Der Mann ist offen und direkt: Blickt er auf seine Anfangszeit als CEO bei IWC zurückt, spricht er «von der schwierigsten Zeit seines Lebens». Georges Kern, damals gerade 36-jährig, wurde Anfang 2002 IWC-Chef, nachdem die Marke zusammen mit Jaeger-Le Coultre und A. Lange & Söhne im Sommer 2000 von Mannesmann für satte 3 Mrd. Fr. an Richemont verkauft worden war.

«Damals war mehr oder weniger alles zusammengebrochen oder wurde schwieriger. Die neue Kultur von Richemont, der Tod des charismatischen Patrons Günter Blümlein, strukturelle Probleme auf den Hauptmärkten Schweiz, Deutschland und Österreich, Sars und dann kam auch noch der Irak-Krieg. All dies war wirklich heftig», fasst Kern die damalige Situation zusammen.

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Dank eines stetig wachsenden Marktes hatte die Firma 15 Jahre ruhigen Wachstums hinter sich und war auf diese Rückschläge und Krisen überhaupt nicht vorbereitet. Sein Fehler sei im Rückblick gewesen, dass er den kulturellen Aspekt unterschätzt habe, sagt Kern heute.

Bis dato in kleineren Einheiten tätig, sei er die Probleme in erster Linie intellektuell angegangen. Die schnelle Analyse, wie die Marke orientiert war, welche Politik und welche Strategie es in der Distribution anzugehen galt, sei zwar richtig gewesen, habe aber allein nicht gereicht und führte bei vielen der knapp 550 Mitarbeitenden zu Überforderung.

Mangelnde Erfahrung

Heute macht er dafür selbstkritisch mangelnde Führungserfahrung und eine gewisse Naivität verantwortlich und hat selbst schnell dazugelernt. «In einem Industrieunternehmen müssen Sie höllisch aufpassen, dass Sie den richtigen Rhythmus für Veränderungen finden, weil die Bandbreite der Personen ausbildungs- und funktionsmässig so gross ist.»

Innert kurzer Zeit wurde IWC, auch dank den neu dazugekommenen Richemont-Vetriebskanälen, zum internationalen Brand. Kern holte junge Manager von Procter & Gamble, McKinsey oder Boston Consulting Group, alles «Leute mit Erfahrung im Krisenmanagement», und erneuerte die Kultur in Schaffhausen grundlegend. Heute ist die Organisationsform flacher und dadurch schneller.

Beim Aufbau des neuen Teams konzentrierte sich Kern auf die uhrenbranchenunabhängigen Bereiche wie Finanzen, Marketing und Operationen. «In der Produktion und Entwicklung hatte ich das Glück, Topleute zu haben, die auch gewillt waren, dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln.»

Anfängliche Kritik von Seiten der Händler, bei IWC habe nun das «Coca-Cola-Denken» Einzug gehalten, ist inzwischen verstummt. Kein Wunder: IWC hat unter dem neuen Management massive Zuwachsraten im hohen zweistelligen Bereich.

Kern gibt unumwunden zu, dass er die fast freundschaftlichen Bande mit den Händlern aufgrund der heutigen Grösse nicht mehr immer gewährleisten könne. «Wir sehen unsere Hauptaufgabe darin, dem Handel Produkte zu geben, sie sich sehr gut verkaufen.»

«Eine Sache des Gefühls»

Auch für die IWC-Belegschaft hat sich einiges verändert, seit Kern in Schaffhausen am Ruder ist. Gerade wegen seiner anfänglichen Unerfahrenheit verbringt er heute viel Zeit mit der Kommunikation seiner Vision der Firma und dem Weg, wie diese erreicht werden soll.

Für seine Mitarbeiter will er so oft wie möglich erreichbar sein. Die von Managern gern und oft zitierte Bürotüre sei bei ihm wirklich meist offen. «Alle Mitarbeiter müssen ad hoc Zugang zum Chef haben. Dafür bin ich schliesslich da.» Das sei zwar zuweilen ineffizient, wenn er sich in seinem Tagesablauf nicht so konzentrieren könne, wie er das gerne möchte, und bedinge ruhige Zeiten frühmorgens oder später am Abend. «Das ist aber das Öl im Getriebe. Wenn sich die Entscheide nicht unmittelbar treffen lassen, wird es extrem langwierig.»

Zu seiner Persönlichkeit gehört, über die Hierarchien hinweg aktiv zu den Leuten zu gehen. Gerade das kritisieren Kaderleute zuweilen an seinem Führungsstil. «Klar sehen das nicht alle gerne. Aber ich bin nun mal so», sagt Kern, «wichtig ist, genügend Leute zu haben, die mit mir die gleiche Vision teilen und in der Lage sind, diese durchzusetzen». «Herausfordernd», nennt ein IWC-Manager lakonisch die Zusammenarbeit mit Kern, und diesem ist klar, dass «ich die Kordel angezogen habe im Vergleich zu früher». Entscheidend sei, dass sie nicht reisse. Das sei eine Sache des Gefühls.

Sich selbst bezeichnet der HSG-Absolvent explizit nicht als Workaholic. «Ich glaube nicht, dass man 15 Stunden effizient arbeiten kann. Man muss den Kopf frei haben für das Wesentliche. In meinen Fall sind das die Produkte und die globale Strategie für die Firma. Die Leute brauchen einen gesunden Ausgleich zwischen Beruf und Privatleben. Nur dann haben sie Spass und sind auch leistungsfähig. Das gilt auch für mich.»

Feuerlauf-Erfahrung

Intelligenz, Persönlichkeit, die Einstellung und die Fähigkeit, die Marke widerzuspiegeln das ist für Kern ausschlaggebend, wenn er neue Leute einstellt. «Branchenerfahrung interessiert mich kaum. Das kann man lernen.» Kern gehört nicht zu jenen Managern, die ihre Firma mit einer Familie vergleichen mögen. «Familie und Firma gilt es zu trennen, und doch müssen Sie die Leute kennen, um zu wissen, wie sie in schwierigen Situationen reagieren.»

Dazu gehört für ihn, das Management von Zeit zu Zeit aus der gewohnten Umgebung zu nehmen und mit Situationen zu konfrontieren, die die Einzelnen noch nicht kennen. Das Feuerlaufen hat er mit dem Kader bislang nicht ausprobiert, obwohl er selbst darin einschlägige Erfahrung hat. Im Rückblick schildert Kern dieses Erlebnis als lohnenswert. «Ich war noch 30 Sekunden, bevor ich es tat, felsenfest überzeugt, niemals über die 500 oder 600 Grad heissen Kohlen zu laufen.» Warum er es trotzdem tat? «Es war eine Frage der Überwindung, der Konzentration und der Gruppendynamik.»

Georges Kerns persönlicher Druck hat sich im Vergleich zu 2002 verringert. Die Marke IWC gehört heute zu den High Flyers in der Richemont-Gruppe und Präsident Johann Rupert hat Freude an IWC, was er öffentlich bekundet. «Herr Rupert sieht in IWC eines der grössten Potenziale der Gruppe. Da kann ich ihm nur zustimmen», sagt Kern.

Zur Person

Georges Kern (40) studierte in Strassburg politische Wissenschaften und an der HSG in St.Gallen BWL. Zunächst war er Product Manager bei Kraft Jacobs Suchard und wechselte 1992 zu Tag Heuer. Seit 2000 ist Kern für die Richemont-Gruppe tätig, wo er an der Seite von Günter Blümlein die Distribution von Jager-Le Coultre, Lange & Söhne und IWC verantwortete. Anfang 2002 wurde er CEO bei IWC in Schaffhausen. Der deutsch-französische Doppelbürger ist mit einer Dolmetscherin verheiratet. Gemeinsam haben sie eine Tochter und einen Sohn.

Georges Kerns

Führungsprinzipien

1. Schnelligkeit.

2. Entscheidungsfreudigkeit.

3. Durchsetzungsvermögen.

4. Gutes Beurteilungsvermögen für Produkte.

WEF-FORUM

Kern bei den Young Global Leaders

Seit Anfang Jahr gehört IWC-Chef Georges Kern zum vom WEF-Gründer Klaus Schwab initiierten Forum der Young Global Leaders. Mit 246 Führungskräften unter 40 Jahren aus 60 Staaten soll er Lösungsansätze für die drängendsten Probleme der Welt präsentieren. Das Forum trifft sich erstmals im Juni 2005 in Zermatt. «Es ist eine einmalige Plattform, die natürlich allen Beteiligten viel bringt, aber nicht Selbstzweck sein darf», sagt Kern, der von den Unternehmen mehr gesellschaftliche Verantwortung fordert. Für IWC bedeutet das, nach Möglichkeit bei Aufträgen Schaffhauser Betriebe zu berücksichtigen, die Stadt bei Investitionen in die Kultur zu unterstützen oder lokales Sponsoring wahrzunehmen.