Am Ende des langgezogenen Lac de Joux im morgendlichen Schatten ein kleiner Ort, Le Brassus. Hier findet die Akribie in monatelanger Prozedur zur Vollendung und die hat ihren Preis: Bis 940000 Fr. zu investieren, muss bereit sein, wer eine der Präziosen aus dem Waadtländer Jura am Handgelenk tragen will. Exklusivität hat eben ihren Preis. «Aber Exklusivität braucht eigentlich kein Mensch», sagt provokativ Marc Hayek, zündet sich eine Zigarette an und fährt fort: «Was macht es denn für Sinn, eine Drittwohnung an der Côte d'Azur zu besitzen, wenn man doch bloss an einem Ort zugegen ist?»

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Genauso verhalte es sich mit einer teuren Uhr. «Exklusive Uhren sind reiner Luxus, wie ein Picasso an der Wand, ein teures Auto, eine schneeweisse Yacht.» Der 34-Jährige lässt Rauch ab, legt die Zigarettenschachtel zur Seite und die Augen beschwörend in Schlitze. «Ich verkaufe keine Uhren, ich will mit anderen Menschen meine Passion teilen.»

Diese Begeisterung hat einen Namen: Blancpain. Seit drei Jahren ist Marc Hayek CEO der Traditionsmarke aus dem Vallée de Joux und damit Chef der ältesten Uhrenmanufaktur der Welt, die er, mit gebührendem Respekt versteht sich, gerne als «mein Baby» bezeichnet.

Blancpain, vor 270 Jahren gegründet, gehört inzwischen wie 19 andere namhafte Schweizer Uhrenhersteller (Rado, Omega, Longines, Certina usw.) zur Swatch-Gruppe. Und wer Swatch sagt, denkt unweigerlich an Hayek. Marc A. das A steht für Alexander entstammt der Ehe des Aargauer Industriellen Roland Weber mit Nayla Hayek, die ihrerseits die Tochter von Swatch-Mastermind Nicolas G. Hayek und Schwester von Konzernchef Nick Hayek ist. Nach der Scheidung der Eltern wuchs Marc Hayek bei den Grosseltern in Zürich auf, im Alter von zwölf Jahren nahm er auch deren Namen an. Ein Akt der Logik, wie er heute betont, irgendwie ein Akt der Verbundenheit auch.

Dem Grossvater schon früh über die Schultern geschaut

Wohlüberlegt, mit ruhiger Stimme, erzählt der einstmalige Schweizermeister im BMX-Radsport aus seinem Leben. Davon, wie er dem Grossvater bei dessen Tun früh schon über die Schultern geschaut und mit ihm das Wirtschaftsgeschehen diskutiert hat. Davon, wie er mit Heuen sein erstes Geld verdient hat, dass er in allen Lebenslagen lieber gegen einen guten Gegner verliert, als gegen einen schlechten gewinnt («So lernt man zumindest etwas»), und davon, was es bedeutet, ein Hayek zu sein.

Also: Fluch oder Segen? «Weder noch», schüttelt der mit einer Opernsängerin liierte Hayek den Kopf, «ich vermeide es ganz bewusst, meinen Namen einzusetzen, um ein Ziel zu erreichen.» Nie habe man ihn denn von Seiten der Familie dazu gedrängt, in die Fussstapfen des Grossvaters oder des Onkels zu treten. Im Gegenteil: Seine Erfahrungen habe er selber sammeln müssen, sammeln dürfen. Stets jedoch habe die Devise gelautet: Wenn du etwas anpackst, dann tue es richtig oder lass es grad ganz sein.

«Von der positiven Grundeinstellung her und dem Charakter nach bin ich ganz bestimmt ein Hayek», bemerkt er. Was die Extravaganzen anbelangt, mit denen vorab der Grossvater in Diensten des Konzerns auftritt, gibt sich Marc Hayek allerdings weit zurückhaltender. So trägt er auch nur eine einzige Uhr und nicht drei an jedem Handgelenk wie Swatch-Gründer Nicolas Hayek. Was ihn manchmal Kraft seiner aktuell zwei bemerkenswerten Ämter indes auch in die Bredouille bringt. Denn als Blancpain-Chef und Konzernleitungsmitglied von Swatch stellt sich die Frage, welche Uhr von welcher Marke zu welchem Anlass die richtige ist. Hayek lacht. «In Sachen Uhren bin ich überhaupt nicht monogam veranlagt; mal Swatch, mal Blancpain, das geht wunderbar.»

Hayek III. entschied sich nach der Schulzeit für ein Marketingstudium in den USA, wo er gelernt habe, was «positiver Wettbewerb» in der Praxis bedeutet. «Man versucht etwas, es klappt oder es klappt nicht, und wenn nicht, dann steht man halt wieder auf, putzt sich den Staub vom Rücken und macht weiter.» Amerika sei das Land der vielen Chancen, das Land der grossen Freiheit, in dem man den Respekt voreinander wahre; «man gewinnt auf Grund seiner eigenen Fähigkeiten und seines eigenen Willens, nicht auf Kosten des Anderen.»

Hayek zündet sich eine weitere Zigarette an («ein Laster aus dem WK»), atmet tief durch, lobt die Schweiz als Heimat und wünscht sich dennoch ein Quäntchen des amerikanischen Spirits in die Seele von Good old Europe: «Ein bisschen mehr Offenheit, Optimismus, Vorwärtsdrang würde uns gut anstehen.»

Jean-Claude Biver war der perfekte Lehrmeister

Nach seiner Rückkehr aus den USA heuerte der Marketingfachmann zuerst bei der Swatch-Gruppe an, um dann in Zürich in unmittelbarer Nähe zu den grossen Finanzinstituten ein Gastlokal nach seinen Vorstellungen zu eröffnen, mit Restaurant, Weinbar, Rauchersalon. Dass er nach drei Jahren bereits wieder seinen Abschied vom Gastgewerbe gab, schreibt Hayek zum einen seinem Wesenszug zu, der den Challenge über die Routine stellt, zum anderen dem Umstand, dass ihn der damalige Blancpain-Direktor Jean-Claude Biver als Marketingchef und Vizedirektor ins Tal der Luxuszeitmesser holte.

«Blancpain, eine Marke, die mich seit jungen Jahren fasziniert hat, da konnte ich einfach nicht Nein sagen», betont Marc Hayek ebenso aufrichtig wie werbewirksam zugleich, und fügt an, dass ihn bei Blancpain vor allem die Überschaubarkeit, die Tradition und die Philosophie beeindruck(t)en.

Unternehmer und Patron und nicht einfach nur Manager

Seit drei Jahren hat der 34-Jährige nun in Le Brassus das Sagen, gleichzeitig nimmt er Einsitz in der Gruppenleitung von Swatch, dem weltgrössten Uhrenkonzern. Als Manager will sich Marc Hayek dennoch nicht bezeichnet wissen; ein Zug, der ihm, seinem Grossvater und dem Onkel gemeinsam zu sein scheint. «Ich bin Unternehmer, sehe mich als Patron, identifiziere mich mit dem Betrieb, ich will Neues kreieren, Verantwortung übernehmen und führe das Unternehmen nach ganzheitlichen Prinzipien.»

Zu dieser Ganzheitlichkeit gehört die Präsenz vor Ort, die Repräsentation nach aussen, das Mitstudieren, das Diskutieren, dazu gehört für Hayek aber auch, dass er spürt, wenn bei einem seiner Mitarbeiter der Schuh drückt. «Wenn ich merke, dass jemand privat Probleme hat, dann gebe ich ihm lieber zwei Tage frei, damit er diese lösen kann, als dass er an der Arbeit nur halb bei der Sache ist und irgendwelche Ausreden erfinden muss.»

Sich selber bezeichnet Marc Hayek denn auch als verständnisvollen Zeitgenossen, der, wenn es sein muss, härtere Töne anzuschlagen im Stande ist. «Ich verlange von mir wie von meinem Umfeld gleichermassen Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit. Wer in unserem Sektor tätig ist, der kommt nicht mit halber Leistung ans Ziel», bemerkt der Motocross-Pilot und Südseetaucher mit Sinn für das Schöne und Exklusive, während sein Blick auf die Uhr am Handgelenk schweift ein Ewiger Kalender aus dem eigenen Hause natürlich. Der Zeiger geht gegen Mittag, bald ist der Tag über der Nebelgrenze zur Hälfte um.

So drängt sich zum Schluss die Frage auf, welche Bedeutung die Zeit für einen wie Marc Hayek überhaupt hat, der tagtäglich von Uhren, ihrer Ausstrahlung und ihrem Ticken umgeben ist. Der Blancpain-Chef drückt die Zigarette im Aschenbecher aus, überlegt kurz und offenbart gar philosophische Züge. «Zeit», setzt er zum Diskurs an, «Zeit ist das kostbarste Gut auf der Welt und grösstmöglicher Luxus. Zeit ist eine Urkraft, die man nicht manipulieren kann. Man kann sie nicht kaufen, kann sie nicht aufhalten. Zeit kann unerbittlich sein, wenn man beispielsweise Abschied von jemandem nehmen muss, Zeit ist aber auch zuvorkommend, denn sie heilt wirklich so manch eine Wunde.»



Der Umsteiger: Steckbrief

Name: Marc A. Hayek

Alter: 34

Funktion: CEO Blancpain SA, Le Brassus; Konzernleitungsmitglied Swatch-Gruppe, Biel

Familie: Ledig, in fester Beziehung

Wohnort: Bei Lausanne

Hobbys: Tauchen, Motorrad, Wein

Karriere

1990-1993 Studium in den USA

1994-1995 Swatch, Marketing

1995-1997 Certina, Marketing

1997-2001 Restaurant in Zürich

2001-2002 Blancpain SA, Marketingdirektor, Vizedirektor

Seit 2002 CEO Blancpain, Mitglied der erweiterten Swatch-KL

Seit 2005 Mitglied der Konzernleitung der Swatch-Gruppe

BLANCPAIN

Die 1735 von Jehan-Jacques gegründete Uhrenmanufaktur gehört seit 1992 zur Swatch-Gruppe. Blancpain ist mit ihren von Hand gefertigten, mechanischen Uhren der Linien Le Brassus, Villeret und Léman im Luxussegment angesiedelt; die Stückpreise reichen von 6000 Fr. bis 940000 Fr. Jährlich verlassen rund 10000 Uhren das Vallée de Joux. Blancpain erwirtschaftete im letzten Jahr einen Umsatz von rund 80 Mio Fr. und beschäftigt insgesamt 125 Personen, 48 davon als Uhrmacherinnen und Uhrmacher. Am Fertigungssitz in Le Brassus gehen diese seit Oktober ihrer Arbeit in äusserst stilvoll renovierten Ateliers nach.