Nebst vielen anderen Qualitäten hat Marcel Ospel auch ein gewisses Machtbewusstsein. Sonst hätte er es nie so weit gebracht», sagt der Unternehmer und SVP-Nationalrat Peter Spuhler, der seit einem Jahr im UBS-Verwaltungsrat sitzt. In der Tat: Die Karriere des im Kleinbasel aufgewachsenen Topbankers Ospel ist steil und verknüpft mit seinem Talent, Macht aufzubauen und diese auch zu erhalten.
Zuletzt demonstriert hat das Ospel, als Luqman Arnold im Nachgang zur unseligen Swissair-Pleite nach nur neun Monaten als operativer UBS-Chef gehen musste. Arnold war mit Ospels Rolle in der Tragödie im Herbst 2001 nicht einverstanden und ein grundsätzlicher Skeptiker des Nachfolgeprojekts Swiss.
Das Grounding der nationalen Airline war der bislang letzte Tiefpunkt in Marcel Ospels erfolgreicher Karriere. Seine unglückliche Kommunikation und sein Flug nach New York im Moment der Krise im eigenen Land, trug ihm harsche Kritik und einen bundesrätlichen Rüffel von Verkehrsminister Moritz Leuenberger ein. Erst Tage später trat der angeschossene UBS-Präsident unter Druck öffentlich im TV auf und entschuldigte sich «für meine zu wenig deutliche Kommunikation».
Doch mit Peter Wuffli als neuem Konzernchef der Grossbank ist zumindest nach aussen Ruhe eingekehrt. Unter dem «Power-Couple» (Bilanz) geht es der UBS heute blendend. Die Rollen der beiden, die ein sachliches, aufs Geschäftliche beschränktes Verhältnis pflegen, sind klar verteilt. Hier der Analytiker und eher spröd wirkende Wuffli für das Innere, dort der Charismatiker Ospel für das Äussere.
«Swiss-Cowboy»
Und doch scheint Ospel die öffentlichen Auftritte nicht sonderlich zu lieben. Er erachtet sie als Pflicht und ist jeweils froh, wenn sie vorbei sind. Diese Einschätzung teilt Walter von Wartburg, Inhaber der Corporate Reputation Management AG, Ex-Kommunikationschef bei Novartis und Bekannter von Ospel. «Und doch versteht er es, öffentlich eine gewisse staatsmännische Wirkung zu erzielen, was mich immer wieder erstaunt», so von Wartburg.
Tatsächlich gilt Ospel als besonnen, feinsinnig und kultiviert. Ein Mann der lauten Töne ist er nicht. Ospel ist jedoch der Mann der grossen Deals und integrierte erfolgreich die Häuser O'Connor, Brinson, S.G. Warburg sowie den US-Vermögensverwalter PaineWebber.
Der Umbau und der damit verbundene Stellenabbau nicht nur in der Schweiz, sondern nach der Warburg-Übernahme auch in London, trug ihm dort zwar den Ruf des «Swiss-Cowboy» ein. Doch sogar Mary-France Goy, Zentralsekretärin des Bankpersonalverbandes, sagt heute, dass der damalige Abbau unter Ospel «sauber und mit grosszügigen Sozialplänen über die Runden ging».
Nach Ansicht von Ospel hatte das Erdbeben im schweizerischen Finanzsektor zu Beginn der 90er Jahre die bisherigen Führungsprinzipien radikal in Frage gestellt. An Stelle des bedingungslosen Bilanzwachstums und Cashflow-Denkens sei eine führungsmässig klare Ausrichtung des Geschäfts auf die Kundenbedürfnisse und die Bewirtschaftung der Aktionärswerte getreten, schrieb Ospel Anfang Jahr in einem Artikel über «Leadership in einem weltweit tätigen Finanzinstitut».
Diesen Kulturwandel mitgeprägt haben Manager aus den internationalen Häusern, die dem Bankverein respektive der UBS einverleibt wurden. Der Präsident spricht heute von einer angelsächsischen Kultur im Unternehmen und meint damit nicht nur, dass die meisten Meetings in Englisch geführt werden. Disziplin und Durchhaltewillen gehören für den Banker zu den zentralen Führungsprinzipien. Belohnt wird, wer Leistung zeigt. Ospel ist ein Anhänger der Meritokratie. Auf die Frage, was ihn wirklich rasend mache, antwortete er vor ein paar Jahren in einem Interview: «Dr Versuech, welle zbschisse.»
Ospel selbst kann knallhart sein. Diesen Zug des Baslers musste etwa Roland Rasi 1996 auf dem Weg an die Bankspitze erfahren. Ospel war gerade seit wenigen Wochen neuer Bankverein-CEO, als er Rasi kaltstellte und dieser das Unternehmen verliess. Ein anderer früherer Mitarbeiter aus jener Zeit beim Bankverein bestätigt, dass es «in jeder Position sehr unangenehm werden kann, wenn man es sich mit Herrn Ospel verdirbt. Auf mich wirkte er damals sehr unberechenbar, was viele Entscheide umso härter erscheinen liess», so der Ex-Bankverein-Manager.
Ein treuer Verwaltungsrat
Marcel Ospel denkt sehr langfristig und visionär, entscheidet dann aber plötzlich doch intuitiv und schnell, wenn er Chancen im Interesse des Konzerns sieht. Zu seinem langfristigen, strategischen Denken gehört, dass er als vollamtlicher VR-Präsident der UBS zwar sehr wohl operativ Einfluss nimmt, aber ausserhalb der Bank keine weiteren Mandate wahrnimmt.
UBS-VR Peter Spuhler sagt, dass Ospel keineswegs der kalt berechnende Technokrat sei, als der er gerne dargestellt werde. «Herr Ospel ist ein guter Zuhörer, der an den VR-Sitzungen die anderen auch reden lässt, sich dann prononciert äussert, kritikfähig ist und sich auch überzeugen lässt», so Spuhler.
Für Ospel selbst bedeutet ein Mangel an Auseinandersetzung und Meinungsvielfalt im Management eine der grössten Gefahren. Gerade Wachstumsphasen seien immer mit einem gewissen Mass an Spannung und Debatten verbunden.
Zur optimalen Teamzusammensetzung sagt der Topbanker: «Das Spitzenkader muss stets mit den klügsten und besten Köpfen ergänzt werden und nicht unbedingt mit jenen, die am besten ins Team passen. Dadurch wird zwar die Harmonie gestört. Aber dieser Nachteil ist unbedeutend, verglichen mit der dadurch erworbenen Fähigkeit, Grenzen zu sprengen.»
Marcel Ospels Führungsprinzipien
1. Den analytischen Ansatz kombinieren mit dem Instinkt, Chancen rasch wahrzunehmen.
2. Eine attraktive langfristige Vision.
3. Balance zwischen Kontinuität und Erneuerung im Management.
4. Nach Akquisitionen den Zustrom von Fähigkeiten willkommen heissen, fördern und in die Unternehmenskultur einbeziehen.
5. Die gewählte Firmenstrategie im Führungsteam intensiv diskutieren, dann kompromisslos umsetzen.
Zur Person
Marcel Ospel (55) absolvierte nach der Banklehre die HWV und arbeitete bis 1984 beim Schweizerischen Bankverein. Dann wechselte er für drei Jahre als Managing Director zur US-Bank Merrill Lynch und kehrte 1987 zurück zum Bankverein. 1996 wurde er Konzernchef, Ende 1997 Chef der fusionierten UBS und 2001 deren vollamtlicher VR-Präsident. Ospel wohnt nach wie vor in der Stadt Basel und gehört zu den Wirtschaftsführern, die sich regelmässig auch politisch äussern. Aus erster Ehe hat er einen Sohn und eine Tochter, aus zweiter Ehe einen Sohn. Er ist mit der 29-jährigen Ökonomin Adriana Bodmer liiert.