Als jugendlicher Fussballer begann Martin Kallen beim FC Frutigen in der Verteidigung. Es war nicht das Startsignal zu einer grossen Sportlerkarriere. Trotzdem ist Kallen heute in der Welt des Fussballs eine Grösse. Als CEO der Euro 2008 SA ist er für die Organisation der Fussballeuropameisterschaft in Österreich und der Schweiz verantwortlich. Bereits die EM-Endrunde in Portugal 2004 hat Kallen als Chef des Organisationskomitees betreut.
Diese Routine bringe nicht nur Vorteile, sagt der 43-Jährige. «Ich werde manchmal ungeduldig, weil andere sich noch einarbeiten müssen, während mir die Abläufe vom letzten Mal bekannt sind.» Zudem sei die Durchführung in zwei Ländern mit erschwerten Umständen verbunden. Mehr Leute, die involviert sind, andere Währungen, EU- beziehungsweise Nicht-EU-Vorgaben sowie Zollbestimmungen erhöhten den Koordinationsaufwand.
Kallen stellt auch Mentalitätsunterschiede zwischen der Schweiz und Österreich fest. Während das Nachbarland Wert auf Inszenierung lege, widme sich die Schweiz viel mehr der Detailpflege und mache auf Understatement.
Die in der Schweiz laufenden Diskussionen rund um Sicherheitskosten, Gebühren für TV-Übertragungen, Vorgehen gegen Trittbrettfahrer oder Steuerpflicht der Teilnehmer bringen Kallen nicht aus der Ruhe. Er sei gelassener als andere im Organisationskomitee: «Manchmal herrscht schon Aufregung, wenn noch nicht einmal die grosse Zehe wackelt», sagt der CEO. Er pflege vor allem mit den beiden Turnierdirektoren Christian Mutschler, der für die Schweiz zuständig ist, und Christian Schmölzer, dem Verantwortlichen für Österreich, eine produktive Zusammenarbeit.
Kallens Stil kommt an. Ralph Zloczower, Präsident des Schweizerischen Fussballverbandes und als Verwaltungsratspräsident der Euro 2008 SA bis Ende letzten Jahres Vorgesetzter Kallens, bezeichnet diesen als sachkundigen und effizienten Macher, der die Prioritäten richtig setze. Patrick Magyar, als Projektleiter Public Viewing mit Kallen in Kontakt, spart auch nicht mit Lob: «Ein offener, sympathischer und integrer Typ.»
Kallen begann seine Berufskarriere als Betriebsdisponent bei der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS). Er wechselte in die Marketingabteilung, schloss die Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV) in Bern ab und betätigte sich temporär als Reiseleiter und Handelsschullehrer, bevor er 1994 beim Europäischen Fussballverband (Uefa) anheuerte und mit den Jahren in die Sturmspitze vorrückte.
Die Europameisterschaft 2008 werde gegenüber früheren Endrunden noch grössere Dimensionen annehmen, sagt Kallen. Die letztjährige Fussballweltmeisterschaft in Deutschland habe die Ansprüche weiter steigen lassen. Um diesen gerecht zu werden, wird Kallen weiterstürmen – stets darauf bedacht, dass keine Zehen und keine Füsse zu wackeln beginnen.
König Fussball
In seinen dreizehn Jahren bei der Uefa lernte Martin Kallen viele Grössen des Weltfussballs kennen. Vor allem zum deutschen Fussballkaiser Franz Beckenbauer hat er ein vertrautes Verhältnis aufgebaut. «Wir unterhalten uns angeregt, wenn wir uns sehen», sagt Kallen. Bald näher kennen lernen wird er Michel Platini, den neuen Uefa-Präsidenten. Den Franzosen habe er früher manchmal am Verbandssitz in Nyon oder an Kongressen in der Schweiz betreut. Diese Kontakte seien lediglich lose gewesen. Wenn die Chefetage des Weltfussballverbandes (Fifa), früher Präsident João Havelange und später dessen Nachfolger Sepp Blatter, zu Gast war, hatte er für einen protokollarisch korrekten Ablauf zu sorgen. Begonnen hatte Kallen bei der Uefa in der Marketingabteilung, als Event Manager organisierte er später mehrere Champions-League-Finalspiele. Für die EM 2004 in Portugal wurde er dann zum Cheforganisator ernannt. Dem Fehlen eines Netzwerks im Austragungsland und den Problemen beim Bau der Infrastruktur zum Trotz liess Kallen die skeptischen Stimmen bald verstummen. Seine offene Art kam beim 150-köpfigen Organisationsteam und bei der Bevölkerung an.
Weichen gestellt
Bei den Vorbereitungen für den Fussball-Grossanlass trifft der Ex-Bähnler Martin Kallen auf einen andern Ex-Bähnler: Benedikt Weibel vertritt als Euro-Delegierter des Bundesrats seit Anfang Jahr die Interessen der öffentlichen Hand am Turnier. An Meetings ist häufig auch Bundesrat Samuel Schmid zugegen, der «Vollgas gibt», wie Kallen feststellt. Die geschäftlichen Begegnungen transferiert der Frutiger nicht ins Private. Selbst der Kandersteger Adolf Ogi ist für Kallen nur ein flüchtiger Bekannter: «Als Berner Oberländer kennt man sich.» Als leutselig und gemütlich wird der Turnierorganisator als Privatmann beschrieben. Allerdings gibt es bis im Sommer 2008 vor allem den Berufsmann Kallen. Zum Glück arbeitet seine Frau ebenfalls bei der Euro 2008 SA. Da trifft sie ihn am ehesten an.
Aufschlag Kallen
Seine Freizeitaktivitäten hat der Vielbeschäftigte auf ein Minimum reduziert. In Vereinen betätigt sich Kallen nicht mehr aktiv. Geblieben ist die Passivmitgliedschaft im Skiclub Frutigen, obwohl er nur noch selten auf den Brettern steht – in diesem Winter war er noch kein einziges Mal auf der Piste. Dafür lässt er sich das wöchentliche Tennisspiel mit Kollegen kaum je entgehen. An Montagabenden ist um 21.15 Uhr ein Platz reserviert. «Auf diese Zeit schaffe ich es gerade», so Kallen.