Sie entwerfen nicht einfach Gebäude, sondern kreieren Ikonen zeitgenössischer Baukunst. Sie werden mit Prestigeaufträgen überhäuft und geniessen den Status von Halbgöttern. Keine Diskussion: Jacques Herzog und Pierre de Meuron gehören in ihrem Metier zu den Giganten. Mit Aufsehen erregenden Würfen wie der Transformation eines stillgelegten Londoner Kraftwerks in einen Wallfahrtsort für zeitgenössische Kunst haben sie dafür gesorgt, dass innovative Architektur nebst Uhren und Schokolade heute zu den gefragtesten Exportartikeln der Schweiz gehört. Im Ausland sind die Designkoryphäen aus Basel gerade deswegen so gefragt, weil sie neben Tugenden wie Präzision, Pünktlichkeit und Fleiss auch etwas zutiefst Unschweizerisches repräsentieren. Wo andere sich in Zurückhaltung üben und verschämt die innere Handbremse ziehen, gibt Jacques Herzog – kommunikativer Motor des Nordwestschweizer Erfolgsunternehmens – hemmungslos Gas: «Wir surfen nicht auf dem Zeitgeist, sondern erschaffen Zeitgeist», erklärt er, ohne mit der Wimper zu zucken. Oder diktiert ohne falsche Bescheidenheit: «Bei unserem Bemühen, uns stetig zu verbessern, messen wir uns ausschliesslich an uns selbst.»
Ganz anders Pierre de Meuron, der ruhige Pol und Organisator im Hintergrund. Verglichen mit seinem extrovertierten Partner, ist der Spross einer Neuenburger Patrizierfamilie eher der in sich gekehrte, besonnene Typ. Wiewohl in Gestaltungsfragen nicht weniger einfallsreich, ist es de Meuron, der in finanziellen Belangen den Überblick hat, der mit Investoren verhandelt, Bauprojekte durchrechnet, Budgets erstellt und dafür sorgt, dass das florierende Architekturbüro mit inzwischen knapp 200 Angestellten stets liquide bleibt. Als Gespann sind die beiden Jugendfreunde, die sich in der Primarschule kennen gelernt, an der ETH gemeinsam Architektur studiert und seither sämtliche Karrierestufen im Gleichschritt genommen haben, nahezu unschlagbar. «Ohne Pierre hätte Jacques nicht einmal eine Strohhütte anzuzünden vermocht», karikiert der Künstler Rémy Zaugg die symbiotische Beziehung der beiden. «Seine Streichhölzer wären nass geworden.»
Mit einer einzigartigen Mischung aus intellektueller Neugier und Erneuerungskraft gehen Herzog & de Meuron (H&dM) an ihre Bauvorhaben heran. Wie selbstverständlich arbeiten sie sich dabei, so gut es geht, in die Hände: «Es ist nicht so, dass der eine von uns beiden der Künstler ist und der andere der Manager», widerspricht de Meuron einem verbreiteten Klischee. «Im Gegenteil. Wir suchen und pflegen den permanenten Austausch.» Jede Aufgabe wird als Prototyp aufgefasst, der auf ein bestimmtes funktionales, topografisches und kulturelles Umfeld reagiert: Ein Stellwerk der SBB umwickelten die Basler vollständig mit Kupferband, schichteten bei der Errichtung einer Weinkellerei im Napa Valley mit Bruchsteinen angefüllte Drahtkörbe aufeinander oder liessen sich zwecks Beschattung eines Forschungsgebäudes der Firma Hoffmann-La Roche ein völlig neuartiges Storensystem einfallen. Auch das unlängst fertig gestellte und von der Fachwelt als neuerlicher Geniestreich gefeierte «Schaulager» für zeitgenössische Kunst vor den Toren der Stadt Basel ist ein architektonischer Solitär und nimmt explizit auf seinen Standort Bezug: Der Aushub für das voluminöse, von der Mäzenin Maja Oeri in Auftrag gegebene Sammlungsdepot wurde hier kurzerhand zur Fassade. «Unsere Bauten haben sich im Lauf der Jahre mehr verändert als jede andere Architektur auf der Welt», behauptet denn auch Herzog.
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Wenn die meisten ihrer Projekte gleichwohl eine Art gemeinsames Markenzeichen aufweisen, so ist es ihre ausgeklügelte Aussenhaut. Gelegentlich wurden H&dM deswegen auch schon leicht despektierlich als «Verpackungsarchitekten» oder «Oberflächenkünstler» bezeichnet. Während der 2001 vollendete St.-Jakob-Park in Basel durch einen Mantel aus lichtdurchlässigen Kunststoffelementen besticht, haben sich die Kreativbaumeister für das in Bau befindliche Münchner Fussballstadion wiederum etwas bahnbrechend Neues ausgedacht: eine Hülle aus aufblasbaren Kunststoffkissen, die sich in den Farben des jeweils gerade spielenden Heimklubs illuminieren lässt. Im Modell gleicht das 50 Meter hohe, 200 Meter lange und 280 Millionen Euro teure Oval, in dem das Eröffnungsspiel der Fussball-WM 2006 steigen soll, einem riesigen Doughnut oder einem Schwimmreifen. Wesentlich handfester präsentiert sich der Entwurf für das Olympiastadion in Beijing: Eine nach aussen gekehrte Gitterstruktur aus verschweissten Stahlträgern dominiert das Erscheinungsbild dieser gigantischen Massenarena für mindestens einhunderttausend Zuschauer. Nicht ganz zufällig evoziert das 500-Millionen-Dollar-Projekt bei der chinesischen Bevölkerung den Vergleich mit einem überdimensionalen Vogelnest.
Dass die Nordwestschweizer Architekturpäpste den Spagat zwischen Quantität und Kreativität bisher unbeschadet überstanden haben, verdanken sie nicht zuletzt ihrem unverstellten Zugang zur Kunst. Ohne Berührungsangst lassen sich H&dM immer wieder auf fruchtbare Dialoge mit Protagonisten der zeitgenössischen Kunstszene ein. Legendär ist in diesem Zusammenhang eine Aktion von 1978, als die beiden Basler es schafften, keinen Geringeren als Joseph Beuys für den Entwurf ihrer Fasnachtskostüme zu gewinnen. In der kommerziell schwierigen Frühphase, als die Bauaufträge für das Büro noch dünn gesät waren, versuchte sich Jacques Herzog verschiedentlich auch selbst als Künstler und stellte in einer stadtbekannten Basler Galerie bedeutungsvolle Objekte aus Dachpappe, Holz oder Jurakalk aus.
Die Affinität zur Kunstszene ist in all den Jahren erhalten geblieben. Projektbezogene Kooperationen mit Thomas Ruff, Rosmarie Trockel oder – ganz aktuell – dem einheimischen Künstlerduo Steiner/Lenzlinger zeugen davon. Besonders intensiv arbeiten H&dM seit Jahren mit dem Schweizer Textartisten Rémy Zaugg zusammen, einem Querdenker, der sich selbst – ganz unbescheiden – als «dritter Partner des Büros» bezeichnet. «Ihr Selbstverständnis im Umgang mit namhaften Gegenwartskünstlern unterscheidet H&dM ganz klar von anderen Architekturbüros», bezeugt der Basler Galerist Diego Stampa.
Um es bis an die Spitze zu schaffen, muss man nicht nur überdurchschnittlich begabt und innovativ sein. Man muss auch an sich selber glauben. Stützt man sich auf die Einschätzung von Weggefährten, so scheint insbesondere Jacques Herzog über ein extrem robustes Selbstvertrauen zu verfügen. «Er war schon immer der festen Überzeugung, er sei der Beste und dass sich dies eines Tages auch manifestieren werde», erinnert sich ein Kommilitone: «Er glaubt an seine eigene Genialität. Vielleicht hat er damit ja sogar Recht.» Selbst den begehrten Pritzker-Preis, so etwas wie der Nobelpreis für Architektur, mit dem die Basler im Frühjahr 2001 geadelt wurden, hatte Herzog offenbar schon als Student klar im Visier. «Den bekomme ich auch noch», habe der wortgewandtere der späteren Pritzker-Laureaten seinerzeit geprahlt, erinnert sich Dolf Schnebli, ehemals Architekturprofessor an der ETH Zürich.
Einen Grossteil seiner Arbeitszeit verbringt Herzog heute als Redner – bei der Einweihung neuer Prestigebauten, auf hochkarätig besetzten Podien, im Fernsehen, bei Tisch oder am Telefon. Schon vor Jahren habe Herzog erkannt, «dass ‹Klappern› die halbe Miete ausmacht», sagt Hans-Peter Thür vom Basler Birkhäuser Verlag, der verschiedene Bücher über das Schaffen der beiden Stararchitekten veröffentlicht hat. Wie kein Zweiter aus seinem Fach dominiert Herzog den fachlichen Diskurs, zieht mit visionären Konzepten jedes Publikum in seinen Bann und verzückt die Medien mit druckreifen Formulierungen. Wo immer über Architektur und Städtebau, ihre Wechselwirkungen mit der Gesellschaft oder – ganz allgemein – Zukunftsfragen debattiert wird, macht der talentierte Vielredner mit ebenso klugen wie pointierten Äusserungen auf sich aufmerksam. «Die Schweiz ist ein romantisches Konstrukt», bemerkt er etwa oder sondert Provokationen wie diese ab: «Idealerweise stehen Hochhäuser neben ganz kleinen Wohnhäusern und Gärten.»
Auf jede auch noch so dumme Frage hat Herzog eine gescheite Antwort; wenn man ihm widerspricht, läuft er zur Hochform auf und nimmt – was seine Fans wohl am meisten beeindruckt – bei aller Eloquenz nie ein Blatt vor den Mund. «Wenn Jacques etwas einen Mist findet, äussert er das unverblümt», bezeugt der Berner Architekt Ueli Schweizer und rühmt dessen «Mut, immer noch einen Schritt weiter zu gehen». Wenn man ihn näher kenne, sagt Schweizer, sei Herzog «ein wahnsinnig lieber Typ», auch wenn er auf manche Leute etwas arrogant wirken möge. Wie de Meuron ist auch sein Kompagnon verheiratet. Er hat zwei Kinder und fühlt sich – wenn er nicht gerade im Ausland weilt – im Kreis seiner Familie am wohlsten.
Verkaufsfördernd sind Herzogs öffentliche Auftritte allemal: Mehr als 400 Anfragen aus aller Welt gingen im Verlauf der letzten zwei Jahre in Basel ein; über 90 Prozent davon wurden aus Kapazitätsgründen abgelehnt. Zählt man Wettbewerbe und Vorstudien hinzu, wird bei H&dM gegenwärtig an über fünfzig Projekten gearbeitet. Auf drei Kontinente verteilt, schiebt die Firma ein Bauvolumen in der Grössenordnung von zwei bis drei Milliarden Franken vor sich her; gerade noch ein Fünftel dieser Summe entfällt auf die Schweiz. Zum multikulturellen Mutterhaus an der Grossbasler Rheinschanze – 123 Personen aus 21 Nationen arbeiten hier – gesellen sich mittlerweile Tochtergesellschaften in London (seit 1996), München (1997), San Francisco (2000) und Barcelona (2003). Die Eröffnung einer fünften Niederlassung in China wird wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen.
In Barcelona, Madrid und auf der Kanareninsel Teneriffa werden nach Plänen von H&dM gegenwärtig neue Kultur- und Begegnungszentren errichtet. Und in den USA – um nur ein paar der wichtigsten Baustellen zu nennen – zeichnet das KMU mit globaler Reichweite für zwei Museumsprojekte verantwortlich: einen 165 Millionen Dollar schweren Prestigebau bei der Golden Gate Bridge in San Francisco und die Erweiterung eines bestehenden Musentempels in Minneapolis für budgetierte 90 Millionen Dollar. Müssig zu erwähnen, dass man eine solide unternehmerische Basis benötigt, um an der Komplexität der mit derartigen Aufträgen einhergehenden Anforderungen und Hindernissen nicht kläglich zu scheitern.
«Die Grösse unseres Unternehmens wird durch die Bedingung bestimmt, dass Jacques und ich bei allen Projekten involviert sind», definiert Pierre de Meuron die Grenzen des Wachstums. «Es gibt kein Projekt, das ohne unseren architektonischen Input entwickelt wird. Von diesem Prinzip rücken wir nicht ab.» Spielen Harry Gugger und Christine Binswanger, die man gegen aussen vorzugsweise als gleichberechtigte Partner präsentiert, im Konzert der Basler Meis-terarchitekten unter solchen Voraussetzungen nicht eher die Rolle von privilegierten Erfüllungsgehilfen? «Es gibt Pierre, und es gibt Jacques», weiss Rémy Zaugg. «Die anderen sind alle gleich.»
«Die Spielregeln unter den Partnern sind pickelhart», bestätigt auch der Unternehmensberater Jean-Claude Gsponer, welcher der Architekturfirma dabei hilft, das rasante Wachstum der letzten Jahre zu verdauen. Mit Hilfe von Gsponer, der sich selbst als «externer Beirat» bezeichnet, wurden die Führungsstrukturen redefiniert und gestrafft. Ziel des organisatorischen Umbaus ist es, den kreativen Prozess und die an Komplexität gewinnende Abwicklungsseite klarer von den rein betriebswirtschaftlichen Aufgaben zu trennen. Mit der Ernennung von neun so genannten Associates, die nominell für kleinere Bauvorhaben verantwortlich sind und am Betriebsgewinn partizipieren, konnte in den letzten Jahren nicht nur eine bessere Lastenverteilung erreicht, sondern gleichzeitig auch die Kontinuität im personellen Mittelbau des Unternehmens merklich verbessert werden.
Parallel zur Volumensteigerung und der wachsenden Internationalität der Projekte ist auch der Umgang mit den Bauherren anspruchsvoller geworden. Wenn etwa der Präsident des FC Bayern, Franz Beckenbauer, ein bestimmtes Detail geklärt haben will, muss einer der beiden Bürogründer schon einmal kurzfristig in München antraben. «Bauen ist oft ein dornenvoller Weg», sagt Pierre de Meuron, den dieses Schicksal unlängst ereilt hat, obschon er das Wochenende viel lieber mit seiner Frau und den drei Kindern verbracht hätte. «Die Sitten sind rauer geworden, vor allem jenseits der Schweizer Grenzen», bekräftigt er. «Sich dem zu stellen, ist eine grosse Herausforderung.»
Speziell in China weht auf den Baustellen ein anderer Wind: Die Konstruktionsmethoden sind vergleichsweise primitiv, das Bautempo horrend und die Margen hauchdünn. Um den Kulturschock abzufedern, haben sich die Basler rechtzeitig die Unterstützung des China-Experten und früheren Botschafters Uli Sigg gesichert. Mit seiner Hilfe wurde das Stadionprojekt definitiv an Land gezogen, und auch für weitere potenzielle Grossprojekte im Reich der Mitte – für die Boom-Metropole Shanghai planen H&dM etwa einen ganzen Stadtteil – soll der VR-Präsident von Ringier und begeisterte Kunstsammler als Türöffner dienen. «Uli Sigg kennt in China viele wichtige Leute. Er führt uns ein, coacht und begleitet uns», bestätigt Pierre de Meuron. Sehr schnell habe sich zwischen ihnen «eine tolle, fast schon freundschaftliche Zusammenarbeit» entwickelt.
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Wie wichtig ein tragfähiges Beziehungsnetz im Zweifelsfall sein kann, mussten die Architekten schmerzhaft in Abu Dhabi erfahren: Von einem Ölscheich wurden sie vor anderthalb Jahren angefragt, eine im Rohbau bestehende Moschee samt vier turmhohen Minaretten mit ihrem Feinschliff zu versehen. Als sich der Scheich die Sache dann aber anders überlegte und den Auftrag überraschend sistierte, blieben die Basler auf Stapeln von Ausführungsskizzen und einem Haufen unbezahlter Rechnungen sitzen.
«Wir strukturieren unsere Projekte so, dass sie eine Marge ergeben», markiert Pierre de Meuron derweil betriebswirtschaftliche Bodenhaftung. Wie gross diese Marge effektiv ist, will der Chefkalkulator jedoch nicht preisgeben. Bei geschätzten Honorareinnahmen von 25 Millionen Franken pro Jahr und Lohnkosten von höchstens der Hälfte, lässt sich das, was nach Abzug von Transport- und Versicherungskosten, IT-Aufwendungen, Steuern sowie sämtlichen Spesen unter dem Strich übrig bleibt, immerhin näherungsweise abschätzen. Die These sei gewagt: Allzu viel ist es nicht. Mit guter Architektur, verlautet unisono aus der Branche, wird man nicht reich. «Am meisten verdienen die Architekten an Plänen, die sie nicht zeichnen», bringt Benedikt Loderer, Redaktor bei «Hochparterre», das Dilemma der Kreativen auf den Punkt.
«Pierre und Jacques haben sich für ihr Werk und nicht für ein luxuriöses Leben entschieden», bekräftigt ihr Künstlerfreund Rémy Zaugg. «Lieber geben sie hunderttausend Franken aus, um einen baulichen Fehler zu korrigieren, als dass sie sich einen Porsche kaufen.» Auch Wettbewerbe und Projektstudien verschlingen viel Geld. «Unser Büro gleicht einem Forschungsbetrieb, der sich dadurch finanziert, dass er ständig Produkte aus der Forschung verkauft», beschreibt Herzog die kommerziellen Zwänge seines Berufs. «Architektur ist nicht Banking», scherzt er. «Sicher ist es aber so, dass wir auch ökonomisch gut funktionieren.»
Nicht nur Pierre de Meuron, der die Finanzkontrolle ausübt, ist ein ausgesprochen zuverlässiger, klar strukturierter Typ. Auch bei Jacques Herzog trügt das Image des kreativen Chaoten. Sein für gewöhnlich völlig leer gefegtes Pult vermittelt da ein etwas anderes Bild: ein weisses Blatt Papier und – im rechten Winkel dazu – zwei sauber gespitzte Bleistifte. Mehr nicht. «Man kann in diesem Beruf nicht genial schlampen», versichert Benedikt Loderer. «Es braucht diese rastlose Kleinarbeit.»
Von der ersten Projektskizze bis zur Vollendung eines Bauwerks vergehen im Schnitt zwischen fünf und zehn Jahren. Nebst Detailversessenheit ist im Architektenmetier auch ein langer Atem gefragt und die Fähigkeit, Kraftreserven richtig einzuteilen – Leistungsmerkmale von Marathonläufern also. «Jacques und Pierre verfügen über Kondition und sind zäh im Umsetzen», attestiert ihnen der befreundete Galerist Diego Stampa. Führt man sich vor Augen, dass gemeinsame Dauerläufe in der freien Natur im Tagesablauf der beiden Architekten einen schon beinahe rituellen Platz einnehmen, weiss man, warum. «H&dM sind nicht kopierbar», glaubt der Berater Jean-Claude Gsponer. «Solange sie zusammenspannen, bleibt ihr Büro erfolgreich.»
Trotz ihrem mittlerweile globalen Ruhm haben es die beiden Entwurfskanonen bisher geschafft, sich selbst und ihren Wurzeln treu zu bleiben. Im Dreiländereck aufgewachsen und von dieser Basis aus zu Weltstars herangereift, sind H&dM bis auf den heutigen Tag eingefleischte Lokalpatrioten geblieben – waschechte Basler eben. Besonders deutlich wird dies in ihrer ungebrochenen Liebesbeziehung zum städtischen Fussballverein, dem FCB. Zusammen mit Zehntausenden anderer Fans geraten auch die beiden Jugendfreunde bei jedem Heimspiel von Murat, Gimi & Co. nach wie vor total aus dem Häuschen. Dass es dem FC Basel gelungen ist, eine landesweite Fussballeuphorie zu entfachen, lässt sich nicht zuletzt auf den Mobilisierungseffekt des gelungenen Stadionneubaus zurückführen – in der Diktion von Jacques Herzog «ein ikonischer Ort für Basel und die ganze Schweiz».
Umstritten bleibt nur, wem das Lob für die Erschaffung des Identität stiftenden Hexenkessels letztlich gebührt. «Wir haben dem Basler Architekturbüro zum Eintritt in den Stadionbau verholfen», sagt der Berner Generalunternehmer Bruno Marazzi, auf dessen Idee das Konzept der multiplen Nutzung zurückgeht. «Ohne den St.-Jakob-Park als Referenzprojekt», glaubt er, «hätten H&dM weder in München noch in Beijing gewonnen.» Ein Architekt aus Hamburg, Volkwin Marg, nimmt die beiden derweil in Schutz: «Die Kollegen aus der Schweiz beschreiten experimentell neue Wege. Sie sind zweifellos erstklassig», lobt der norddeutsche Konkurrent, der in der Endausmarchung um den Münchner Stadionneubau mit seinem eigenen Vorschlag auf dem undankbaren zweiten Platz gelandet ist. «Herzog und de Meuron sind nicht einfach grösser geworden», relativiert auch Diego Stampa ihren internationalen Siegeszug. «Sie haben kreativ expandiert.»
Dem gesellschaftlichen Drang nach Rekorden, Spektakel und Sensationen können sich heute weder Künstler noch Spitzenarchitekten entziehen. Bedeutet dies nun, dass sich in Zukunft auch das Bauen immer rasanter verändert? «Im Grunde geht es doch immer um das Gleiche», beruhigt Herzog. Man benötige stets einen Boden, eine Decke, Wände, Öffnungen, Licht, Gerüche und Materialien. Das seien die Zutaten. Genau wie beim Kochen. Was sich verändere, sagt der Basler Nonkonformist, seien die Ausdrucksmittel. Sprich: Gewürze. «Es gibt Köche, die denken immer in Rezepten. Wir sind da etwas flexibler und verwenden alles. Auch das, was Gott verboten hat.»