Ein Querschlitz fiel weg – und schon war die Technologiegeschichte wieder auf dem neuesten Stand. Wenn Therese Naef vom jüngsten Wurf ihrer Firma spricht, dann nennt sie die stilisierte Abbildung eines mobilen Computers als eine der schönsten Wandlungen. Naef, CEO der Thalwiler Industriedesignfirma Milani Design & Consulting, hat zusammen mit Managing Partner Britta Pukall die rund 260 Piktogramme der SBB einem Facelifting unterzogen. «Heute sind es Laptops, Floppydisk-Laufwerke gibt es schon lange nicht mehr», sagt Naef. «Indem wir das wegliessen, konnten wir dieses Piktogramm modernisieren.»

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Nicht immer ist es so einfach, sagt Britta Pukall, denn immerhin gibt es eine Menge Anforderungen an die stilisierte Zeichensprache: «Piktogramme müssen von Betrachtern jeder Kultur in kurzer Zeit verstanden werden. Komplexe Inhalte sollen einfach dargestellt werden, sie müssen grafisch klar erkenntlich alle aus der gleichen Familie stammen.» Dazu hat die Kreativschmiede Milani, die seit 2002 von Naef und Pukall geführt wird und 15 Mitarbeiter beschäftigt, die Piktogramme der Bundesbähnler kategorisiert, teilweise modernisiert und neu gestaltet.

Die Aufgabe ist Teil eines grösseren Auftrags der SBB. In enger Zusammenarbeit mit dem Hersteller Bombardier gestaltete die frauengeführte Firma die neue Generation der Doppelstockzüge, dazu gehören neben dem Material- und Farbkonzept, der Aussengrafik und der Sitzgestaltung auch die Signaletik. Jene kleinen Zeichen also, die für in- und ausländische öV-Benutzer als ikonische Anker im Alltag dienen.

Anpassungsbedarf 

«Piktogramme sind eine Verkürzung der Realität», sagt Peter Zürcher, Leiter Corporate Design bei den SBB. Dass man die Piktogramme auf dieses Jahr hin einer Generalüberholung unterzog, hat mit ästhetischen Gründen zu tun. Aber auch mit politischen, erklärt Zürcher. Wenn ein Schweizer Zug über die Grenze fährt, müssen die Piktogramme neuerdings europäischen Normen entsprechen. «Die Notfall-Signaletik etwa muss zwingend grün ausgeschildert werden, für den Rollstuhl beispielsweise gibt es ein europaweites Piktogramm, das übernommen werden muss.»

Piktogramme sind mehr als die blosse Reduzierung von Vorgängen und Funktionen, sagt Pascal Geissbühler, Creative Director der Zürcher Markenagentur Branders: «Orientierung schaffen gehört zu den Grundfunktionen der Marke; dazu sind Piktogramme gerade für Brands, die stark in der Öffentlichkeit stehen, durchaus typische und differenzierende Elemente des Markenauftritts.» Wobei sich für den einzelnen Brand allerdings auch eine Herausforderung ergibt. Einerseits, sagt Geissbühler, wolle sich jede Marke in ihrem Auftritt einzigartig zeigen, andererseits funktionierten Piktogramme als generelles Verständigungssystem. «Das ergibt ein Spannungsfeld mit dem Anspruch der Marke auf Differenzierung und Eigenständigkeit.»

Aufgefrischt: Auf dem Handy-Piktogramm prangt nun ein modernes Smartphone (l.). Floppydisk-PCs haben ausgedient - derzeit sind Laptops und Smartphones en vogue.

Vereinfacht gesagt: Wer zur Allgemeinheit spricht und Vorgänge über ein ganzes System bildlich darstellt, wird dabei eventuell eher als Erklärer denn als Markenartikler wahrgenommen. Therese Naef kennt diese Schwierigkeit. «Piktogramme müssen einerseits allgemeingültig sein – und andererseits auch für eine Marke stehen.» Dass die blau-weisse Signaletik für die SBB stehe, sei der Bevölkerung aber klar. In den Grundzügen stammen die stilisierten Hinweise aus dem Jahr 1982. Die Bildsprache der SBB-Piktogramme – in RAL 5002, so der Fachcode für das verwendete Blau – ist als Marke geschützt.

Naef und Pukall sind keine Novizinnen punkto Piktogrammen. Aus ihrer Küche stammen stilisierte Bildzeichnungen für Hotelzimmer-Lichtsteuerungen. Derzeit machen sich die Spezialistinnen an neue Icons für Steamer und Backöfen. Im Medtech-Bereich kreierten sie zentimeterkleine Anleitungen für den Gebrauch von Beatmungsgeräten und Brustpumpen. Um neue Piktogramme zu entwerfen, sagt Pukall, müsse man zunächst «die DNA, das strategische Markenprofil der Firma, erforschen, sich damit den Look und Feel der Kommunikation aneignen und die Kunden kennen». Dann erst geht es an die Feinarbeit: Ersten Handskizzen folgt die Arbeit am Computer, immer begleitet vom Wissen, dass Piktogramme «manchmal komplizierte Abläufe grafisch reduzieren, dabei aber immer sprach- und kulturneutral funktionieren müssen».

Problemfeld Körper 

Richtig knifflig wird es, wenn komplexe Vorgänge, die im Körperinnern stattfinden, auf Geräten stilisiert dargestellt werden müssen. Wie etwa im Falle eines Implantats des Schweizer Start-ups Sequana Medical, das Flüssigkeit vom Bauchraum in die Blase leitet. Der Patient muss das Implantat selber mit einem Gerät aufladen, was gleichzeitig den Datenaustausch gewährleistet. Soll das Piktogramm eher das Implantat oder die Flüssigkeit auf ihrem Weg zeigen? Bei Milani entschied man sich für das Implantat, sagt Therese Naef, «weil es auf diese Weise am logischsten und verständlichsten war».

Etwas weniger trickreich war die Auffrischung eines SBB-Piktogramms, das in kurzer Zeit in die Jahre gekommen ist. Das stilisierte Handy war in der letzten Abbildung noch mit Antenne ausgerüstet und stammte mit seinen Tasten und dem kleinen Bildschirm erkenntlich aus dem vergangenen Jahrzehnt. Naef und Pukall räumten damit auf; jetzt zeigt sich das Icon als Smartphone, wie es Schweizer zu Tausenden im Zug benutzen. Einem iPhone vielleicht etwas sehr ähnlich? Naef verneint: «Runde Ecken, grosser Bildschirm und Home-Button – das ist heute ein generischer Look für ein Smartphone allgemein.» Und ein Glücksfall für Pikto-Designer.