Täglich laufen in der heimlichen österreichischen Autostadt Graz 1100 Limousinen und Cabrios der bekannten Marken Saab, BMW, Mercedes-Benz, Jeep und Chrysler vom Band. Diese Firmen lassen bestimmte Modelle bei Magna Steyr in Graz fertigen, wo 9000 Mitarbeitende im Drei-Schicht-Betrieb diesen täglichen Output zustande bringen. Allein auf einem Fliessband werden vier unterschiedliche Fahrzeuge, nämlich der Jeep Grand Cherokee, der Chrysler 300 als Limousine und Kombi und der Chrysler Voyager produziert. Den Geländewagen X3 von BMW und das Cabrio 9-3 des schwedischen Herstellers Saab hat Magna Steyr gemeinsam mit den Auftraggebern entwickelt. «Wir verfügen über die Gesamtfahrzeugkompetenz und bauen komplette Fahrzeuge», erklärt Michael Druml, Direktor Supply und Logistik, im Magna-Steyr-Werk in Graz.

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Externe Logistikdienstleister müssen «gläsern» sein

Eine optimal organisierte Supply Chain spielt in der Magna-Autoproduktion eine ganz entscheidende Rolle. Immerhin gilt es, 280 000 Anlieferpositionen von den Lieferanten aus USA und Europa nach dem Just-in-time-Prinzip zu koordinieren. Im Werk Graz werden täglich 2,2 Millionen Einzelteile verbaut. Daraus werden dann 1100 neue Personenwagen. 2005 wird Magna Steyr in Graz 230 000 neue Fahrzeuge produzieren. Im Geschäftsjahr 2004 betrug der Umsatz 20,6 Mrd Dollar. Die Planung und Steuerung der Supply Chain von den 1800 Lieferantenstandorten wird von einem aus 30 Mitarbeitern bestehenden Team gemanagt. Den Transportjob der Teile erledigen 14 externe Logistikdienstleister, sprich Spediteure und Camioneure, die von insgesamt 1000 Lieferanten von der Schraube bis zum Motor alles in das Grazer Magna-Werk bringen.

Die Beschaffung der Komponenten erfolgt über drei Schienen, nämlich als Komplettladung, Stückgut- oder Sammelguttransport und per Bahn. Komplette Ladungen schaffen die Camioneure herbei, «weil diese eine bessere Kostenstruktur haben», erklärt Alfons Dachs-Wiesinger, Senior Manager Logistics & Customs, die Strategie. Stück- und Sammelgüter werden von Spediteuren angeliefert, und die Bahn kommt vor allem bei der Beschaffungslogistik von deutschen Lieferanten zum Zug. Täglich rollen Ganzzüge von Duisburg und Stuttgart ins Cargo Center Graz in Werndorf, von wo die Anlieferung der Teile per Lastwagen entweder direkt zur Produktionsstrasse über ein der Produktion vorgelagertes ILC (Integrated Logistic Center) erfolgt. Derzeit ist man dabei, einen weiteren Ganzzug ab Nürnberg nach Werndorf zu realisieren. Für die Produktion der Chrysler-Modelle und Jeep Cherokee kommen beispielsweise allein täglich 130 40-Fuss-Container aus den USA via Hamburg und Antwerpen nach Graz.

Magna Steyr erwartet von seinen Logistikdienstleistern, dass sie «gläsern» sind, das heisst, sie müssen sich weit gehend in die Prozessabläufe der Autoproduktion integrieren lassen. «Ohne lückenlose Information und Kommunikation ist eine optimale Supply Chain einfach nicht möglich», so Dachs-Wiesinger. Man stehe mit den externen Logistikdienstleistern in einem so genannten KVP (kontinuierlichen Verbesserungsprozess), um Schwachstellen in der Supply Chain sofort orten und beseitigen zu können. Ebenso wird die Logistikqualität täglich überprüft, um sofort gegensteuern zu können, falls Probleme auftauchen.

Noch mehr «Lean» ist möglich

Wesentlich ist, dass die richtigen Teile am richtigen Band zur richtigen Zeit für den Mitarbeiter bereit liegen. Da es im Grazer Werk keine Vorratshaltung im klassischen Sinn mehr gibt, können selbst geringfügige Störungen in der Supply Chain schnell grossen Schaden anrichten. Hat einer der Lastwagen, die das Werk mit wichtigen Bauteilen im JIT-Verfahren versorgen, eine Panne, kann die Produktion höchstens eine halbe Stunde aufrechterhalten werden. Allerdings hat man für solche möglichen Worst-Case-Szenarien mit ausgeklügelten Notfallplänen vorgesorgt.

Wer jährlich mehr als 200 000 Autos herstellt, macht sich ständig Gedanken über die strategische Weiterentwicklung in der Beschaffungslogistik. «Wir werden weiterhin die Kernkompetenz für Planung und Steuerung im Haus behalten, und wir arbeiten intensiv am Aufbau eines Netzwerks globaler Logistikdienstleister», blickt Druml in die Zukunft. Denn die Beschaffungsmärkte ändern sich permanent und erfordern flexibles Agieren. Was Druml auch vorschwebt, ist noch mehr Lean-Management in der Supply Chain nicht nur zu den Lieferanten, sondern noch weiter in der Kette zurück bis zu den Sublieferanten des Lieferanten. Hier ortet man bei Magna Steyr ein noch grosses Verbesserungspotenzial sowohl auf der operativen Seite als auch bei der Optimierung der Logistikosten. «Wir müssen uns über die Standardisierung der Transportabläufe Gedanken machen, weil wir dann keine Angst vor der Komplexität haben müssen.»

Standardisieren zum Beispiel bei den Gebinden. Mit nicht weniger als 2000 verschiedenen Transportverpackungsformen muss sich Magna Steyr herumschlagen. Wenn es gelänge, mit einer speziell konstruierten Transportverpackung nicht nur eine Autotür zu transportieren, sondern damit auch Motoren oder Karosserien, wäre das ein grosser Erfolg. Druml träumt von einem multifunktionalen Gebinde, mit dem vom Motor bis zur Schraube alles transportiert werden kann.