Er hielt es 27 Jahre lang als Banker aus. Dann quittierte er, mittlerweile CS-Generaldirektor, den Job und gab seinem Leben, vor zehn Jahren, einen neuen Drall. Hans Geiger wurde Ordinarius am Swiss Banking Institute der Universität Zürich. Dieses Jahr, mit 64, bereitet er sich nicht auf die Pensionierung vor, sondern auf eine dritte Karriere: Geiger will für den stärksten Kanton und die stärkste Partei (SVP) in den Ständerat einziehen. Ein verwegener Plan.
Die Idee dazu hatte Hansjörg Frei, Präsident der Zürcher SVP. Die zwei kennen sich, wie so viele, aus alten CS-Zeiten: Frei war bis 2003 Konzernleitungsmitglied bei der früheren CS-Tochter «Winterthur»-Versicherungen. Geiger besprach sich mit seiner Frau Esther, mit der er seit 1972 verheiratet ist, und als er merkte, dass er keine ihrer Fragen («Wie viel gibt das zu tun? Wo wohnst du in Bern?») beantworten konnte, bat er um ein Treffen mit dem abtretenden Ständerat Hans Hofmann. Nach dem zweistündigen Gespräch im Zürcher Bahnhofbuffet fing der Ex-Banker so etwas wie Feuer. Als seine Frau den Widerstand aufgab, schickte ihn die Partei mit nur einer Gegenstimme in den Wahlkampf.
Glatze, Manchesteranzug, offenes Hemd – vom Äusseren her fällt Geiger nicht auf, weder auf der Strasse noch an einer Versammlung der Partei, der er seit über 20 Jahren angehört. Leute, die ihn kennen, bezeichnen Geiger aber auffallend oft als Ausnahmeerscheiung. In der Schweizer Finanzwelt kennt Geiger jeden – und jeder kennt ihn, die meisten als «Hans». Sie charakterisieren ihn als bodenständig und trotzdem weltgewandt, als intellektuell, aber nicht abgehoben, als unbequem, aber nicht destruktiv. Mehr als Arbeit verbindet Geiger mit dem obersten Bankenaufseher, Daniel Zuberbühler, aber auch mit dem ehemaligen Kollegen Joe Ackermann. Mit dem CEO der Deutschen Bank war er jüngst auf einem Segeltörn. Eingeladen hatte ihn Peter Küpfer, den Geiger im Strudel des Chiasso-Skandals kennen gelernt hat: Küpfer war leitender Revisor der SKA-Revisionsstelle, Geiger Chef Rechnungswesen. Seither sind sie Freunde.
Politisch hat sich Geiger erst einmal exponiert: als Gegner der Verträge von Schengen. Er tat es nicht als SVPler, sondern als Hans Geiger. Den Kampf verlor er, dafür traf er Konrad Hummler, Direktor und Teilhaber der Privatbank Wegelin. Ihn nennt Professor Geiger «eine grosse Nummer». In dieser Kategorie figuriert für ihn auch CS-Chef Oswald («Ossi») Grübel, ein Jahrgänger von Geiger. Letztes Jahr hat Grübel vor Geigers Studenten im Lehrgang Master of Advanced Studies in Finance darüber referiert, was die Wirtschaft generell und die Banken im Speziellen von ihnen erwartet. Und Ex-Kollege Reto Francioni, Chef der Deutschen Börse, hielt eine Vorlesung über die Börsen. Auf seine Nomination für den Ständerat hat Robert («Robi») Jeker, während zweier CS-Jahrzehnte Geigers Chef, stante pede reagiert und gratuliert.
Der Zürcher
Geiger ist in der Stadt Zürich aufgewachsen und lebt in Weiningen. Dank Ulrich Albers, ehemals Verwaltungsrat der Credit Suisse, ist er Mitglied im Vorstand der Zürcher Handelskammer. «Hier sitze ich mitten im Zürcher Filz», weiss Geiger. Dem elitären Zirkel gehören unter anderen an: Peter Quadri, Andreas Keller, Ernst Tanner, François Schwarzenbach, Michael Bär und Andreas Schmid. Schmid und Geiger kennen sich auch hoch zu Ross: Beide reiten in der Offiziersgesellschaft in Dielsdorf. Ein weiterer Kavallerist, der Zürcher Rechtsanwalt Peter Pestalozzi, hat Geiger vor zwei Jahren in der Reitergruppe der Weggenzunft ans Sechseläuten eingeladen. Vor zwei Monaten ist Geiger als Mitglied aufgenommen worden. Bei seinem Götti, dem Zürcher Spenglereibesitzer Hansbeat Bächler, sass er bis Ende Januar im Verwaltungsrat. Auf sie alle zählt Geiger, wenn es im Herbst ums Wählen geht. Auch von Uni-Seite rechnet er mit Unterstützung, sowohl von Rektor Hans Weder wie auch von den Institutskollegen Ranja Gibson, Ruedi Volkart oder Conrad Meyer, Direktor des Instituts für Rechnungswesen und Controlling sowie VR-Präsident der «NZZ».
Der Bescheidene
Auf etwas ist der bestens vernetzte Geiger besonders stolz: seine Bescheidenheit. Er lebe wie zu Zeiten als Prokurist, sagt er. «Wer den Lebensstandard laufend seinem steigenden Einkommen anpasst, wird unfrei, sagt und tut irgendwann nur noch, was er darf.» Bruno Gehrig, Präsident der Swiss Life, ist Geigers Bruder im Geiste. Die beiden arbeiten immer wieder gemeinsam an Studien und Projekten, treffen sich aber auch ohne Traktanden – zum Kaffee. Unkomplizert pflegt Geiger auch den Kontakt zu seinen ehemaligen Assistenten: Sie trifft er am liebsten im «Weissen Wind», einer Beiz im Zürcher Niederdorf. Zum Frühstück mit Michel Favre, dem einstigen Chef der Tamedia, wagt sich Geiger allerdings auch eine Etage höher – ins noble «Baur au Lac».
Der Mobile
Geiger ist ein fanatischer Sportler. Früher boxte er, heute reitet und rudert er. Daneben legt er mit dem Velo im Jahr 10 000 Kilometer zurück. Er ist nebenamtlicher Präsident des Akademischen Sportverbandes Zürich (ASVZ), «das schönste Mandat, das ich je hatte». Der ASVZ hat sein Office in der Nähe der Fifa auf dem Zürichberg. Auch dort hat Geiger einen Freund: Mit Generalsekretär Urs Linsi trifft er sich beim Zoo oft zum Lunch. Und: Sponsor des ASVZ ist der Ex-Arbeitgeber Credit Suisse.