Es war bereits unruhig geworden hinter den Kulissen. Etwa ein Jahr war Wolfgang Mayrhuber Vorstandsvorsitzender der Lufthansa, und irgendwie warteten viele darauf, dass er sich lauter und deutlicher von seinem Vorgänger und Mentor Jürgen Weber abheben würde. Doch Mayrhuber arbeitete ruhig vor sich hin und liess sich nicht beirren.
Nun, nach zwei Jahren im Amt, ist die Emanzipation deutlich sichtbar vorangeschritten. Mayrhuber sitzt bei der Bilanzpressekonferenz auf dem Podium und strahlt so demonstrativ, dass sich die Fotografen in der ersten Reihe gar nicht mehr einkriegen und blitzen, was das Zeug hält. Mayrhuber hat einen anstrengenden, aber schönen Tag hinter sich. Am Vortag wurde er 58, nachmittags verlängerte der Lufthansa-Aufsichtsrat seinen Vertrag um fünf Jahre, und am Abend schliesslich unterschrieb Mayrhuber gemeinsam mit Swiss-Chef Christoph Franz den Vertrag zur Übernahme der Schweizer Airline.
Damit hat er endgültig seinen eigenen Stil gefunden. Aufsichtsratschef Weber lässt seinen Freund gewähren, obwohl er die Dinge ganz anders gemacht hat. Weber kaufte einen wahren Luftfahrt-Mischkonzern zusammen. Mayrhuber konzentriert sich aufs Kerngeschäft und würde das gesamte Catering verkaufen, wenn es denn Interessenten gäbe. Weber liess sich nur im äussersten Notfall darauf ein, Beteiligungen an anderen Airlines einzugehen, und setzte stattdessen auf Allianzen. Mayrhuber kauft die Swiss.
Sein Aufstieg an die Spitze der Lufthansa kam zwar einerseits überraschend, andererseits ist er typisch, weil es dort meistens Urgewächse ganz nach oben schaffen. Seit 1970 im Unternehmen, gehörte er Anfang der neunziger Jahre zusammen mit Weber und Franz zu den Helden der Sanierung, welche die Lufthansa vor der nahen Pleite retteten. Danach kehrte er dorthin zurück, wo er hergekommen war, in die Wartungsabteilung, und machte die Lufthansa Technik AG als Vorstandschef zum hochprofitablen Weltmarktführer in ihrem Segment. Eigentlich war über andere als Weber-Nachfolger spekuliert worden: den mächtigen Lufthansa-Finanzchef Karl-Ludwig Kley etwa, den ehrgeizigen Personalvorstand Stefan Lauer oder den noch viel ehrgeizigeren ehemaligen Thomas-Cook-Chef Stefan Pichler. Doch Weber holte Mayrhuber als seinen Stellvertreter in den Vorstand und kegelte den Airlinelenker Karl-Friedrich Rausch unsanft aus dem Konzern.
Anders als andere deutsche Wirtschaftsführer hat Mayrhuber kein übermässiges Interesse daran, in den einschlägigen Zirkeln vernetzt zu sein und auch noch die Freizeit unter seinesgleichen zu verbringen. Er geht dann lieber Ski fahren – in die Schweiz. Nach der Swiss-Übernahme dürfte er jetzt noch häufiger einen Grund finden, das Wochenende hierzulande zu verbringen.
Wiedervereinigung
Die Karrieren von Wolfgang Mayrhuber und Swiss-CEO Christoph Franz sind miteinander verknüpft. Beide waren Mitglieder des Rettungsteams, das der damalige Lufthansa-Chef Jürgen Weber installiert hatte. Doch während Mayrhuber anschliessend seine Karriere im Konzern fortsetzen konnte, war für Franz offensichtlich kein Platz mehr vorhanden. Er musste ausweichen und – wie einige andere Ex-Lufthanseaten auch – bei der Deutschen Bahn einsteigen. So trennten sich ihre Wege, um erst zehn Jahre später wieder zusammenzuführen, angeblich in einer Skihütte in den Schweizer Alpen. Über die Umwege Deutsche Bahn und Swiss ist Franz wieder dort gelandet, wo es ihm dem Vernehmen nach am besten gefällt. Mayrhuber will, so ist aus der Konzernspitze zu hören, an ihm festhalten.
Bescheidenes Salär
Wolfgang Mayrhuber ist der am schlechtesten verdienende Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens im Deutschen Aktienindex (DAX). Natürlich relativ: 2004 erhielt Mayrhuber 600 000 Euro als Grundgehalt und eine variable Vergütung von 650 500, insgesamt also gut
1,2 Millionen Euro. Zum Vergleich: Das Gehalt von Franz liegt bei 800 000 Franken plus einer Erfolgsbeteiligung und 100 000 Aktien.
Illustre Runde
Wolfgang Mayrhuber hat es im Lufthansa-Aufsichtsrat mit einigen einflussreichen Wirtschaftsgrössen zu tun. Den engsten Draht pflegt er im Gremium naturgemäss zu seinem Vorgänger als Lufthansa-Chef, Jürgen Weber. Doch beaufsichtigt wird er auch von Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann und vom Chef der Deutschen Bank, dem Schweizer Josef Ackermann. Auch der Deutsche-Post-Vorstandsvorsitzende, Klaus Zumwinkel, ist Mitglied in dem Gremium – praktisch, denn die geschäftlichen Verflechtungen zwischen Post und Lufthansa sind nicht zuletzt via den Paketdienstleister DHL und die Frachttochter Lufthansa Cargo erheblich.
Doch im Aufsichtsrat sitzt auch der als Hardliner gefürchtete Chef der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), Thomas von Sturm. Über ein Jahr lang musste Mayrhubers Abgesandter, Personalvorstand Stefan Lauer, mit von Sturms Tarifexperten Michael Tarp verhandeln, um die seit langem gewünschten Produktivitätsverbesserungen im Cockpit durchzusetzen. Die Sache geriet dermassen langwierig, dass es Ende des vergangenen Jahres für Mayrhuber richtig Ärger im Aufsichtsrat gegeben haben soll. Weil die Einigung dann schnell kam, konnte der Lufthansa-Chef das Gremium aber wieder besänftigen. Auch der stellvertretende Aufsichtsratschef Frank Bsirske, Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di, ist eine mächtige Stimme für die Arbeitnehmerseite.