Die Swiss Life wird die Banca del Gottardo nicht verkaufen. Können Sie jetzt wieder durchstarten?
Marco Netzer: Wir waren zwei Jahre am Verkaufsprozess beteiligt. Für die Mitarbeiter und Kunden ist es wichtig, dass die Sicherheit zurückgekehrt ist. Wir sind stolz darauf, dass wir kaum Kunden verloren haben.
Aber wie geht es weiter? Was nützt die Swiss Life der Banca del Gottardo?
Netzer: Zuerst vorweg: Die Bank ist ohne Swiss Life gross geworden. Sie kaufte die Bank im Rahmen einer klaren Strategie. Heute sind wir für die Swiss Life eine viel versprechende und profitable Beteiligung. Die Versicherung besitzt ein verzweigtes Netzwerk in einem interessanten Sektor. Es gibt Berührungspunkte, die wir vertiefen wollen.
Konkret?
Netzer: Wir wollen aus unserer Partnerschaft für die Kunden und die beiden Firmen das Beste herausholen. Für konkrete Aussagen ist es aber noch zu früh. Die Zeit der grossen Visionen ist vorbei. Wir werden die Öffentlichkeit informieren, wenn wir konkrete Projekte haben. Wir machen uns aber keine Illusionen. Allfinanz wird es zumindest in der nahen Zukunft nicht mehr geben. Doch mit unseren Bankkenntnissen können wir für die Swiss Life nützlich sein. Das Gleiche gilt umgekehrt. Zudem ist die Banca del Gottardo wieder sehr rentabel.
Arbeiten Sie an gemeinsamen Dienstleistungen und Produkten?
Netzer: Wir werden kaum Allfinanzprodukte kreieren. Wir können uns aber gegenseitig Kunden oder Produkte vermitteln. Es gibt Versicherungskunden, die Bankprodukte brauchen und umgekehrt.
Also Cross-Selling?
Netzer: In der Schweiz ja, im Ausland ist dies jedoch eher unwahrscheinlich.
Das tönt für uns, als ob die Swiss Life und die Banca del Gottardo krampfhaft Anknüpfungspunkte suchten. Dabei könnten die beiden Firmen genauso gut mit anderen Partnern zusammenarbeiten, vielleicht wäre das sogar günstiger.
Netzer: Viele haben die Banca del Gottardo als unverkäufliches Institut abgekanzelt. Es stimmt aber nicht, dass die Bank bei Swiss Life bleibt, weil kein Käufer gefunden werden konnte. Der Bank geht es gut, und die Beziehungen zum Mutterhaus sind auf allen Stufen konstruktiv und förderlich. Nun werden wir Synergien schöpfen. Es wird aber keine revolutionären Projekte geben. Schauen Sie die Grossbanken an: Sie besitzen ebenfalls Privatbanken, die unabhängig agieren. Der Rahmen der Swiss Life erlaubt dieselbe Partnerschaft.
Die Bank bleibt bei Swiss Life?
Netzer: Ja.
Auch in drei Jahren und später noch, wenn nach einem allfälligen Verkauf der Gottardo nicht mehr die Hälfte des Gewinns dem Sicherheitsfonds der Swiss-Life-Versicherten zufliessen würde?
Netzer: Aus heutiger Sicht ja. Wir arbeiten an einer festen Partnerschaft. Davon wollen und müssen wir nun die Kunden überzeugen.
Aber angenommen, Ihre Bank will ein anderes Institut übernehmen. Dieses schreckt vielleicht zurück, weil es an den langfristigen Besitzverhältnissen zweifelt.
Netzer: Wir müssen beweisen, dass wir zusammengehören. Wenn das einmal sitzt, können wir uns allen möglichen Geschäften zuwenden.
Würden Sie überhaupt andere Banken übernehmen?
Netzer: Günstige Gelegenheiten würden wir ergreifen. Wir sind auf Expansionskurs.
Das heisst auch, dass die Geschäfte wieder gut laufen.
Netzer: Das erste Drittel des Jahres war weit besser als budgetiert. Die Rahmenbedingungen haben sich verändert: So haben wir beispielsweise zwei italienische Steueramnestien durchgemacht, andererseits haben wir in Italien unsere Präsenz verstärkt. Wir werden noch in diesem Jahr in Treviso und Rom die vierte und fünfte Niederlassung im Land eröffnen.
Trotzdem waren die Amnestien ein schwerer Schlag für das Tessin.
Netzer: Es ist immer schmerzhaft, verwaltete Vermögen zu verlieren. Andererseits hatten wir auch Glück: Unabhängig von der Amnestie haben wir in Italien eine Tochtergesellschaft gegründet. Die beiden Amnestien hatten einen Bruttoabfluss von 4 Mrd Fr. zur Folge. Rund 40% oder 1,5 Mrd des Geldes konnten wir in den italienischen Filialen auffangen. Und ohnehin leben wir nicht nur von italienischen Kunden. Bei unseren Banken haben sie einen Anteil von rund 35%.
Viele ausländische Vermögensverwalter zieht es nach Italien. Entsteht langsam ein Gedränge?
Netzer: Obwohl der Wettbewerb intensiv ist, ist der Markt noch nicht ausgereizt. Und ohnehin sind gar nicht so viele Banken in Italien tätig. Es gibt höchstens zwanzig Institute, die das Private Banking auf Schweizer Art betreiben. Die einheimischen Banken haben relativ viel Geld in dieses Geschäft investiert. Sie haben aber grundsätzlich nur die Kunden segmentiert und ihnen einige zusätzliche Dienstleistungen zur Verfügung gestellt. Leistungsmässig liegen sie immer noch zurück. Um die Schweizer Banken aufzuholen, müssen sie noch einen weiten Weg gehen. Zudem sind es Grossunternehmen. Die Schweizer Institute - einschliesslich der UBS und der Credit Suisse - sind in Italien dagegen Nischenanbieter. Wir verstehen das Geschäft, wir investieren und wir haben eine Tradition. Das ist eine Chance, umso mehr, als man unsere Bank in Italien gut kennt.
Das haben andere Schweizer Banken auch schon behauptet. Trotzdem mussten sie einen Rückzieher machen.
Netzer: Bereits vor Jahrzehnten haben wir das italienische Offshore-Geschäft aufgebaut. In diesem Bereich gehören wir zu den fünf bekanntesten Namen. An unserer italienischen Tochtergesellschaft sind wir mit rund 70% beteiligt. Die übrigen Aktien gehören italienischen Unternehmern. Das hat uns erlaubt, rasch Glaubwürdigkeit zu schaffen und gute Mitarbeiter anzustellen. Der Bekanntheitsgrad der Bank beim Zielpublikum in Oberitalien beträgt 54%.
In Hongkong hat die Banca del Gottardo die Filiale geschlossen. Bei anderen Banken boomt das Asiengeschäft. War die Schliessung ein Fehler?
Netzer: Nach der Krise an den Finanzmärkten haben wir uns entschieden, unsere Kräfte zu kon-zentrieren. Als mittelgrosse Bank müssen wir Prioritäten setzen. Es war also kein Entscheid gegen Hongkong, sondern ein Entscheid für unsere Kernmärkte in Europa. Zudem waren wir relativ spät in Asien tätig geworden. Um die Gewinnschwelle zu erreichen, hätten wir massiv investieren müssen.
Werden Sie auf den Entscheid zurückkommen?
Netzer: Die Frage werden wir unter Berücksichtigung unserer langfristigen Strategie einer detaillierten Prüfung unterziehen.
Dafür investiert die Banca del Gottardo in die Pariser Bank Oudart. Viele Ihrer Konkurrenten schrecken davor zurück: Sie glauben, dass man das Onshore-Geschäft in einem grossen Land wie Frankreich mit einem Stützpunkt nicht rentabel betreiben könne.
Netzer: Wir wollen diversifizieren. Im Jahr 2001 waren noch 85% unseres Private-Banking-Geschäfts offshore. Heute sind es 65%. Frankreich ist einer unserer wichtigsten Märkte. Wir werden dort aber nie eine grosse Nummer sein. Wir wollen unser Know-how exportieren. Zudem ist die Bank Oudart profitabel. Das Institut ist ein Familienunternehmen und in Paris stark verankert. Seit Jahren arbeiten wir mit Oudart zusammen. Die Familie hat uns als neuen Aktionär ausgewählt. Wir besitzen bereits 40% und werden nun auch den Rest übernehmen.
Wird die Banca del Gottardo in weitere Länder expandieren?
Netzer: Spanien ist eine Möglichkeit; hier treffen wir zurzeit
die notwendigen Vorbereitungen. Unsere Bank ist hauptsächlich nach Zentral- und Südeuropa ausgerichtet, wobei der Süden für uns im Norden der Schweiz beginnt. Wir haben nämlich auch in der deutschen Schweiz Chancen. Unser Geschäftsanteil ist hier zu Lande in den letzten drei Jahren stark gestiegen.
Als Deutschschweizer müssen wir
Sie aber enttäuschen: Man kennt die Banca del Gottardo in der Deutschschweiz nur wenig.
Netzer: Es gibt noch Platz in der Deutschschweiz. Denn wie viele Privatbanken gibt es, die ihren Privatkunden als Ergänzung zum Vermögensverwaltungsgeschäft Hypotheken, Firmenkredite, Leasing, E-Banking und Vorsorgeprodukte anbieten? Viele sind es nicht. Die Banca del Gottardo gehört dazu. Das ist unsere Chance.
Kann man im Aargau einen Kredit von der Privatbank Banca del Gottardo bekommen?
Netzer: Ja - in Verbindung mit einer Vermögensverwaltungsbeziehung. Im Kreditgeschäft sind wir im Tessin sehr aktiv. Lokal gesehen sind wir auch ein Kreditinstitut. Dieses Know-how können wir auch ausserhalb des Tessins anbieten, und zwar zur Verstärkung der bestehenden Kundenbeziehungen oder als Unterstützung im Bereich der Kundenakquisition.
Schon andere kantonal verankerte Banken haben ihr Marktgebiet verlassen. Die Folge waren nicht selten grosse Verluste.
Netzer: Einspruch! Wir haben nicht das geografische Know-how, aber das fachliche. Im Tessin sind wir einer der grössten Kreditgeber für KMU. Wir sind bereit, bestehenden Kunden auch in der Deutschschweiz KMU-Kredite und Hypotheken zu vergeben. Selbstverständlich werden wir nicht die Kantonalbanken konkurrenzieren.