Pornofilme findet der 59-jährige Marketingleiter eigentlich primitiv. Zur Verwunderung seiner Frau bringt er in letzter Zeit genau solche Videos mit nach Hause, die er immer als geschmacklos bezeichnet hat. Die erotischen Streifen werden zum Vorspiel ihres Sexuallebens. Zunächst will der Mann nicht über den Grund dieses neuen Rituals sprechen, doch seine Frau bekommt es schliesslich aus ihm heraus. Nur die Filme wecken seine Lust auf Sex, ohne ihre Hilfe bleibt der Penis schlaff.

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Kaum ein Versagen trifft den Mann härter als das sexuelle. Job weg, durch die Prüfung gefallen, wichtiger Kunde abgesprungen – die Impotenz zerstört sein Selbstwertgefühl noch viel brutaler. Weil sie die Männlichkeit in Frage stellt. Und die meisten Männer sind sehr leistungsorientiert. Auch beim Sex. Viele entwickeln einen Ehrgeiz, als gehe es um einen sportlichen Wettkampf. Sie vergleichen die Penisgrösse, prahlen mit ihren Eroberungen und brüsten sich damit, wie oft sie hintereinander können. Selbst wer da niemals mitredet, bewundert im Stillen die vermeintlichen Erfolge der anderen.

Deshalb nehmen auch das «sexuelle Doping» und die Nachfrage bezüglich Penisvergrösserung zu. Die Pharmahersteller gehen davon aus, dass immer mehr 30- bis 50-Jährige vor einer Liebesnacht potenzfördernde Pillen wie Viagra oder Cialis einwerfen. Die Medikamente steigern die Durchblutung des Penis und fördern so die Erektion der besorgten Casanovas. Eigentlich wurden die Pillen entwickelt, um die Standfestigkeit von Männern zu verbessern, deren Blutgefässe durch Diabetes oder Arteriosklerose geschädigt sind, doch mittlerweile steigern zunehmend Gesunde damit die sexuelle Performance.

Sinkt die Libido im Alter, kann dafür ein niedriger Testosteronspiegel verantwortlich sein. Genau das stellen die Ärzte bei dem Marketingleiter fest, der zur sexuellen Anregung Pornofilme benötigt. Nachdem die Mediziner ihm das männliche Sexualhormon verordnet haben, bekommt der Mann wieder Lust auf Sex, auch ohne stimulierende Videos. Die Experten diskutieren allerdings darüber, ob sich durch eine solche Behandlung das Risiko für den Prostatakrebs erhöht. «Sofern diese Männer regelmässig von einem Urologen untersucht werden, habe ich nichts gegen die Testosteron-Therapie», sagt Hubert John, Oberarzt der Urologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich. Der Hormonspiegel im Blut müsse aber auch tatsächlich vermindert sein.

Männerarzt
Prävention statt Reparatur


Eine neue Fachrichtung soll sich mit den spezifischen Männerproblemen befassen: die Andrologie.


Frauen gehen zum Arzt für die Prävention, Männer zur Reparatur. Dadurch verursachen die Herren höhere Kosten, und das muss sich gemäss Gesundheitsexperten dringend ändern. Doch oft wissen die Männer auch einfach nicht, wer sich mit ihren speziellen Problemen am besten auskennt. Dieser Meinung ist zumindest Christian Sigg, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Andrologie. Er möchte eine neue Fachrichtung etablieren: die Andrologie oder Männerheilkunde. «Wir brauchen Fachleute, die sich mit Hormonen, Sexualität und Fortpflanzung auskennen.» Auch Urologie gehöre in die Ausbildung dieser neuen Spezialisierung. Doch just jede einzelne der beteiligten Disziplinen wehre sich noch, Kompetenzen abzutreten. Bislang hat Sigg in seiner Gesellschaft nur 30 Dermatologen, Gynäkologen und Urologen vereinen können. Er selber ist Hautarzt, beschäftigt sich aber seit langer Zeit mit Unfruchtbarkeit. Nebenbei therapiert er auch Patienten mit sexueller Impotenz oder Hormonmangel. Probleme an der Prostata überlässt er den Urologen.

Bei jüngeren Männern erklären eher psychische Faktoren eine Schlappe. Wird der Penis nicht steif, wenn er eigentlich sollte, gerät der Mann in Panik. Den frustrierten Liebhaber quält ab sofort die Vorstellung, die Peinlichkeit könnte sich wiederholen. «Sobald jemand verunsichert ist, fokussiert er beim Vorspiel seine ganze Aufmerksamkeit auf den Penis», sagt der Psychotherapeut und Sexologe Ernst Frei aus Zürich. «Doch der Stress stört die Erregung und kann sogar die Erektion vollständig verhindern.» Um die Versagensängste abzubauen, sollten sich die Männer stärker ihrem Gegenüber widmen, über die Gefühle sprechen und nicht versuchen, den eigenen Körper ständig zu kontrollieren.

Manche Herren schieben Erektionsstörungen oder vorzeitigen Samenerguss auf einen unscheinbaren Penis. «Ein unzufriedener Mann gerät dann in einen Teufelskreis der sexuellen Funktionsstörung», sagt der Sexologe Ernst Frei, «eindeutig wegen des Stresses, der sich hochschaukelt, und natürlich nicht wegen der Grösse des Penis.» Viele Patienten hätten zudem völlig unrealistische Vorstellungen von den normalen Ausmassen des Gliedes, weil sie sich meist mit Pornodarstellern verglichen. Und bei erotischen Filmen blase der Kameramann das Geschlecht durch niedrige Brennweiten zusätzlich auf. Deshalb erteilt Frei allen Zweiflern als erste Hausaufgabe eine sorgfältige Massarbeit.

«In meiner Praxis hatte ich kürzlich einen Patienten mit einem 18 Zentimeter langen Penis, der aber trotzdem das Gefühl hatte, er sei viel zu klein», berichtet der Sexologe. Viele wissen
ausserdem nicht, dass es unterschiedliche Penistypen gibt: Die einen sind im schlaffen Zustand unscheinbar und schrumpelig, sobald jedoch die Erregung kommt, werden sie unerwartet stattlich; die anderen sind schon im Ruhezustand die reinste Banane, doch wenn sie steif werden, ist der Zuwachs in Zentimetern gering.

Falsche Informationen über die Dimension des Geschlechts verstärken die männlichen Sorgen. Und das Internet hat den Penis zu einem der grössten Werbeopfer gemacht. Auf dem Computerbildschirm stösst man zunehmend auf Versprechungen wie von www.mein-penis.com: «Sie können privat und diskret Ihren Penis um 2 bis 7 cm vergrössern. Und das gibt Ihnen mehr Männlichkeit, mehr Selbstvertrauen, mehr Erfolg bei Frauen!» Genervt über die Flut lästiger Spam-Mails, die mit diesem Thema reizen, doch gleichzeitig neugierig geworden, klickt so mancher Penisbesitzer die Site an. Dort erfährt er dann, dass der erigierte «Standardpenis» 21 bis 23 Zentimeter misst und die Kategorie «gross» erst ab 24 Zentimetern beginnt.

Vorzeitiger Samenerguss
Peinlicher Höhepunkt


Fast jeder dritte Mann zwischen 16 und 35 leidet unter vorzeitigem Samenerguss. Es gibt Übungen dagegen.


Für manche Männer wird der Orgasmus zur Katastrophe – wenn sie immer zu früh kommen. Fast jeder Dritte zwischen 16 und 35 Jahren leidet unter schnell schiessendem Samenerguss, der den Sex auf Sekunden oder wenige Minuten abkürzt, sodass der Geschlechtsverkehr – meist von der Frau – als unbefriedigend empfunden wird. Viele Herren wollen das Problem nicht wahrhaben. Werden sie befragt, stellen sie sich als standfester dar, als sie es in Wirklichkeit sind. Das gilt auch für Männer, die sich als gute Liebhaber fühlen. Bei einer Studie der Urologischen Klinik der Universität Köln gaben sexuell zufriedene Freiwillige im Alter von 25 bis 40 Jahren an, ungefähr 20 bis 30 Minuten nach Beginn des Sexualaktes zum Höhepunkt zu kommen; ihre Partnerinnen schätzten die Zeit auf 6 bis 12 Minuten. Gab man den Frauen eine Stoppuhr in die Hand, war die Ziellinie bereits nach drei Minuten überschritten. Die Kölner Ärzte machten den Versuch mit Männern, die unter vorzeitigem Samenerguss litten; erstaunlicherweise brauchten diese im Schnitt nur 29 Sekunden weniger als die sexuell zufriedenen.


Just der Stress wegen der kläglichen Performance im Bett verhindert die Lösung des Problems. «Aus lauter Versagensangst, die Frau nicht befriedigen zu können, klappt es dann erst recht nicht», sagt der Sexologe Ernst Frei aus Zürich. Um den nervösen Sinnestaumel zu bremsen, müsse sich der Patient seiner Gefühle bewusster werden, mit der Partnerin darüber sprechen, den Körper entspannen lernen und durch spezielle Übungen bei der Masturbation die Ejakulation hinauszögern. Verhindert der Gedanke an die Steuererklärung beim Sex vorzeitigen Erguss? «Diese Strategie finde ich schrecklich», sagt Frei. Immerhin gehe es beim Sex um etwas Lustvolles.

Wer mit dieser Information im Kopf dann ein Lineal an seinem besten Stück anlegt, erleidet einen Knacks im Selbstvertrauen. Die Internetseiten scheinen eine heimliche Befürchtung zu bestätigen: Die Schwänze der anderen sind viel imposanter. Just diese Beobachtung quält die Herren der Schöpfung seit Urzeiten, denn ein überdimensioniertes Membrum virile galt bereits bei Primitivvölkern als ein Symbol besonderer Fruchtbarkeit. Heute glauben viele Männer, der Körper sei erst sexy, wenn er mit einem üppigen Zipfel ausgestattet ist. Die Sorge um die Befriedigung der Frau steht wahrscheinlich sogar hintan, denn längst hat sich herumgesprochen, dass es beim Sex um Qualität und nicht um Quantität geht.

«Ich habe den Eindruck, dass es immer mehr werden, die zu mir wegen der Penisgrösse kommen», sagt der Urologe Michael Sohn vom Markus-Krankenhaus in Frankfurt. Die Patienten hätten ein «Reparaturdenken», als ob es um den Auspuff gehe, und liessen sich nicht beruhigen, selbst wenn die Masse des Gliedes im Normbereich lägen.

Diese oft irrationale Unzufriedenheit der Männer wird von einer florierenden «Peniswachstums-Industrie» bedient. Allein in den USA lassen sich schätzungsweise 10 000 Gentlemen pro Jahr ihre Männlichkeit mit Hilfe des Skalpells verlängern. Im Internet stösst der interessierte Kunde auf Pillen, Zugapparate, Zerrgymnastiken, Pumpen, Gewichte und sogar Hypnoseprogramme, die alle nur das eine versprechen. «Wissenschaftlich ist die Wirksamkeit keiner dieser Methoden bewiesen», warnt der Urologe Sohn. Er selber möchte jetzt eine Studie mit dem Zugapparat «Phallosan» beginnen, damit er vielleicht künftig seinen besorgten Patienten eine «sanfte Penisverlängerung» (Werbeslogan des Herstellers) anbieten kann. Durch eine Dehnung der Schwellkörperhülle lasse sich das Glied vielleicht verlängern, nach dem gleichen Prinzip wie die Tellerlippen bei einigen afrikanischen Stämmen. Bislang würden viele Ärzte diesen Wunsch der Männer nur belächeln und sie den Scharlatanen überlassen.

Und der Markt für die Penisvergrösserung muss, gemessen an den Hunderten von Anbietern, immens sein. Doch fragt man die Hersteller nach Stückzahlen ihrer Zauberwaffen oder dem Umsatz, will keiner die Hose herunterlassen. Die Scandinavian Clinic of Plastic Surgery in Kopenhagen hingegen wirbt gern mit Zahlen. Der freundliche Herr am Beratungstelefon schwärmt davon, dass sie europaweit die grösste Erfahrung hätten und der Eingriff in den letzten 13 Jahren rund 3500 Männer glücklicher gemacht habe. Der «Komplettpreis» für einen zwei bis drei Zentimeter längeren Schniepel liegt derzeit bei 5500 Euro inklusive Übernachtung.

Ein angesehener Schweizer Urologe, der seinen Namen im Zusammenhang mit diesem Thema nicht gedruckt sehen möchte, findet solche Operationen unseriös: «Der Chirurg durchtrennt die Aufhängebänder des Penis, und dann baumelt hinterher das steife Glied zwischen den Beinen und steht nicht mehr.» Diese Befürchtung findet der Urologe Hubert John vom Unispital Zürich übertrieben. Der Penis versteife sich lediglich etwas waagrechter. Mit einem solchen Eingriff rettet John etwa dreimal pro Jahr das Selbstwertgefühl verzweifelter Männer. «Solange das Glied für den Geschlechtsverkehr funktionstauglich ist, sollte man eigentlich gar nichts machen, doch manchmal gibt es Ausnahmen, wenn die Psyche völlig am Boden ist», sagt der Urologe. Dabei habe ein kürzer geratenes Exemplar auch einen bemerkenswerten Vorteil: «Der kann im Alter länger potent bleiben, weil für die Erektion weniger Blut benötigt wird.»

Seit den Fünfzigerjahren, als Alfred C. Kinsey, der Pionier der klinischen Sexologie in den USA, bei einem Kollektiv von 3500 Männern eine durchschnittliche Penislänge von 16 Zentimetern errechnet hat, werden immer wieder Messaktionen gestartet. Messen die Männer ihr Geschlecht selber, scheinen sie fast immer nach oben zu schummeln. So war das auch bei einer Untersuchung der Universitätsklinik Essen in Zusammenarbeit mit der Sexualaufklärungsinstitution Pro Familia an 111 Männern im Alter zwischen 18 und 19 Jahren. Als die Urologen dann das Lineal an den Ständer anlegten, fanden sie Werte zwischen 10 und 19 Zentimetern, mit einem Durchschnitt von 14,5 Zentimetern.

Selbst wenn Scharlatan-Peniswachstumspillen aus dem Internet, gewisse Zugapparate oder Streckmassagen zusätzliche Zentimeter bringen sollten, welchen Vorteil hätte das überhaupt? Ein Monsterpenis garantiert höchstens Erfolg im pornografischen Zirkus. Für den normalen Sex ist ein besonders grosser Pinsel eher störend, weil die Scheide der Frau sich zwar dehnt, aber eigentlich nur eine Tiefe von acht bis zehn Zentimetern hat. «Ein Mann mit kleinem Penis kann ein guter Liebhaber sein, weil die Empfindsamkeit der Frau sowieso hauptsächlich im äusseren Drittel und an der Klitoris liegt», sagt die Sexberaterin Eliane Schweitzer vom «Blick». Die Frauenärzte des Universitätsspitals im niederländischen Groningen befragten fast 200 junge Frauen über die Bedeutung der Penisgrösse. Als «sehr wichtig» stufte das nur ein Prozent der Befragten ein.

Prostata
Schwachpunkt des Mannes


Manchmal wird die Mannesdrüse zur Zeitbombe – wenn sich Krebs in ihr entwickelt.


«Zur Früherkennung von Prostatakrebs empfehlen wir allen Männern über 50 Jahren eine jährliche urologische Kontrolle, mit rektaler Untersuchung und der Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut», sagt Daniel Ackermann von der Schweizerischen Gesellschaft für Urologie. Wenn der Vater oder ein Bruder an Prostatakrebs erkrankt sei, sollten die Untersuchungen bereits ab 45 Jahren durchgeführt werden. Die Bestimmung des PSA ist umstritten, da rund 40 Prozent der Männer mit deutlich erhöhtem Wert keinen Krebs haben. Diese Männer werden verunsichert oder gar unnötigerweise operiert. Das bezeichnet Ackermann als «PSA-Terror». Bei Autopsien wurde festgestellt, dass die Prostata von fast der Hälfte aller Männer über 50 Jahren von Krebs befallen ist. Keiner hatte zu Lebzeiten davon gewusst oder war an dieser Erkrankung gestorben. Den Tumor zu ignorieren, scheint laut einer schwedischen Studie des Universitätsspitals in Uppsala nicht unbedingt eine gute Strategie zu sein. Patienten, die sich einer Prostataentfernung im Fall von beginnendem Krebs unterzogen, hatten eine Sterberate von 4,6 Prozent in einem Zeitraum von sechs Jahren; wurde der Tumor nur beobachtet, lag die Rate bei 8,9 Prozent. Allerdings litten 80 Prozent der Operierten unter sexueller Impotenz, in der Beobachtungsgruppe nur 45 Prozent.


«Alle Patienten sollten gut über die Konsequenzen einer Bestimmung des PSA aufgeklärt werden», sagt der Urologe Ackermann. Da viele Tumoren oft sehr langsam wüchsen, seien prinzipiell diagnostische und therapeutische Massnahmen nur dann indiziert, wenn die Lebenserwartung des Patienten noch über zehn Jahren liege.