zurückhaltend, beinahe scheu. Er sei kein Partygänger, sondern jemand, mit dem man nur zu Hause zum Essen abmachen könne. Im Gegensatz zu seinen Schwestern Kathy und Gabi Stumpf. Die beiden Dressurreiterinnen lassen keinen Promi-Event aus. Trotz lockerem Lebensstil ist die Verbindung mit dem schwer arbeitenden Bruder gut. Dieser verbringt im Gegensatz zu seinen fidelen Schwestern die Sonntage lieber mit Lebenspartnerin und 12-jährigem Sohn auf seinem Anwesen in Wien. Doch auch er weiss, was Luxus ist: Einen Bugatti und einen 18-Platz-Bombardier-Jet nennt er sein Eigen.
Die Zukunft Saurers
Mit einem Anteil von 24 Prozent der Saurer-Aktien und Optionen auf weitere 21 Prozent muss die Oerlikon- Gruppe den restlichen Saurer-Aktionären ein öffentliches Kaufangebot unterbreiten. Dieses fällt mit 93 Franken pro Aktie kärglich aus. Fragt sich, ob Stumpf tatsächlich den gesamten Konzern will oder nur die Mindestschwelle überschreitet, um im VR die Mehrheit auszuüben. Die angepriesenen Synergien zwischen Oerlikon und Saurer sind unklar.