Er hat Charme, wirkt gesellig und strahlt meistens über das ganze Gesicht. Aber wen er ins Visier nimmt, der muss um sein Vermögen fürchten. Karl Wüthrich (52), Sternzeichen Fisch, sollte gemäss Vulgärastrologie eher zur Introvertiertheit neigen. Stattdessen holt der SAirGroup-Liquidator unter lautem medialem Begleitkonzert seine Pfeile aus dem Köcher, einen nach dem anderen – und trifft offenbar ins Schwarze: Über eine Schadensumme von 280 Millionen Franken verklagt er unter anderem den damaligen SAir-CEO Philippe Bruggisser, dessen Finanzchef Georges Schorderet sowie den Verwaltungsrat, angeführt von Präsident Eric Honegger, dem früheren FDP-Regierungsrat, mit den Schwergewichten Thomas Schmidheiny, dem Zement-Milliardär, und den Bankiers Bénédict Hentsch und Lukas Mühlemann.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Wüthrich behauptet, die Verantwortlichen des im Herbst 2001 untergegangenen Luftfahrtkonzerns SAirGroup hätten Ende 2000 die Gläubiger geschädigt, indem sie die Beteiligung an einer Firma namens Roscor in die überschuldete Tochtergesellschaft SAirLines transferierten, wo die maroden Airlines der Gruppe zusammengefasst waren. «Anstatt ein Sanierungskonzept auszuarbeiten, wurde eine buchmässige Bilanzsanierung auf der Basis von nicht mehr aktuellen Zahlen vorgenommen», sagt Wüthrich. Weitere Klagen bis zu maximal fünf Milliarden Franken seien denkbar.

Wüthrich steht beim Doyen der Konkursrechtler, dem Zürcher Anwalt Eugen Isler, hoch im Kurs. Als eine Gläubigergruppe nach dem Swissair-Crash Isler um eine Empfehlung bat, zögerte dieser nicht. «Karl Wüthrich ist ein sehr fähiger Sachwalter und Liquidator», sagt er. «Ich lernte ihn beim Konkurs von Werner K. Reys Omni-Gruppe kennen, später im Liquidationsverfahren der Geilinger AG. Vor allem ist er kein Theoretiker, sondern einer, der die praktische Jurisprudenz beherrscht.»

Wie schwierig es ist, Anwälte ohne Link zur betroffenen Firma zu finden, zeigt der Fall der SAirGroup exemplarisch. Das Büro von Peter Nobel, das die Gesamtinteressen aller Beschuldigten koordiniert, oder die Spezialisten der Kanzlei Baker & McKenzie kamen als Liquidationsorgane schon deshalb nicht in Frage, weil sie zuvor für die Airline-Gruppe tätig gewesen waren.

Kein Wunder, kommen bei den grossen Konkursfällen stets die gleichen Figuren zum Zug: Mit Kurt Stöckli von der Berner Transliq, der sich um die SAir-Töchter Swisscargo und Cargologic kümmert, Ständeratspräsident Bruno Frick, CVP Schwyz, sowie Jörg Zimmermann von der Treuhandgesellschaft BDO Visura, letztere beide Mitglieder im Ausschuss der SAir-Gläubiger, sind Rechtsanwälte am Werk, die sich alle vom Konkurs der Biber Holding her kennen.

Wüthrichs Aufstieg

Karl Wüthrich lernte das Metier von der Pike auf. In den Semesterferien im Sommer 1977, zwei Jahre vor seinem Jus-Abschluss an der Universität Zürich, heuerte Wüthrich bei der Atag Treuhandgesellschaft an, um bei der Liquidation der damaligen Bankag mitzuhelfen. Die Arbeit gefiel ihm, sodass Wüthrich nach dem Erwerb des Anwaltspatentes beim verstorbenen Zürcher Rechtsanwalt Rolf Egli zur Atag zurückkehrte, wo er innert zehn Jahren vom Vizedirektor zum Partner aufstieg.

Wüthrich kennt viele der grossen Konkursfälle der letzten Jahrzehnte aus eigener Erfahrung. Das Zürcher Hotel Nova Park, der Basler Generalplaner Suter + Suter, das Bauunternehmen Geilinger oder – als grösste Empfehlung für die SAir-Liquidation – der Papierkonzern Biber wurden mit Hilfe des Sanierungs- und Konkursspezialisten beerdigt. 1993 gründete Wüthrich mit Filippo Beck und Jürg Plattner den Zürcher Ableger der Basler Anwaltskanzlei Wenger Plattner, zwei Jahre später wurde er Partner. Zu seinen Schlüsselmitarbeitern gehören bei der Swissair-Liquidation auch Yves Meili, Peter Sahli und Brigitte Umbach.

Das einstige Hobby Politik

Als 29-Jähriger wurde Wüthrich in den Gemeinderat von Meilen ZH gewählt. Der damalige FDP-Jungpolitiker übte das Teilzeit-Exekutivamt acht Jahre lang aus. Damals setzte Christoph Blocher, ebenfalls wohnhaft in Meilen und Vorgänger von Wüthrich im Gemeinderat, zum Marsch durch die Instanzen an. Wüthrich fühlte sich in der richtigen Partei. Der Zürcher Freisinn hatte sich neben weniger Staat und mehr Freiheit auch die Selbstverantwortung auf die Fahne geschrieben. Wirtschaftsschwergewichte der FDP wie Ulrich Bremi, späterer Präsident der Rückversicherung, und Peter Spälti von der «Winterthur» gaben in Bern den Ton an. Mit 37 entschied sich Wüthrich gegen eine politische Karriere, heute ist er kein Parteimitglied mehr. «Mit der Zeit verwässerte die FDP ihr Profil, und Ende der neunziger Jahre gab ich mein Parteibuch zurück. Die SVP ist aber keine Alternative für mich.»

Die Stützen

Verheiratet mit Irène, Sohn und Tochter, wohnhaft in Meilen in einer Wohnung, Haustier Katze, ein BMW X3 – das klingt nach gutbürgerlichem Leben. Wüthrich ist Oberstleutnant und war zuletzt Regimentsadjutant bei der motorisierten Infanterie. Die Wüthrichs besuchen die Oper, der Anwalt spielt Golf. Ein Leben, das darauf ausgerichtet ist, ein dichtes Beziehungsnetz zu knüpfen. Falsch, meint Wüthrich, sonst wäre er im Golf & Country Club Zumikon und nicht im Golfclub Oberealp Stühlingen in Waldshut.