BILANZ: Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten der Hedge-Fund-Industrie, nachdem 2011 für die Branche und für Ihre Man Group schlecht gelaufen ist?
Peter Clarke: Die Aussichten für die Branche sind gut. Denn viele institutionelle Anleger wie Pensionskassen brauchen aktienähnliche Renditen, aber mit weniger Wertschwankungen. Das haben sie in der Vergangenheit nur mit den besser rentierenden Hedge Funds erreicht.
Gehören die Hedge Funds der Man Group zu den besser rentierenden?
Wir haben einige der besten Produkte der Branche.
Der Finanzinformationsdienst sah dies im Februar in seinem «Bloomberg Markets Magazine» anders. In einem Bericht über die Hedge-Fund-Branche war Man Group mit keinem Fonds unter den besten.
Wir sollten da drin sein.
Hatten Sie Kontakt mit Bloomberg?
Nein, auch die Presseabteilung nicht.
In den Medien insgesamt kommt die Man Group selten vor.
Ich denke, das liegt vielleicht daran, dass wir nicht wollen, dass Einzelpersonen als Stars ins Medienlicht treten. Wir wollen keine Startrader. Jedoch sind wir als börsenkotierte Firma sehr aktiv im Umgang mit Medien.
Sie wollen also keinen John Paulson und auch keinen Philippe Jabre?
Nein. Wir haben auch keine Hausmeinung, sondern Dutzende Fondsmanager, die unterschiedliche, auch gegenläufige Meinungen vertreten können. Und jeder verwaltet relativ kleine Beträge.
Das hat Man im letzten Jahr allerdings nicht vor Performanceschwierigkeiten bewahrt.
Viele Fonds schafften zwar nicht die Renditen, die wir uns vorstellen, aber im Vergleich zur Konkurrenz waren sie besser.
Als Sie im vergangenen September die Unternehmensergebnisse präsentierten, waren die Analysten so enttäuscht, dass die Aktien der Man Group an einem Tag rund ein Viertel an Wert verloren.
Da wir unsere Buchhaltung sehr gut im Griff haben, sind wir jeweils die Ersten, die Zahlen präsentieren. Damals mussten wir Geldabflüsse bekanntgeben, vor allem von Privatinvestoren in Europa. Die Analysten waren erstaunt und nicht sicher, ob es sich um ein Branchenproblem handle oder nur die Man Group betroffen sei.
Es stellte sich heraus, dass die Branche ein Problem hat. Wie entwickelte sich das weiter bei der Man Group?
Die Rückgaben von Fondsanteilen sind geringer, doch unsere Neuverkäufe befinden sich weiter auf tiefem Niveau.
Sie haben deswegen auch Kostensparprogramme lanciert, wovon auch der Standort in Pfäffikon SZ betroffen war.
Wir haben vor allem die Abläufe effizienter gestaltet, um Kosten zu sparen. Nur ein Drittel der Kosteneinsparungen waren mit Arbeitsplatzabbau verbunden.
Sie bauen den Standort in Hongkong aus, während gleichzeitig Kosten eingespart werden müssen. Was heisst das für den Standort Pfäffikon?
Es ist ein wichtiger Standort für den Verkauf und die Strukturierung der Fonds. Die Schweiz bleibt unser grösster Standort ausserhalb von London.
Obwohl die Schweiz als Standort für die Vermögensverwaltung unter Druck steht?
Auch wenn in der Schweiz weniger Geld verwaltet wird, ist das Land in Europa unser grösster Markt ausserhalb von Grossbritannien.
Haben die Auseinandersetzungen um steuerliche Aspekte der Vermögensverwaltung keine Auswirkungen auf die Man Group?
Das betrifft vor allem das Offshore Business …
… also die grenzüberschreitende Verwaltung von Vermögen.
Wir versuchen vor allem, onshore zu sein, die Kunden also vor Ort zu bedienen. Steuersparprodukte wie die heute oftmals verwendeten Lebensversicherungs-Konstrukte waren nie unser Geschäft. Meine Erfahrung sagt mir, dass Produkte, die wegen ihrer Steuerersparnis gekauft werden, selten hohe Renditen bringen.
Sie wollen also vor allem Rendite für die Kunden und nicht Steuerersparnisse?
Ja. In diesem Sinn kommt es uns entgegen, dass Steuersparmodelle unter Druck geraten.
Steuern spielen in der Hedge-Fund-Branche doch auch eine Rolle. In den letzten Jahren sind unter anderem deshalb einige grössere Anbieter von London in die Schweiz umgezogen, etwa Brevan Howard, BlueCrest und Jabre Capital.
Sicher, die Leute gehen nicht gerne dort arbeiten, wo die fiskalische Belastung am höchsten ist. London hat deshalb als Standort mit sehr hohen Einkommenssteuern einen Nachteil. Es könnte also sein, dass andere Standorte auf der Welt im Vergleich mit London wichtiger werden, unter anderen wahrscheinlich auch die Schweiz.
Also ziehen weitere Hedge Funds von London in die Schweiz um?
Ich glaube, dass das eher Einzelfälle bleiben. Die bisherigen Umzüge in die Schweiz betreffen eine Zeit, als in der Branche befürchtet wurde, dass neue Regulierungen in London das Geschäft stark erschweren würden. Die Umsetzung dieser neuen Regeln war dann aber gar nicht so restriktiv.
Nun sind umgekehrt in der Schweiz neue Regulierungen in Planung. Die «Financial Times» schreibt, dass die Branche hierzulande deswegen Arbeitsplätze verlieren dürfte.
Diese Gesetze sind noch nicht verabschiedet, also kann noch viel passieren. Insgesamt dürften neue Regeln das Geschäft vor allem für die kleineren Anbieter erschweren – und für die grösseren Anbieter vereinfachen. Wir sind also in einer guten Ausgangsposition, doch wir müssen natürlich gute Renditen erwirtschaften. Darum geht es in unserem Geschäft.
Damit lief es aber im vergangenen Jahr nicht gut. Kritiker monieren, dass Hedge Funds langfristig nicht in der Lage seien, hohe Renditen zu erwirtschaften.
Wer vor 15 Jahren in unseren grössten Fonds, den Man AHL Diversified Futures, investierte, verdiente damit jährlich 14 Prozent. Rund zehn Prozent pro Jahr verdienten die Hedge Funds bei unserer Tochter GLG, berechnet mit dem nach Fondsgrösse gewichteten Mittel. Mit einem Hedge Fund Index liessen sich in derselben Zeitperiode sieben bis acht Prozent verdienen. Im Vergleich dazu gab es mit Obligationen rund fünf Prozent pro Jahr und mit Aktien fast gar nichts.
Die Frage ist, ob sich das in den nächsten 15 Jahren wiederholen lässt.
Wir haben das in der Vergangenheit bewiesen. Und wir sind mit den Fonds von GLG und dem AHL-Fonds für die Zukunft gut aufgestellt: Die Fonds von GLG korrelieren oftmals leicht positiv mit den Aktienmärkten, der AHL-Fonds leicht negativ.
Welche Hedge-Fund-Strategien werden dieses Jahr besonders gut abschneiden?
Es sollte ein gutes Jahr für Trendfolger wie den AHL werden und auch für Long-Short-Equity-Strategien. Zudem dürften die Emerging Markets gut laufen. Im vergangenen Jahr ist von dort viel Geld abgeflossen, das jetzt wieder investiert werden dürfte. Dies könnte zu einem Erholungsrally führen.
Der unwahrscheinliche Chef: Peter Clarke wollte schon immer eine Firma leiten. Dass es ein Hedge Fund sein würde, sei zu Beginn seiner Karriere allerdings eher unwahrscheinlich gewesen. Er stamme aus einer Familie, in der es heisse, dass man hart arbeiten müsse, um Erfolg zu haben, sagt er. Sein Vater war Berufsoffizier. Clarke ist der Einzige aus der näheren Verwandtschaft, der zur Uni gegangen ist. Dort studierte er Jura und machte das Anwaltspatent. Seit dem Jahr 1993 ist er für die Man Group tätig, das heute zweitgrösste Hedge-Fund-Unternehmen der Welt. Seit 2005 ist er dort CEO.