Als Erland Brügger nach dem Verkauf von Novartis an die britische ABF von einem «Glücksfall für Wander» sprach, legten ihm das viele als managertypischen Opportunismus aus. Heute, gut zwei Jahre nach dem Verkauf und der inzwischen abgeflauten patriotischen Entrüstung über die jetzt britische Ovomaltine, kann sich Brügger nur wiederholen: «Es war ein Glücksfall für uns. Wir haben als Firma überlebt und spielen heute innerhalb von Associated British Food (ABF) in der Champions League», sagt der 39-Jährige.
ABF mit Zucker, Mehl, Reis und Tierfutter traditionell nur im Grundnahrungsmittelbereich tätig, suchte nach starken Marken. Wander war eine der ersten Akquisitionen zur Verwirklichung dieser Strategie. ABF hatte zuvor keine voll ausgebaute Verkaufs- und Marketing-Organisation in der Schweiz. Die Wander-Arbeitsplätze standen also plötzlich nicht mehr zur Disposition. Und dass die Briten sofort eine lokale Vertrauensperson als Chef einsetzten, trug bei den Mitarbeitenden zur Beruhigung bei.
Heute ist Brügger mit seinen rund 300 Mitarbeitenden nicht nur für Ovo und die anderen Wander-Marken (beispielsweise Caotina) für die Länder Schweiz, Deutschland und Österreich verantwortlich, sondern auch für Marketing und Vertrieb der britischen Tee-Marke Twinnings. In Neuenegg werden zudem sämtliche Ovo-Produkte für den europäischen Markt hergestellt.
Vertrauen schaffen in turbulenten Zeiten
Managementmässig besonders schwierig waren für Erland Brügger jene langen zehn Monate der Ungewissheit, während denen Wander offiziell zum Verkauf stand. «Meine Geschäftsleitungs-Kollegen von Novartis Consumer Health und ich waren in den gesamten Due-Dilligence-Prozess involviert. Wir sahen Firmen-Vertreter kommen und gehen und stellten uns vor, mit wem es wie funktionieren könnte», erinnert sich Brügger an jene turbulente Zeit. «Wir konnten nur versuchen, den Mitarbeitenden das Vertrauen zu geben, dass wir im selben Boot sitzen und das Management jetzt nicht geht und Zuversicht ausstrahlen, dass es schon gut kommt.»
Was nach dem Verkauf folgte, war in erster Linie Strukturbewältigung: Die Loslösung von Novartis und das Überführen in eine eigene überlebensfähige Organisation. Das war Brüggers erste Herauforderung, als er, gerade 36-jährig, von ABF zum CEO ernannt wurde.
Inzwischen hat er es selbst in der Hand, wie unabhängig vom Mutterhaus er arbeiten kann. Im Klartext: Es ist wie so oft in solchen Fällen. Stimmen die Zahlen, verfügt die Länderorganisation auch über den vielzitierten unternehmerischen Freiraum. Noch etwa vier Mal pro Jahr fliegt Brügger nach London zum ABF-Stammsitz. Zu Beginn zum gegenseitigen Kennenlernen war das häufiger der Fall. Doch die Briten staunen noch immer über ihren Mann in der Schweiz. Etwa darüber, dass er selbst direkt Telefonate entgegennimmt. «In England reagiert man darüber mit Erstaunen», amüsiert sich Brügger, «für mich ist das normal. Ich nehme auch Anrufe meiner Assistentin entgegen, wenn sie ausser Haus ist.»
Erland Brügger, der Sohn eines Solothurner Decolleteurs, ist ein CEO der neuen Generation. Als es um den Neubau und den Zusammenzug aller Mitarbeiter nach Neuenegg ging, bestand er gegen Widerstände auf Grossraumbüros mit dem Ziel, die abteilungsübergreifende Kommunikation zu verbessern. Sein eigenes Büro grenzt ans Grossraumbüro mit Glasscheiben. «Bin ich nicht da, wird dieser Raum als Sitzungszimmer genutzt. Das ist ja kein Heiligtum.» Brüggers Ziel ist es, Barrieren abzubauen und zu fördern, dass die Leute auch ohne formalen Termin zu ihm kommen. «Ich will auf keinen Fall der Flaschenhals dieser Firma sein», sagt er.
Persönlich leitet er im Haus nur eine einzige offizielle Sitzung. Es ist das alle vier Wochen stattfindende GL-Meeting, das einen halben Tag, meistens auch länger dauert. Brügger, der sich selbst zuweilen als «unstrukturierten Chaoten» (O-Ton Brügger) sieht, ist nicht der Typ, der stets stur nach Zeitplänen geht. «Die wirklich wichtigen Themen müssen ausdiskutiert werden. Sonst sind die Leute frustriert.»
Motivation heisst für den HSG-Ökonomen, den Leuten viele Freiräume zu geben. Führung heisst für Brügger: Ziele setzen, Ressourcen bereitstellen und Bandbreiten vorgeben.
Bei Unilever das Marketing gelernt
Ins Marketing verschlug es Erland Brügger über den Umweg des Studiums mit Schwergewicht Risikomanagement und Versicherungen, weil ihm als Arbeiterkind dann doch nach Handfesterem zumute war. Seine Wunschstelle beim Kosmetikriesen Elizabeth Arden klappte allerdings nicht. «Statt mit Lippenstiften befasst ich mich dann bei Lipton-Sais mit Fett, Öl und Margarine für Grossverbraucher in 25-Kilo-Kesseln.» Dort habe er ungemein viel gelernt. Das Positive bei Unilever sei neben der soliden Marketing-Ausbildung gewesen, dass er als Product Manager einer nicht strategischen Marke selbst viel mehr bewegen konnte.
Brüggers vergleichsweise junge Manager-Karriere blieb auch nicht verschont von Misserfolgen. Bei der Lancierung der Novartis-Functional-Food-Linie Aviva war er der verantwortliche Verkaufsleiter. Das Projekt wurde nach kurzer Zeit gestoppt, weil die Kunden die Produkte in den Supermärkten links liegen liessen. Brüggers Lehren daraus: «Hat man die Gnade, sich Misserfolge einzugestehen, ist die Erfahrung und der Lerneffekt viel intensiver, als wenn man mit Rückenwind unterwegs ist. Für mich war es auch ein Fingerzeig, dass allen intensiven Markttests zum Trotz das Bauchgefühl ein wichtiger Indikator sein kann.»
In erster Linie auf seine Intuition verlässt sich Brügger auch, wenn er bei Wander neue Leute einstellt. Wer bei ihm arbeiten wolle, müsse vor allem viel wollen und sich in Begeisterung versetzen lassen. «Ich brauche niemanden, der mir sagt, wie gut Ovo ist. Wer völlig rational und nüchtern an die Sache geht, wird hier nicht glücklich. Manchmal merke ich schon bei der Art, wie einer den Mantel aufhängt, dass das nichts wird.»
Erland Brüggers
Führungsprinzipien
1. Zuhören und verstehen.
2. Die Richtung durch klare Ziele und Leitplanken angeben.
3. Den Mitarbeitenden Sparringpartner sein.
4. «Gib niemals auf!»
Zur Person
Der Solothurner Erland Brügger (39) studierte in St. Gallen Risikomanagement und Versicherungen und war wissenschaftlicher Mitarbeiter beim gleichnamigen Institut. Die Marketingwelt lernte er beim Unilever-Konzern kennen. 1996 wechselte er zu Wander. 1999 wurde Wander von Novartis Consumer Health übernommen, wo Brügger zuletzt Verkaufsleiter war. Seit Ende 2002 ist er CEO der Wander AG, die heute zum britischen Konzern Associated British Food mit weltweit 35000 Mitarbeitern gehört. Brügger ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Familie lebt in Gümligen bei Bern.
Vor der eigenen Türe kehren
«Ich mache den Unterschied»: Den Satz «Ich mache den Unterschied» hat Wander-Chef Erland Brügger intern zum Motto des Wander-Jahres 2005 erklärt, in dem Sinn, dass jeder Einzelne fürs Unternehmen ausschlaggebend ist. Er ist Bestandteil des neuen Firmenleitbildes, das in den nächsten Monaten allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Form von Workshops vermittelt wird. «Was mir wirklich auf den Keks geht, ist von Mitarbeitenden zu hören, was andere besser machen sollten», sagt Brügger. Dann pflegt der Chef jeweils zu entgegnen: «Reden wir über dich. Was können wir bei dir verbessern oder du sagst mir, was ich besser machen soll.»