Lange brauchte Headhunter Bjørn Johansson vor drei Jahren nicht, um Hans Lerch (54) davon zu überzeugen, in den Verwaltungsrat der aus der SAirGroup herausgelösten Flugzeugwartungsfirma SR Technics einzutreten. Mehr als dreissig Jahre war Lerch zu jenem Zeitpunkt schon bei Kuoni, die Aussichten, weitere zehn Jahre bis zur Pensionierung beim grössten Schweizer Reisekonzern verbleiben zu können, waren damals bereits nicht mehr allzu rosig. Während der aufreibenden Kämpfe um die Macht beim Reisekonzern hatten sich Gräben geöffnet, die bis heute nicht mehr zugeschüttet werden konnten. Gut zwei Jahre harrte Lerch dann doch noch aus, bevor er Ende 2004 die Konzernleitung abgab. Und für viele seiner Vertrauten war klar, dass er auch den Sitz im Verwaltungsrat nicht allzu lange behalten würde. In der Tat hat Lerch nun den Verwaltungsrat abrupt verlassen, laut dem offiziellen Wortlaut, um sich auf seine Funktion bei SR Technics zu konzentrieren und sich von arbeitsintensiven zusätzlichen Aufgaben zu entlasten. In Tat und Wahrheit hatten sich Lerch und Verwaltungsratspräsident Andreas Schmid nie richtig miteinander anfreunden können, das Verhältnis zwischen den beiden Alphatieren blieb über die Jahre mehr als ambivalent. Aus Lerchs Umfeld ist zu erfahren, dass Schmid denn auch den Ausschlag für den völligen Rückzug aus dem Konzern gab, dem Lerch weit über dreissig Jahre hinaus gedient hatte.
Lerchs Aufstieg wurde in den Medien oft dem langjährigen Kuoni-VR-Präsidenten Riccardo Gullotti zugeschrieben, der zwar ein wichtiger Förderer von ihm war, doch war es ursprünglich Kuoni-Patron Jack Bolli, der als eigentlicher Mentor seinen Aufstieg von Anfang an gefördert hatte. Schnell baute sich Lerch intern ein stabiles und treues Netzwerk auf, das ihm bis heute erhalten geblieben ist. Über die Jahre hat sich der Reiseprofi aber auch ausserhalb seines Konzerns ein engmaschiges Netz von Freundschaften mit zahlreichen Grössen der Schweizer Wirtschaftswelt aufgebaut. Freundschaften, die weit über das Geschäftliche hinausgehen, wie ihm zahlreiche seiner Vertrauten attestieren. Dazu gehören etwa die ehemaligen UBS-Grössen Mathis Cabiallavetta (einst Konzernchef und VR-Präsident) und Heinz Müller (einst Generaldirektor). Vor allem Müller war es, der Lerch im zermürbenden Machtkampf mit Ex-Kuoni-Präsident Daniel Affolter die Stange gehalten hatte. Noch heute ist Müller für Lerch ein wichtiger Gesprächspartner. Enge Kontakte pflegt er aber auch zum ehemaligen Adia-Chef Nico Issenmann, mit dem er im Verwaltungsrat der SR Technics sitzt. Nach seinem Rücktritt als Kuoni-Chef fand Lerch in dessen Bürohaus Unterschlupf. Zum inneren Kreis der Vertrauten von Lerch gehören überdies der Risikokapitalist Peter Friedli, IBM-Schweiz-Chef Peter Quadri und auch der Kommunikationsberater Aloys Hirzel.
Die Lerch-Boys
Intern galt die Führungsriege um Hans Lerch als verschworene Truppe. Begonnen hatte diese interne Seilschaft, die jahrelang kaum Veränderungen erlebte, als Hans Lerch 1992 den Auftrag erhielt, das Tour-Operating von Kuoni zu reorganisieren. Von den zwanzig Führungskräften in diesem Bereich konnte Lerch gerade mal noch acht weiter beschäftigen. Alle, die sich über die Reorganisation weg halten konnten, wurden intern wie auch in der Presse entsprechend als «Lerch-Boys» gefeiert. Zu ihnen gehörte beispielsweise Thomas Stirnimann, der Lerch an der Spitze von Kuoni Schweiz ablöste und der heute Mitinhaber der Travelhouse-Gruppe ist, des viertgrössten Reiseveranstalters der Schweiz. Dazu gehörten aber auch Martin Wittwer, heute Chef von TUI Schweiz, sowie Roland Schmid, heute bei TUI die Nummer zwei hinter Wittwer. Gute Kontakte hat Hans Lerch jedoch nach wie vor zu den Kuoni-Leuten Roberto Luna (CEO Kuoni Schweiz), Walter Brüllhardt (Tour-Operating Europa) und Urs Bellmont, der für die Beteiligungen des Schweizer Reisekonzerns zuständig ist.
Jassen in Asien
Als Kuoni am 7. Oktober den Rücktritt von Hans Lerch aus dem Verwaltungsrat bekannt gab, sass Lerch gerade in einem Kleinbus in Singapur. Seine guten Kontakte zu Asien und zu zahlreichen in Fernost tätigen Schweizer Reiseprofis hatte er nie abbrechen lassen. Immerhin war er für Kuoni 13 Jahre lang in dieser Region tätig, bevor er 1985 in die Schweiz zurückkehrte. Als einer seiner engsten Freunde gilt denn auch Kurt Rufli, der Gründer und Managing Director der thailändischen Amari-Hotelgruppe. Die beiden sind seit über dreissig Jahren eng befreundet. Verbunden sind sich die beiden Tourismuscracks aber auch, weil sie beide passionierte Jasser sind. Nicht etwa Spieler des gewöhnlichen Jassspiels wohlbemerkt, sondern des Guggitalers. Für diese simple wie ungemein raffinierte Jassvariante rief Lerch gar einen Zürcher Club ins Leben, während Rufli in Bangkok einen eigenen Guggitaler-Club aufzog.
Mächtige Gegner
In den ersten zwanzig Kuoni-Jahren konnte sich Lerch auf seine Vorgesetzten stützen, Jack Bolli und Riccardo Gullotti förderten ihn nach Kräften. Erst mit dem Aufbäumen von Kuoni-Präsident Daniel Affolter begann für Lerch eine schwierige Zeit. Auch nach Affolters Abgang kehrte keine Ruhe mehr ein. Denn mit dem neuen Präsidenten Andreas Schmid überwarf sich Lerch sehr rasch. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Hans Lerch dem Reisekonzern den Rücken kehren würde.