Projektarbeit macht in vielen Unternehmen mittlerweile bereits fast die Hälfte der Gesamttätigkeit aus, schätzt Philipp Schnidrig, Partner beim Consulting-Unternehmen Abegglen Management Partners. Das liegt zum einen am zunehmenden Zeitdruck und zum anderen an den immer komplexer werdenden Geschäftsprozessen.

Tatsächlich kann man mit den richtigen Projekten für den nötigen Zeitdruck sorgen, die Komplexität herunterbrechen und den Zeit- und Mitteleinsatz besser überblicken. Gleichzeitig besteht allerdings die Gefahr, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der hereinbrechenden Projektflut überwältigt werden und der angestrebte Effizienzgewinn ausbleibt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Oft werden nicht diejenigen Projekte bei der Zuteilung der Arbeitsressourcen bevorzugt, die am effizientesten sind, sondern diejenigen, für die sich einzelne Stellen besonders stark machen. Sie werden einfach kurzerhand für «strategisch» erklärt, und die Sache hat sich. Wenn dann auch noch die Geschäftsleitungsmitglieder untereinander uneins sind, wo es lang gehen soll, sind alle wichtigen Bedingungen für ineffizientes Management gegeben. Wie so oft lässt sich das Problem nur mit entschiedenem Einsatz und geeigneten Strukturen lösen.

Klare Spielregeln festlegen

Da die Herausforderung «Projektflut» bereits auf der Ebene der Geschäftsleitung beginnt, muss hier der Hebel zuerst angesetzt werden. Das Zauberwort heisst «Multiprojekt-Management» oder «Projekt-Portfolio-Management». Die Idee ist nicht neu, aber ihre Umsetzung ist traditionell mangelhaft. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, sagt Schnidrig von Abegglen, dass «Multiprojekt-Management vom Management eines Unternehmens eine gewisse Entscheidungsfreudigkeit und -disziplin bezüglich der umzusetzenden Unternehmensstrategie und den Mut zur Prioritätensetzung und Transparenz erfordert. Mit beidem tunsich Führungsverantwortliche oft schwer.» Jan Burger, Manager bei Accenture Schweiz, sieht das ebenso: «Oft ist sich die Geschäftsführung des Problems nicht bewusst oder will es nicht sehen.»

Aber immer weniger Unternehmen können sich den eingeübten Schlendrian überhaupt noch leisten. Dabei herrscht beileibe kein Mangel an teilweise IT-unterstützten Management-Werkzeugen. «Das Problem liegt vielmehr in deren Anwendung», ist Burger überzeugt. Das beginne bereits bei der Terminplanung mit Outlook und reiche bis zu den komplexen «Collaboration Tools».

Am Anfang der Projekt-Aufräumaktion steht ein klares Bekenntnis der Geschäftsleitung: Sie muss bei der Auswahl und der Priorisierung den Rahmen abstecken. Das kann sie nur, wenn sie strategische Ziele und Projekte benennen kann. Das wiederum setzt voraus, dass überhaupt eine Unternehmensstrategie vorliegt und das ist «in vielen Unternehmen keine Selbstverständlichkeit», so Schnidrig.

Wenn viele Projekte bei der Ressourcenverteilung miteinander wetteifern, können nur klare Spielregeln verhindern, dass informelle Vorgänge die Effizienz behindern. Das heisst: Allen muss klar sein, worauf es letzlich ankommt, und es muss unmissverständlich kommuniziert werden, dass keine «Spirenzchen» geduldet werden.

Als Erstes gilt es, eine Vorauswahl zu treffen. Welches Projekt ist überhaupt würdig, verfolgt zu werden? Messlatte dabei ist der Beitrag an die Unternehmensstrategie oder die Wertschöpfung. Dabei müssen strategisch wirksame Projekte von operativ wirksamen unterschieden werden.

Zweitens müssen Prioritäten festgelegt und die Projekte miteinander verglichen werden: Welche Strategierelevanz hat das Projekt? Welchen Nutzen bringt es, und welche Risiken gibt es?

Als drittes erfolgt die Ressourcen-Zuteilung. Objektive Kriterien, vor allem die potenzielle Wirtschaftlichkeit, sind entscheidend und damit lassen sich unbeliebte Götti-Projekte einigermassen elegant zur Seite schieben. Der Flaschenhals bei den Mitteln ist weniger die direkte finanzielle Ausstattung als vielmehr die zur Verfügung stehende Arbeitszeit. Es macht keinen Sinn, Linienverantwortlichen einfach Projekte und Arbeitszeit-Plangrössen zuzuteilen, wenn sie gleichzeitig unveränderten Vorgaben für ihre Abteilung genügen und auch noch dafür gerade stehen müssen.

Viertens müssen die unausweichlich folgenden Konflikte angegangen werden. Der grösste Knackpunkt ist derjenige zwischen Projektvorhaben und den «übrigen operativen Tätigkeiten». Hier ist die Kommunikationsqualität eines hoffentlich vorhandenen Multiprojekt-Managers gefragt. Er darf keine Zeit verlieren und muss Entscheide provozieren. Dabei darf er die Nähe zur Basis nicht verlieren, weil, so Schnidrig, die Konflikte meist auf der Abteilungs- oder Teamebene entstehen und erst später im Projekt wahrgenommen werden.

Project Office bei Swisscom Mobile

Bei der Abegglen-Kundin Swisscom Mobile mit ihrem lebhaften Marktumfeld und den ständigen technischen Neuerungen sieht man sich permanent mit einer steigenden Zahl interessanter und parallel ablaufender Projekte konfrontiert. Wegen der beschränkten Mittel müssen die Mobile-Manager immer wieder viele gute Projektideen zurückstellen oder ablehnen. Um nun die richtigen Projekte auszuwählen und dann auch erfolgreich abwickeln zu können, wurde vor kurzem ein zentrales «Project Office» eingerichtet. Es wurden einheitliche Prozesse zur Beantragung, Bewilligung und Abwicklung von Projekten verankert.

Das entsprechend einheitlich aufgesetzte Projektreporting liefert, so Michael Steffen, Leiter Project Office, zudem regelmässig den Überblick über den Projektfortschritt. Weil gleichzeitig Verknüpfungen mit anderen laufenden oder geplanten Projekten aufgezeigt werden können, lassen sich Doppelspurigkeiten und Abhängigkeiten frühzeitig erkennen. Die phasenorientierte Projektfreigabe mache es möglich, sagt Steffen, Projekte in definierten Zuständen «anzuhalten oder abzubrechen, um anderen den Vortritt zu geben». Doch die Entwicklung ist bei Swisscom Mobile damit noch nicht abgeschlossen. Als nächstes soll ein zentrales «Multi-Projektcontrolling» respektive Multi-Projektmanagement sowie die entsprechende Systemunterstützung aufgebaut werden.

Externe Berater könneninterne Lücken nicht füllen

Wenig Zeit, wenig Geld, noch weniger Leute: Ein Ausweg könnte der Projekteinsatz externer Berater sein. Sie sind unabhängig, immun gegenüber internen Hahnenkämpfen und bringen den Blick von ausserhalb des Tellerrands mit. Sie beherrschen in der Regel die Methodik und die Werkzeuge. Doch davon, mit externen Beratern einfach die Lücken füllen zu wollen, rät sogar der Berater Burger von Accenture ab: «Berater können zwar unterstützen, aber damit lösen sie das grundsätzliche Problem nicht.» Man könne Projekte nicht unbesehen nach aussen vergeben. «Nur mit einem intern sauber aufgesetzten Projektmanagement erbringen Externe den erwarteten Nutzen.»

Den internen Faktor «Politik» kann man mit Externen eben nicht lösen. Es geht darum, nach allen Seiten zu lobbyieren. 30 bis 40% der Projektarbeit, so Burger, müssten für die informelle Konfliktlösung reserviert werden. Um keine Ressourcen zu vergeuden, geht nichts über eine klare, offene Kommunikation von oben. Je nach Unternehmen sei diese Firmenkultur ausgeprägt oder auch nicht, sagt Burger. Unter offener Kommunikation sei nicht Eloquenz und Sitz(ungs)leder zu verstehen. Bei vielen Projekten, stellt Burger fest, würden zu viele Leute zu oft involviert. Statt schneller Entscheide dominiere eine Art «Vernehmlassungskultur». Aber dafür bleibt beim kontinuierlich steigenden Druck des «Time to Market» immer weniger Zeit.

Tipps

Keine Verlierer aufbauen:

- Die Organisation der verschiedenen Projekte, die um dieselben Ressourcen kämpfen, ist Chefsache. Klare Regeln aufstellen.

- Die Geschäftsleitung muss den Projekten gegenüber einheitlich auftreten.

- Die Projektverantwortung («Projektsponsoren») möglichst weit oben in der Hierarchie ansiedeln, über Linien hinweg.

- Multiprojektleiter müssen genügend Zeit für informelle Vorgänge budgetieren.

- Strikte Überwachung und laufende Erfolgskontrolle sicherstellen.

- Zur Not ein Projekt schnell abbrechen.

- Verhindern, dass den Leitern gestoppter Projekte ein Verlierer-Image angeheftet wird (Risiken belohnen, nicht bestrafen).

- Möglichst wenig Sitzungen mit möglichst wenigen Leuten.

- Nur Projektleiter einsetzen, die sich voll engagieren können bei Teilpensen unter 50% liegen die Prioritäten gezwungenermassen woanders. (eb)