An neuen Köpfen fehlt es in den Schweizer Führungsetagen nicht: 300 CEOs, Finanzchefs und Verwaltungsräte wurden im letzten Jahr in Schweizer Firmen ausgewechselt. Und das Köpferollen, so sind Headhunter sicher, wird auch in diesem Jahr fortgesetzt. «Wenn die Glaubwürdigkeit und Reputation nicht mehr existieren, braucht es andere Spieler», sagt Branchenguru Sandro Gianella, Partner von Knight Gianella.
Doch die «Neuen» haben ein hartes Match vor sich: Rolf Dörig, James Schiro oder das Duo Oswald GrübelJohn Mack, um nur einige zu nennen, sind die neuen Hoffnungsträger der Schweizer Wirtschaft. Und die Erwartungen in sie sind hoch: So müssen Dörig bei der Rentenanstalt, Schiro bei der Zurich Financial Services und GrübelMack bei der Credit Suisse Group dieses Jahr die Trendwende schaffen punkto Image, Vertrauen und Wachstum.
Neues Vertrauen
«Jetzt geht es ums Überleben und nicht um Visionen», sagt Jürgen Dormann, der die ABB dieses Jahr weg vom Abgrund führen muss, in den seine «weitblickenden» Vorgänger den Technologiekonzern gemanagt haben. Die Vertrauenskrise durchstehen will Dormann, der schon beim damaligen Chemiekonzern Hoechst (heute Aventis) erfolgreich aufräumte, mittels konkreten Taten.
Um das Vertrauen der Mitarbeiter wiederzuerlangen, hat Dormann einen «ständigen Informationskanal» zur Belegschaft eingerichtet. «Er informiert wöchentlich und bearbeitet über die Wochenenden die E-Mails, in denen Mitarbeiter ihre Anregungen und Kritik äussern», so ABB-Pressesprecher Thomas Schmidt. Vertrauensförderung bei den Anlegern und Kunden erhoffen sich die ABB-Verantwortlichen mit einer konservativen Finanzpolitik. Diese hat etwa zum Ziel, das Verhältnis der kurzfristigen zu den langfristigen Schulden von heute 40:60 umzukehren sowie die Eigenkapitalquote auf 50% zu steigern.
Auch Zurich-Chef James Schiro ist überzeugt, dass dieses Jahr nur Ergebnisse zählen, um die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. «Wir dürfen nicht zu viel versprechen, sondern müssen zu viel liefern», ist seine Überzeugung. Die Gelegenheit, zu beweisen, dass er sein Wort hält, wird Schiro heuer nicht fehlen: Der Zurich-Chef hat sich nämlich Grosses vorgenommen. Dank einem Programm zur Effizienzsteigerung soll der Versicherungskonzern dieses Jahr eine Gewinnsteigerung von 1 Mrd Dollar erzielen.
Rentenanstalt-CEO Dörig mag sich zwar noch nicht über seine konkreten Ziele äussern. Doch auch er bemüht sich, das von Vetternwirtschaft geprägte Image des Versicherungskonzerns zu ändern und klare Vertrauenssignale zu verbreiten: «Wir müssen seriöse und professionelle Arbeit leisten und alle am gleichen Strick ziehen, nur so wird Swiss Life auf den Erfolgsweg zurückkehren», lässt er durch Pressesprecher Rob Hartmans ausrichten.
Stille sind besser
Führungsexperten und Headhunter geben sich überzeugt, dass die grossen Worte der neuen Chefs nicht wie bei den alten ins Leere zielen. «Jetzt kommt eine neue Generation von Managern ans Ruder», erklärt Gianella. Sie vertrete das Unternehmertum im Gegensatz zu den abgesetzten Führungskräften, die Gianella als Söldner bezeichnet, die nur Kriege und hohe Bezahlungen als Ziele gehabt hätten. Die neuen Patrons, so der Headhunter, sind Manager zum Anfassen, die den Erfolg teilen auch finanziell. Sie würden die Fehler der alten Kriegs-Manager, die sich unfehlbar glaubten und dem Wachstumsrausch verfielen, nicht mehr begehen. «Der Anschauungsunterricht, den sie in den letzten Jahren erhielten, hat Wirkung gezeigt.» Zudem seien Manager wie Peter Spuhler, der die Firma Stadler mit 18 Mitarbeitern zur Stadler Rail mit 800 Mitarbeitern ausbaute, oder der neue VR-Präsident der CS Group und frühere Swiss-Re-CEO, Walter Kielholz, standhafte Führungspersönlichkeiten mit starkem Durchsetzungsvermögen.
Das sieht Romeo Crameri ebenso. Der Partner im Executive-Search-Unternehmen Heidrick & Struggles betont aber auch, dass es noch zu wenig Führungskräfte vom Format Kielholz gibt. Denn diese hätten einen speziellen Umgang mit sich selbst. «Manager wie er sind mehr als gute Leader, die die Mitarbeiter durch ihre Integrität hinter sich bringen und sie zu grossen Taten stimulieren können», so Crameri. Kielholz oder UBS-Chef Peter Wuffli seien hart mit sich selbst, hätten einen unglaublichen Leistungswillen und ein starkes Durchhaltevermögen. «Sie hängen ihr Schaffen aber nicht an die grosse Glocke.» Im Gegenteil, sie würden grosses öffentliches Aufsehen meiden und seien zurückhaltend. Deshalb sind sie aber auch weniger bekannt, denn es gibt keine Kielholz-Homestorys und kein Management-Handbuch mit der Wuffli-Methode.
Der Bekanntheitsgrad der Führungskräfte sei bisher aber oft ein entscheidendes Selektionskriterium gewesen, so Crameri. Ein besserer Leistungsausweis eines «stilleren Leaders» zählte da meist nicht. «Wir brauchen aber keine spektakulären Manager, sondern solche, die auf Langfristigkeit, ethische Grundsätze sowie Nachhaltigkeit ausgerichtet sind», macht Crameri klar.
Periode der Ethik
Das gilt auch und besonders für Verwaltungsräte. «Von Nachhaltigkeit ist hier nämlich oft nicht die Rede», sagt Silvan Felder, VR-Berater in Luzern. Die meisten Gremien vernachlässigten Themen wie Risiko- oder Krisenmanagement heute noch. Gerade die Präsidenten müssten sich ihrer Führungsrolle noch stärker bewusst werden. «Ihnen fehlen meist klare Anforderungsprofile der Mandate.» Doch da sich heute erfahrene Manager wie Kielholz und Bruno Gehrig, der als integre Persönlichkeit und Fachgenie gilt, ausschliesslich auf VR-Präsidien konzentrieren, stehen die Chancen gut, dass die Kontrollorgane Managementauswüchse im bisherigen Stil unterbinden können.
«Nach den Jahren der Gier folgt jetzt eine Periode der Ethik», sagt denn auch Norbert Thom, Leiter des Instituts für Organisation und Personal der Uni Bern. Bleibt zu hoffen, dass sie länger andauert als manche guten Vorsätze.