Die Schweiz ist nicht nur das Bahnland Nummer eins, sondern belegt auch bei den Modelleisenbahnen weltweit den ersten Rang. Der jährliche Verkaufsumsatz beträgt nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 30 Mio Fr. (Spielwarenverband Schweiz) und 45 Mio Fr. (Märklin Schweiz). Umso emotionaler wird hierzulande die Nachricht aufgenommen, dass das deutsche Traditionsunternehmen Märklin vor kurzem an den britischen Finanzinvestor Kingsbridge Capital verkauft wurde. Doch auch kritische Töne sind zu hören.
Stetiger Umsatzrückgang
«Ich habe Märklins Untergang schon vor 15 Jahren vorausgesehen», sagt Peter Schneebeli, Geschäftsführer der Modelleisenbahnen Enge in Zürich. Der Händler ist sauer nicht zuletzt, weil Märklin mit der Discountpreis-Politik die Existenzgrundlage der Fachhändler gefährdet hat. «Märklin hat die weltweite Überproduktion angeheizt», beobachtet Martin von Meyenburg, Chefredaktor der Zeitschrift «Loki». Das Unternehmen habe sich zu wenig um die Kostenseite gekümmert. Noch immer sei die Fertigungstiefe zu gross.
Märklin ist mit rund 20 Mio Fr. Umsatz Marktleader in der Schweiz. In den vergangenen Jahren verzeichnete die Schweizer Märklin-Vertretung einen stetigen Umsatzrückgang, wenn auch weniger heftig als der Einbruch des gesamten Holdingumsatzes. Dieser war im vergangenen Jahr um 17% auf 123 Mio Euro eingebrochen. Wie es nach dem Besitzerwechsel der Märklin-Gruppe weitergeht, ist zurzeit unklar. «Wir hoffen, dass das Unternehmen weniger über den Vertrieb als über die Produktion redimensioniert wird», sagt René Treier, der Geschäftsführer und Chef von acht Mitarbeitenden bei Märklin Schweiz.
An den Grundproblemen des Marktes ändert der Märklin-Verkauf allerdings nichts. Weltweit ist eine Überproduktion an Modelleisenbahnen zu verzeichnen. Bereits werden zwei Drittel der weltweiten Produktion in China getätigt. Ausserdem beklagen die Branchenvertreter eine Überalterung ihrer Kundschaft. «Aber auch die Auswahl für neue Produkte ist sehr klein geworden. Denn inzwischen gibt es bereits von fast allen Zügen Modelle, oft sogar von verschiedenen Fabrikanten», erklärt Urs Egger, der Geschäftsführer von Lemaco in Ecublens. Händler und Produzenten machen sich deshalb auf eine frostige Zukunft gefasst.
HAG Modelleisenbahnen in Mörschwil ist der einzige industrielle Hersteller in der Schweiz. In den letzten Jahren ist der Umsatz des Unternehmens um 30% eingebrochen auf 3,5 Mio Fr. Der Mitarbeiterbestand musste von 36 auf 28 reduziert werden. «Wir tun alles, um zu überleben», sagt Geschäftsführer Werner Gahler. Inzwischen hat HAG die Vertriebsorganisation für verschiedene ausländische Modelleisenbahnhersteller übernommen.
Komfortabler ist die Situation für Urs Egger: «Wir haben unser Sortiment erweitert und konnten so den Umsatz konstant halten», sagt er. Lemaco macht einige Mio Fr. Umsatz und ist nach eigenen Angaben weltweit die Nummer eins im Markt der Kleinse-rien. Rund 60% der Produktion wandern in den Export. Die handgearbeiteten Messing-Modelle sind mehr Sammlerstück als Spielzeug. Seit den 70er Jahren werden die Lemaco-Fahrzeuge von rund 70 Mitarbeitenden in Korea hergestellt. «In der Schweiz könnten wir eine solche Produktion nie aufrechterhalten», gesteht Egger.
«Obwohl wir nicht auf dem Massenmarkt sind, mussten auch wir redimensionieren», sagt Thomas Brechbühl, der Geschäftsführer von Hermann Modellbahnen AG in Dällikon. Hermann erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 800000 bis 1 Mio Fr. Die vier Mitarbeitenden stellen in Handarbeit Nachbildungen im Massstab 1:45 her. Eine Lokomotive kostet zwischen 4000 und 5000 Fr. In Asien könnte Brechbühl ebenso billig produzieren wie Konkurrent Lemaco und die Produktion vergrössern. Doch das will er nicht. Denn seine Erkenntnis, die dem ganzen Modelleisenbahnmarkt helfen könnte, ist: «Der Markt in Spur 0 gibt ganz einfach nicht mehr her.» Auch Martin von Meyenburg hegt Zweifel bezüglich Überkapazitäten des Marktes. «Ich sehe die Zukunft der Modelleisenbahn kritisch», meint er, «es wird zwar keinen Untergang geben, aber es wird vermutlich nur mehr das Hobby einiger weniger sein.»
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Märklin dominiertbei den Modellbahnen
Umsatz
Jährlich werden in der Schweiz für 30 bis 45 Mio Fr. Modelleisenbahnen verkauft. Davon werden rund 90% importiert.
Marken
Mit einem Umsatz von 20 Mio Fr. ist Märklin unbestrittener Marktleader. Dahinter folgen Roco (7 Mio Fr.) und HAG (3,5 Mio Fr.). Fleischmann gibt keine Umsatzzahlen bekannt.
Modelleisenbahner
Die Zahl der aktiven Modelleisenbähnler wird auf 30000 bis 50000 geschätzt.