Gespannt schaut die medieninteressierte Öffentlichkeit diese Woche auf die Bundesstadt: «Berner Zeitung BZ» und «Der Bund» beginnen unter dem Namen «Berner Modell» eine Kooperation, die in der Schweiz keine Vorbilder hat.

Die Espace Media Groupe, Herausgeberin der BZ, übernimmt von der Neuen Zürcher Zeitung AG 40% der Bund Verlags AG sowie die operative Geschäftsführung. Die NZZ AG hält neu ebenfalls noch 40%, während die restlichen 20% bei der Publigroupe verbleiben.

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Ein komplexes Modell. Doch Albert P. Stäheli, Konzernchef der Espace Media Groupe, ist überzeugt, dass der heute tiefrote «Bund» keine weiteren Einbrüche des Werbemarktes vorausgesetzt in drei Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben wird.

Die Alternative wäre das Verschwinden der vor allem in Stadt und Agglomeration Bern verankerten Traditionszeitung «Bund» gewesen. Eine schlimme Vorstellung, selbst aus Sicht des Konkurrenten: «Die Bundeshauptstadt Bern hat zwei gewichtige Stimmen verdient», sagt Stäheli.

Das «Berner Modell» ist der vorläufige Höhepunkt einer seit 20 Jahren anhaltenden Aufwärtsentwicklung der Berner Mediengruppe, die in dieser Zeit von einem regionalen Unternehmen kontinuierlich zu einem der grössten Schweizer Medienplayer heranwuchs.

Ein eingespieltes Team

Der Erfolg hat zwei Väter: Charles von Graffenried, Verwal-tungsratspräsident, und Albert P. Stäheli, seit 23 Jahren in leitenden Funktionen dabei. Die beiden bilden ein eingespieltes Team.

Vom «Präsidenten», wie er immer sagt, hat Stäheli sehr viel gelernt: «Zum Beispiel bei Verhandlungen auf den Menschen zu fokussieren, nicht auf die Sache; das Lesen zwischen den Zahlen und Zeilen; die Kunst, im Durcheinander das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden.» Graffenried habe unendlich viele Herausforderungen, die in einem Geschäftsleben auftauchen, schon dutzend Mal erlebt und von dieser reichen Erfahrung zu profitieren sei ein Privileg.

«In meinen zehn Jahren als CEO der Espace Media Groupe haben wir dank der strategischen Übersicht nie eine Krisensituation erlebt, die bei uns blinden Aktivismus zur Folge gehabt hätte», zieht Stäheli Bilanz. Dabei hatte es im Verlauf der Ausdehnung der Berner Zeitung zur Espace Media Groupe, als die Medienlandschaft zwischen Berner Oberland und Bieler See, zwischen Solothurn und Freiburg umgestaltet wurde, für das Management einige Knackpunkte gegeben die Kooperation mit den lokalen Verlegern in Thun, Spiez, Biel und Freiburg, der Entscheid zur Konfrontation in Solothurn, die Isolierung des Konkurrenten «Bund» auf dem Anzeigen- und Lesermarkt.

«Wir waren immer davon überzeugt, dass unsere Strategie geografische Expansion in die Breite bei gleichzeitiger lokaler Vertiefung die richtige war», sagt Stäheli selbstbewusst. Bei der Umsetzung der Strategie kann sich die gesamte Gruppe auf äusserst stabile Management-Teams abstützen. Stäheli bildet zusammen mit dem für Finanzen und Druck verantwortlichen Urs Schweizer seit 1993 den Kern der dreiköpfigen Espace-Konzernleitung. Guido Albisetti, drittes GL-Mitglied, ist seit 1998 dabei. BZ-Verlagsleiterin Franziska von Weissenfluh, Stähelis Lebenspartnerin, kennt nach 15 Jahren Zugehörigkeit das Unternehmen ebenso in- und auswendig wie Heinz Huber, der als das langjährige finanzielle Gewissen vom Nordring gilt.

Von Graffenried nennt im Geschäftsbericht 2002 «die Teamstabilität und die Führungsharmonie» als die zwei wesentlichen Erfolgsfaktoren der Espace Media. Stäheli: «Wir fühlen uns in unserem Team sehr wohl und ergänzen einander sehr gut. Weil wir uns seit Jahren sehr gut kennen, wissen wir, wer welche Schwächen und Stärken hat, sodass wir uns gegenseitig nichts vorzumachen brauchen. Deshalb können wir auch einen sehr offenen und kollegialen Umgang miteinander pflegen.»

Stäheli schätzt es, dass dank der jahrelangen Zusammenarbeit kurze Kommunikationswege und rasche Entscheide möglich sind. Seinen Führungsstil beschreibt er als pragmatisch. Die Espace Media kommt erstaunlich für ein Unternehmen mit rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern praktisch ohne Stab aus.

Referate und Unterlagen für Sitzungen erarbeitet der für sich und für die Mitarbeiter auf Effizienz pochende Stäheli selber, unterstützt von einer Assistentin, die er sich seit der letzten Sparrunde mit seinem Stellvertreter teilt. Deshalb gibt es auch relativ wenig Papier. Sitzungen werden jedoch bis ins Detail protokolliert, sodass alle Aufgaben und Verantwortlichkeiten «bis weit hinab» festgehalten sind. Denn Stäheli will den «Durchgriff», selbst wenn in der weit verzweigten Gruppe viele Entscheide dezentral fallen müssen.

«Durchgriff» ist ein Begriff, den der Espace-CEO immer wie-der verwendet. Ohne «Durchgriff», das heisst ohne die jahre-lange Auseinandersetzung mit seinem Unternehmen und dessen Märkten, mit der Konkurrenz, mit der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung, komme kein Manager zum Erfolg, ist Stäheli überzeugt: «Erst wer sein Geschäft wirklich intus hat, ist auch in der Lage, Entwicklungen vorauszuahnen und rechtzeitig zu reagieren.»

So hat Stäheli bereits im Frühjahr 2001, als die Werbeeinnahmen sich noch auf Rekordhöhen bewegten, im Hinblick auf mögliche Markteinbrüche in der Espace Media Groupe Sparmassnahmen eingeleitet, was der Espace Media Groupe dieses Jahr im Unterschied etwa zu Tamedia oder zur «Basler Zeitung» Hauruck-Übungen ersparte. Stäheli: «Wichtig ist, dass man beim Erkennen von Problemen oder neuen Entwicklungen auch sofort und konsequent reagiert.»

Das gilt auch für Investitionen. Derzeit baut die Espace Media für 115 Mio Fr. ein neues Druckzentrum. Wenn die Berner auch hier richtig liegen, muss es der Branche ja wieder einmal gut gehen. Denn es ist, so Stäheli, eine seiner Tugenden, «mit dem Geld sehr behutsam und vorsichtig umzugehen».



Polo Stähelis Führungsprinzipien:

1. Kostenbudgets sind sakrosankt. Wer die Kosten nicht genau überblickt und einhält, macht seinen Job nicht.

2. Wenn man realisiert hat, dass Veränderungen im Gange sind, gibt es keinen Grund, nötige Massnahmen aufzuschieben.

3. Die Leistungen unserer Geschäftseinheiten werden auch an der Teamfähigkeit zu Gunsten der Gruppe gemessen.

4. Unsere Prinzipien sind nicht so fixiert, dass wir sie an die Wand hängen können. Wir leben sie.



Zur Person:

Albert «Polo» Stäheli wurde 1949 in Zürich geboren und wohnt heute mit seiner Familie in Gümligen bei Bern. Nach einer KV-Lehre bildete er sich am Sawi in Biel, am Schweizer Institut für Betriebsökonomie in Zürich und an der Managementhochschule Insead in Fontainebleau weiter. 1981 wurde er Mitglied der Geschäftsleitung der Berner Zeitung AG, 1987 Leiter des Medienbereichs der damaligen Berner Tagblatt-Gruppe. Seit 1993 ist Stäheli CEO der Espace Media Groupe.