Leben Totgesagte länger? Oder einfach nur besser? Der asketische Börsenakrobat aus dem Kanton Schwyz, um den es nach seiner Bruchlandung ungewohnt still geworden ist, nimmt neuerdings vieles eine Spur gelassener. Seine Spekulationsziele verfolgt der BZ-Stratege nur noch während zehn bis zwölf Stunden am Tag. Und bisweilen gönnt sich der ehemals rastlose Geldvermehrer sogar den Luxus von Ferien. Wie aus Ebners persönlichem Umfeld verlautet, hat der 58-Jährige an der Seite seiner getreuen Rosmarie heuer schon zweimal Urlaub genommen. Zu solchen Exzessen wäre es früher, als die Geldmaschine des Ehepaars noch auf Hochtouren lief, nie gekommen.
Ansonsten bleibt der haarscharf am Konkurs vorbeigeschrammte Manager-schreck aber seiner alten Linie treu und schert sich weiterhin keinen Deut um das legitime öffentliche Interesse an seinen Aktionen. Noch konsequenter als vor seinem Quasibankrott schottet er sich heute vor neugierigen Blicken ab. In seiner Kommandozentrale in Wilen (Gemeinde Freienbach) hat er sich mit einem Dutzend Mitarbeitern eingebunkert und arbeitet – mit Überbrückungskrediten, die ihm alte Bekannte zugesteckt haben – zielstrebig an seinem Comeback.
Rekapitulieren wir kurz: Ein knappes Jahr ist es her, da hing Ebners Überleben als Unternehmer noch am berühmten seidenen Faden. Im Juli 2003 lief das Stillhalteabkommen zwischen der BZ Gruppe Holding (BZGH) und ihren diversen Gläubigerbanken im In- und Ausland ab – zurück blieb ein Loch von geschätzten 600 Millionen Schweizerfranken.
|
Vorausgegangen war ein dramatischer Schrumpfungsprozess, in dessen Verlauf der Prediger des unbegrenzten Aktienaufschwungs eine Beteiligung nach der anderen hatte abstossen müssen, um die Milliardenforderungen der Banken zu befriedigen. Als Erste hatte am 30. Juli 2002 die Zürcher Kantonalbank zugepackt und sich – gegen Verrechnung ihrer Ausstände bei der BZGH – die vier börsenkotierten «Visionen» gesichert. Im Oktober 2002 trat dann Christoph Blocher auf den Plan und übernahm im Namen der Ems-Chemie knapp die Hälfte von Ebners Lonza-Paket. Den Zusammenbruch von dessen einst florierender Finanzgruppe konnte allerdings auch der populäre SVP-Politiker nicht mehr stoppen. Bei fortschreitender Börsenbaisse verlor Ebner in der Folge sämtliche Beteiligungen, die er sich im Verlauf der Neunzigerjahre aufgebaut hatte. Nach und nach wurden seine mit reichlich Fremdkapital unterlegten Aktienpakete von Firmen wie ABB, Bâloise, Hero, Pirelli, Credit Suisse, VP Bank und Rieter von den Gläubigerbanken übernommen oder exekutiert.
Als das Stillhalteabkommen mit den Banken am 31. Juli 2003 auslief, war Ebner faktisch zahlungsunfähig. Nebst einigen Grundstücken in Niederösterreich war in den Büchern der BZGH zu jenem Zeitpunkt gerade noch eine Mehrheitsbeteiligung an der Immobilienholding Intershop übrig geblieben. Selbst diesen schwer verkäuflichen Restposten mit einem approximativen Marktwert von 300 bis 400 Millionen Franken hatte der Shareholder-Guru indessen längst bei Banken verpfändet.
Für jeden anderen Unternehmer hätte dies nach menschlichem Ermessen das definitive Aus bedeutet; nicht so für einen Geheimnisträger wie Ebner. Ein Konkursverfahren gegen seine Privatholding mit entsprechender Aufarbeitung der Vorgeschichte hätte bei diversen Exponenten auf dem Finanzplatz wohl für hochrote Ohren gesorgt. Ergo liess man den fallierenden Aktiengrossisten lieber laufen und strich sich dafür im Kollektiv über eine halbe Milliarde Franken ans Bein. Konkret waren Ebners willfährige Kreditgeber bereit – darunter an vorderster Front die Credit Suisse –, auf ihre Restforderungen zu verzichten und den ehemals lästigen Konkurrenten somit am Leben zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es auch nicht, dass es Ebner kurz vor Ablauf des Stillhalteabkommens noch gelungen war, den Nukleus seiner Finanzgruppe in Form eines nicht eben alltäglichen In-sich-Geschäfts aus der konkursiten Muttergesellschaft herauszulösen. Zusammen mit Ehegattin Rosi und zwei seiner Kadermitarbeiter kaufte sich Ebner die 1985 gegründete BZ Bank für 30 Millionen Franken gewissermassen selbst ab und brachte das Institut so ins Trockene.
Damit nicht genug: Das verpfändete Intershop-Paket konnte der mittellos gewordene Broker von den Gläubigerbanken mit einem beträchtlichen Einschlag zurückkaufen. Das Fortbestehen der BZGH sei durch Neugeld gesichert, liess Ebner vor Jahresfrist völlig überraschend durchblicken, ohne dem perplexen Publikum zu verraten, wer seine neuen Kreditgeber seien. «Über den neuen Investor lässt sich nichts in Erfahrung bringen», notierte die NZZ in ihrer Ausgabe vom 31. Juli 2003. «Anzunehmen ist indessen, dass er der Gruppe nicht fremd ist.»
Wie BILANZ-Recherchen ergeben haben, handelt es sich beim anonymen Geldgeber um keinen Geringeren als den damaligen Ems-Patron und jetzigen Bundesrat Christoph Blocher. Um den Fortbestand der BZGH zu sichern, stellte er dem langjährigen Freund und Geschäftspartner vor Jahresfrist einen dreistelligen Millionenbetrag aus seiner Privatschatulle zur Verfügung. Auf seine Samariterrolle im Konkursfall BZGH angesprochen, erwidert der Landesvater mit schelmischem Lächeln: «Ich gebe doch keine Auskunft darüber, wem ich privat allenfalls Geld leihe.» Ein klares Dementi in der Causa Ebner ist vom Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) nicht zu bekommen.
Man stelle sich vor: Ein Mitglied der Landesregierung hält mit einem Privatdarlehen den Betrieb einer Finanzgruppe aufrecht, die von namhaften Ökonomen als ein volkswirtschaftliches Übel und als Sicherheitsrisiko für den Schweizer Finanzplatz gebrandmarkt wird. Ob sich ein solches Engagement beim Volk politisch-moralisch rechtfertigen lässt? Ginge es nach dem designierten Preisüberwacher, dem SP-Wirtschaftsexperten Rudolf Strahm, hätte man einen notorischen Börsenspekulanten wie Martin Ebner längst aus dem Verkehr ziehen müssen. Mit der Tatsache konfrontiert, dass ein Mitglied der höchsten Exekutive einen Teil seines Privatvermögens offenbar bei der BZ-Gruppe parkiert hat, meint Strahm: «Auf Grund meiner früheren Recherchen erstaunt mich das gar nicht, sondern erscheint mir plausibel.»
Ganz selbstlos dürfte Christoph Blocher nicht gehandelt haben, als er dem langjährigen Kompagnon im Ringen mit den Gläubigerbanken im entscheidenden Moment unter die Arme griff und Ebner damit den Befreiungsschlag ermöglichte. Hätte die BZGH ihre Bilanz deponieren müssen, wären Fakten auf den Tisch gekommen, die gerade auch ihn, den souveränen Ems-Architekten, ins Schwitzen hätten bringen können: Vom fehlgeschlagenem Raid auf die Zürcher Bank Leu über den legendären Schaukampf gegen die Verwaltungsorgane der alten SBG bis hin zum Ausverkauf der traditionsreichen Alusuisse zieht sich das gleichermassen effektvolle wie intransparente Zusammenspiel des prominenten Schattenkabinetts (siehe Artikel zum Thema «Liaison dangereuse: Stationen einer Männerfreundschaft»).
|
Auch wenn dies offiziell nie bestätigt wurde, war Blocher in früheren Jahren mit grösster Wahrscheinlichkeit am Kapital von Ebners Finanzgruppe beteiligt. Und genau das ist er auch heute wieder – über einen Beistandskredit in geschätzter Höhe von 150 bis 200 Millionen Franken, den Ebner nach dem Sturz in die roten Zahlen in den kommenden Monaten zuerst einmal abstottern muss. Dass in Ems inzwischen die älteste Bundesratstochter das Zepter führt, tut der eingespielten Beziehung keinen Abbruch. Im Gegenteil.
Von einem BZ-Mitarbeiter der ersten Stunde wurden dem in die Miesen geratenen Firmenjäger im vergangenen Juli überdies 40 Millionen Franken zugesteckt: Alfred Hostettler, Ebners langjähriger Börsenchef, hatte sich Ende der Neunzigerjahre abgesetzt. Seine Beteiligung von rund zehn Prozent an der BZGH, die auf dem Papier zwischenzeitlich mehrere Hundert Millionen wert war, hatte der Frühpensionär bei seinem Abgang stehen lassen. Als sich «Hosti» kurz darauf von seiner Frau scheiden liess und diese auszahlen musste, schaffte es der frühere Yamaha-Importeur, 50 Millionen Franken aus dieser Beteiligung bei Ebner flüssig zu machen. 40 Millionen davon überwies er Ende Juli letzten Jahres nach Freienbach, was es Ebner ermöglichte, das Eigenkapital seiner Not leidenden Privatholding um den genannten Betrag zu verstärken.
Eine Übertragung der Ems-Beteiligung an seine vier Kinder in Form eines Erbvorbezugs sei ohne «Aushöhlung der Firma» nicht möglich, hatte sich Christoph Blocher im Dezember 2003, kurz nach seiner Wahl in den Bundesrat, über die hier zu Lande angeblich prohibitiven Vermögenssteuern beklagt. Die Suche nach einer fiskalisch gangbaren Lösung benötige Zeit, weshalb er sich wohl erst in ein paar Monaten von seinem 73-prozentigen Ems-Paket lösen könne. Doch auf einmal waren dann alle Bedenken vom Tisch, womit der intrafamiliäre Vermögenstransfer doch noch im alten Jahr über die Bühne gehen konnte. In einer mehrstufigen Transaktion, die Finanzexperten unisono als überdurchschnittlich gerissen bewerteten, verteilte der Bundesrat in spe die Aktien des Chemiekonzerns zu gleichen Teilen an seine vier Kinder Magdalena, Markus, Miriam und Rahel.
Um die Sprösslinge bei den Banken kreditfähig zu machen, schenkte Blocher zunächst jedem von ihnen 3,25 Prozent seiner Ems-Papiere, entsprechend jenem Aktienanteil (13 Prozent), den er bisher direkt gehalten hatte. Erst dann übertrug ihnen der von der Kommandobrücke abtretende Patron die restlichen, in der Familienholding Emesta parkierten 60 Prozent, liess sich dafür von seinen Kindern aber bezahlen. Trotz vorgängiger Schenkung war die Jungmannschaft nicht in der Lage, das Emesta-Paket vollumfänglich mit Bankkrediten zu finanzieren. Für den Rest liess sich der Senior deshalb mit Schuldverschreibungen in entsprechender Höhe entschädigen. Unter dem Strich beglichen die Blocher-Kinder nur ungefähr die Hälfte der übernommenen Aktien in bar, weshalb der EJPD-Chef derzeit wohl kaum über flüssige Mittel von mehr als einer Milliarde Schweizerfranken verfügen dürfte, wie nach dem Deal von manchen Kommentatoren vorschnell insinuiert wurde.
Eingeweihte vermeinten, im Drehbuch zum steuerbefreiten Aktientransfer die Handschrift von Martin Ebner zu erkennen. Dass der sich wieder aufrappelnde Finanzakrobat auch unter der neuen Konzernchefin Magdalena Martullo-Blocher für das Financial Engineering der Ems-Gruppe zuständig ist, wurde spätestens im Mai 2004 offenbar. Vor wenigen Wochen zog der Chemiekonzern eine seiner bewährten Aktienrückkaufs-Aktionen durch, wobei die BZ Bank nach einer zweijährigen Abstinenzphase erstmals wieder als Lead Manager einer grösseren Kapitalmarkttransaktion in Erscheinung trat. Das Geschäft wurde von Ebner so konzipiert, dass es mit den Liquiditätsbedürfnissen der vier Blocher-Kinder auf elegante Weise korrespondierte. Durch die Ausgabe von Gratis-Put-Optionen flossen jedem fürs Erste rund 25 Millionen Franken zu – selbstredend ohne lästigen Steuerabzug.
Anhand der innovativen Erbvorbezugsvariante hat der als Ems-Chef zurückgetretene Spitzenpolitiker den Eidgenossen eindrücklich vorexerziert, wie er sich das mit den Steuererrabatten für die vermögende Klasse vorstellt. Für eine allfällige Rückkehr in den Unternehmerstand zu einem späteren Zeitpunkt liess sich Blocher mit der gewählten Lösung zudem sämtliche Türen offen. Seinen Nachwuchs hat der Justizminister derweil massiv unter Zugzwang gesetzt. Mit Bankschulden von jeweils gegen 200 Millionen Franken am Hals sind die vier Blocher-Kinder heute nur schon finanziell in eine komplexe Schicksalsgemeinschaft verwoben. Ob sich die Verschuldungsvariante nicht als Fehlgriff erweist, weil sie einer Aufsplitterung der Ems-Chemie Vorschub leistet, muss sich zudem erst noch weisen.
Dass es sich bei Blochers Erben um vier blitzgescheite Alphatiere handelt, scheint genetisch gesehen auf der Hand zu liegen. So ist es kein Geheimnis, dass die Konzernchefin mit ihrem Bruder Markus, der gegenwärtig die Feinchemiesparte in Dottikon saniert, nicht immer auf ein und derselben Linie liegt. Im Familienorchester die zweite Geige zu spielen, dürfte Blochers einzigem Sohn auf die Dauer nicht genügen. So empfinden es leitende Angestellte der Ems-Gruppe denn auch als «unnatürlich», dass der promovierte Chemiker an seine ältere Schwester rapportieren muss, ohne seinerseits aus erster Hand über Informationen aus dem Verwaltungsrat zu verfügen. Nicht nur was ihre Physiognomie betrifft, fällt die vom Vater inthronisierte Konzernchefin nicht weit vom Stamm: «Martullo ist gleich frech, gleich schnell und gleich schnoddrig wie der Alte», sagt ein Kadermann aus Ems, der es vorzieht, namentlich nicht in Erscheinung zu treten.
Natürlich weiss auch Christoph Blocher um die Gefahr der zentrifugalen Kräfte. Einen Aktionärsbindungsvertrag, der seine vier Kinder in ein Korsett zwingen würde, gibt es bei der Ems dem Vernehmen nach nicht. Genau deshalb, so scheint es, hat er noch vor seinem Rückzug den mit seiner Familie seit Jahren eng verbundenen Banker als unverdächtigen Aufpasser und Mediator installiert. Wer, wenn nicht der Ex-Kommilitone und langjährige Freund des Hauses, hat das Zeug, die vier Blocher-Sprösslinge auf eine einheitliche Linie einzuschwören? Dass Ebners Gattin, die als Miteigentümerin von BZ Bank und BZ Gruppe Holding figuriert, gleichzeitig Taufpatin von Markus Blocher ist, unterstreicht den Charme der getroffenen Lösung. Schliesslich halten familiär begründete Geschäftsbeziehungen oft ein Leben lang.
So gesehen handelt es sich bei der von der BZ Bank arrangierten Kapitalvernichtung durch Gratis-Puts wohl erst um die Ouvertüre. Im Zentrum weiterer von Martin Ebner ausgeheckter Massnahmen dürfte das vorrangige Ziel stehen, den neuen Hauptaktionären einen zügigen, weitgehend steuerbefreiten Liquiditätsrückfluss zu ermöglichen. Sonst droht ein Szenario, wie es die Research-Abteilung der Zürcher Kantonalbank in einem ihrer Newsletters angedeutet hat: «Als Risiko sehen wir, dass die beiden nicht im Unternehmen tätigen Geschwister Miriam und Rahel Blocher ihren direkten Anteil (zusammen 6,5 Prozent) an der Ems-Chemie an der Börse verkaufen könnten», schrieb die Bank im Januar 2004.
Da trifft es sich gut, dass komplexe Ausschüttungsmodelle und kurstreibende Basteleien an der Kapitalstruktur zu den unbestrittenen Stärken des BZ-Strategen gehören. Symptomatisch für derartige Fingerübungen ist der Zickzack-Kurs der börsenkotierten Familiengesellschaft in der Frage eines Going-public. Vor anderthalb Jahren hatte Christoph Blocher nach langem Hin und Her noch verkündet, er gedenke seine Ems-Beteiligung auf gegen 50 Prozent herunterzufahren, nicht zuletzt um die Liquidität der Aktie zu erhöhen. Nichts davon ist nach dem jüngsten Aktienrückkauf übrig geblieben. Entgegen Blochers Absichtserklärung wurden keine Aktien an den Markt abgegeben, sondern im Gegenteil zusätzliches Material abgeschöpft und vernichtet, mit der absurden Folge, dass der Markt für die Ems-Papiere dadurch noch illiquider geworden ist.
In einem Punkt stimmen die Kommentatoren ungewohnt klar überein: Die von Christoph Blocher während zweier Jahrzehnte geprägte Chemiegruppe steht vor weit reichenden Veränderungen. Zwar wurde die Rückbesinnung aufs Kerngeschäft – Herstellung polymerer Werkstoffe – bereits unter dem Senior in Angriff genommen. Abgeschlossen ist die Refokussierung mit dem Verkauf der konzerneigenen Kraftwerke und der Sparte Anlagenbau (Ems-Inventa) indessen noch nicht.
Beruhigend zu wissen, dass der Finanzberater im Hintergrund auch im Redimensionieren und Straffen von Firmen über einschlägige Erfahrung verfügt. Ohne viel Fantasie lässt sich beispielsweise auf eine bevorstehende Veräusserung der Konzerntochter Patvag spekulieren. Das Geschäft mit den Airbag-Zündern bietet wenige Synergien und befindet sich punkto Ertragskraft auf dem Zenit. Ähnliche Überlegungen lassen sich für Ems-Togo anstellen, deren Klebstoffe sich im Unterschied zu Spezialzündern im weitesten Sinn immerhin unter dem Begriff Polymere subsumieren lassen.
Im Fall von Ems-Dottikon, die vorab Zwischenprodukte für Pharmazeutika und Agrochemikalien produziert, zeichnet sich als wahrscheinlichste Lösung ein so genannter Spin-off, eventuell kombiniert mit einem Börsengang, ab. Sehr wohl denkbar wäre zum Beispiel, dass Markus Blocher den Feinchemikalienbereich – im Tausch gegen einen Teil seiner Ems-Aktien – zu hundert Prozent übernimmt, mit dem Ziel, sein eigener Herr und Meister zu werden. Doch so, wie sich Dottikon momentan präsentiert, ist der Bereich zu klein, um allein überleben zu können. Also sieht sich der Bundesratssohn schon einmal nach geeigneten Übernahmeobjekten um. Wie Branchenkenner versichern, würde etwa die Säurefabrik in Schweizerhalle (SF-Chem), die zum Einflussbereich des Agromultis Syngenta gehört, gar nicht schlecht zu Ems-Dottikon passen. Ob die Präsenz von Markus Blocher an der letzten Generalversammlung von Syngenta wohl mit entsprechenden Planspielen in Zusammenhang stand?
Auch wenn sich die künftige Konzernstruktur heute erst in Umrissen abzeichnet, benötigt der skizzierte Umbau viel Zeit und wird deshalb kaum in den nächsten Wochen und Monaten über die Bühne gehen. Fest steht, dass der ganze Prozess, in dessen Verlauf es auch zu einer definitiven Lösung für die Lonza-Beteiligung kommen muss, dem von der Familie ins Vertrauen gezogenen BZ-Gründer einiges an Arbeit und Honorareinnahmen verspricht. Bis zum Beweis des Gegenteils vor zwei Jahren galt rigoroses Fokussieren schliesslich als eine von Ebners ganz grossen Spezialitäten.
Für den rastlosen Finanzoptimierer, der seine ausgezehrte Finanzgruppe möglichst rasch wieder in Form bringen möchte, ist das Mandat bei der Ems-Chemie absolut zentral. In ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen ist daneben eine zweite, der Schweizer Öffentlichkeit bisher kaum bekannte Ertragsquelle, die für Ebner in unserem östlichen Nachbarland sprudelt.
An den Ausläufern des Wienerwaldes, rund 35 Kilometer südlich der österreichischen Hauptstadt, besitzt die BZ-Gruppe Landreserven von 250 Hektaren, davon mehr als 500 000 Quadratmeter hochattraktives Bauland. Direkt neben der Autobahn Wien–Graz gelegen und nur dreissig Minuten von der ungarischen Grenze entfernt, liegt das Gelände im Herzen einer der kaufkraftstärksten Regionen Mitteleuropas.
Zusammen mit dem Zürcher Kiesunternehmer Felix Matthys, der wenig später in Konkurs ging, hatte Ebner die betreffenden Parzellen im Jahr 1989 der staatlichen Industrieholding ÖIAG für schlappe 13 Millionen Franken abgekauft und in die Fundus Holding, eine hundertprozentige BZ-Tochter, eingebracht. Innovative Technologiefirmen aus dem deutschsprachigen Raum, die an einer Ostexpansion interessiert waren, sollten das «österreichische Silicon Valley» bevölkern (siehe BILANZ 12/2001). Doch zu Hause hatte der ideenreiche Aktienhändler in den Neunzigerjahren genügend anderes zu tun. Das Projekt – nicht eben zum Kerngeschäft einer Börsenboutique gehörig – blieb links liegen, und das weitläufige Areal zwischen den beiden Ortschaften Leobersdorf und Berndorf geriet schon fast in Vergessenheit.
Fünfzehn Jahre danach haben sich die Gewichte merklich verschoben, und der klamm gewordene Grossinvestor nimmt jetzt auch in Österreich einen neuen Anlauf. Im radikal entschlackten Beteiligungsportefeuille seiner BZGH nehmen die Landreserven südlich von Wien inzwischen eine dominante Position ein.
Dass Ebner trotz seiner bekannten Vorliebe fürs schnelle Geld auch einmal abwarten kann, scheint die Entwicklung vor Ort zu belegen. «Ich habe keine Weisung, dass ich hier etwas verschleudern soll», sagt Walter Guggenberger, seit 1996 Geschäftsführer der schweizerisch-österreichischen Gewerbe- und Industriepark Errichtungsgesellschaft (Sogip) mit Sitz in Berndorf. «Wir arbeiten mit der gleichen Seriosität und identischen Qualitätsansprüchen weiter wie bisher», sagt der studierte Geometer auf die Frage, inwiefern der Liquiditätsengpass der Schweizer Muttergesellschaft seine Arbeit in Niederösterreich tangiere. Von den 350 Hektaren, die das Entwicklungsgelände ursprünglich umfasste, hat Guggenberger bisher rund 90 Hektaren, hauptsächlich Forstflächen, an den Mann gebracht. Schon bald werden 60 000 Quadratmeter hochwertige Industriebrache dazukommen, auf denen die Errichtung eines dorfähnlich konzipierten Factory-Outlet-Centers geplant ist. Allein der Verkauf der hierfür reservierten, sehr verkehrgünstig gelegenen Einzelparzelle dürfte der BZGH gut und gerne 20 Millionen Franken einbringen (siehe «Notgroschen im Wienerwald»).
Unter Berücksichtigung des Zonenplans und der ortsüblichen Preise lassen die verbleibenden Freiflächen einen Gesamtveräusserungserlös von 150 bis maximal 200 Millionen Franken realistisch erscheinen. Mit anderen Worten: Ebner sitzt im Süden von Wien auf einem scheinbar noch unangetasteten Kapitalreservoir, das ihm in den kommenden Jahren etwa den gleichen Betrag in die Kasse spülen könnte, wie er ihn sich bei seinem Jugendfreund ausgeliehen hat.
So wie die Dinge liegen, lässt sich nicht ausschliessen, dass sich Christoph Blocher die Ländereien im Wienerwald als Sicherheit für das erwähnte Millionendarlehen ausbedungen hat. Es wäre nicht das erste Mal, dass die beiden Spezis auf EU-Territorium zusammen ein Immobiliengeschäft abwickeln. Im deutschen Landkreis Waldshut erwarben sie Ende der Achtzigerjahre ein herrschaftliches Hofgut namens Albführen, das sie später an den befreundeten Automobilimporteur und Ex-SVP-Nationalrat Walter Frey weiterreichten.
Dass der entzauberte Shareholder-Halbgott, der auf dem Höhepunkt seiner Macht Beteiligungen mit einem Marktwert von gegen dreissig Milliarden Schweizerfranken kontrollierte, heute bedeutend kleinere Brötchen bäckt, ist unter den geschilderten Umständen nur logisch. Überzog der Erfinder des «Aktiensparens» mit seinen Slogans vor nicht allzu langer Zeit noch die halbe Schweiz, so beschränkt sich sein finanzielles Einzugsgebiet heute auf ein paar institutionelle Grosskunden, deren Zahl sich vermutlich an den Fingern
einer Hand abzählen lässt.
Zum Kreis der Unbeirrbaren, die dem von den Märkten widerlegten Daueroptimisten eine zweite Chance zu geben bereit sind, gehört neben dem blocherschen Chemiekonglomerat etwa auch die Pensionskasse des Winterthurer Automobilzulieferers Rieter. Warum es nicht mehr sind, die Ebners Know-how erneut anzapfen wollen, ist letztlich eine politische Frage: Welcher Stiftungsrat kann es sich nach all dem, was geschehen ist, noch leisten, mit einem imagemässig derart vorbelasteten Finanzjongleur zu geschäften?
«Ebner hat seine Kundenbasis verloren. Seine ehemaligen Kompagnons, die Finanzchefs grosser Unternehmen und Pensionskassenverwalter, sind alle in Pension», erklärt ein Zürcher Börsenhändler. Verglichen mit den goldenen Neunzigerjahren, während deren Glücksritter wie Ebner massenhaft Kohle machen konnten, ist die Konkurrenzsituation heute eine ganz andere. Hedge-Funds und die Tradingabteilungen der Banken dominieren den Handel, was den Aufbau von strategischen Nischen und das Ausnützen manipulativer Kursentwicklungen viel schwieriger macht. Die guten alten Zeiten, als sich einzelne Blue Chips über Monate hinweg mit Bedacht nach oben pflegen liessen, sind in der Schweiz endgültig vorbei.
Mit finanzieller Rückendeckung des Justiz- und Polizeiministers ist dem in die Debitorenliga zurückversetzten Aktienhändler ein Comeback gleichwohl zuzutrauen. Euphemistisch hat der 58-Jährige unlängst mitgeteilt, dass er sich aus der Geschäftsleitung der BZ Bank zurückgezogen habe. Wer die Vorgeschichte des Shareholder-Ideologen kennt, weiss: Das ist ein Witz. Nicht zum ersten Mal kündigt der Workaholic seinen Rückzug vom operativen Geschäft an. Tatsächlich hat die Fliege den Steuerknüppel noch jedes Mal wieder selbst in die Hand genommen.