Dass jede Medaille zwei Seiten hat, trifft auch auf das Profil eines Unternehmens zu. Je eindeutiger das Profil ist, desto schwerer gestaltet sich die Anpassung an einen sich wandelnden Markt.
Der Kamera- und Optik-Hersteller Leica hat das in den letzten Jahren besonders zu spüren bekommen. Seine Geräte stehen für Langlebigkeit und Qualität. Dem einstigen Revolutionär in der Kamera-Branche haftet heute das Image eines vorsichtig Konservativen an, der nur träge auf Innovationen reagiert. Das hatte in den letzten Jahren fatale Folgen: Zwar konnte sich Leica auf dem Gebiet der Sportoptik halten. Doch im Kamera-Bereich sind die Umsätze weltweit zurückgegangen. Für das Geschäftsjahr 2004/2005 erwartet das Unternehmen einen operativen Verlust von 12,8 Mio Euro.
Wenn von den Gründen der Krise gesprochen wird, heisst es allgemein, Leica habe ganz einfach die Digitalisierung verpasst. «Stimmt so nicht», entgegnet Leica-Sprecher Gero Furchheim der Kritik. Schon seit Mitte der 90er Jahre habe sich Leica mit digitaler Technik beschäftigt.
Weshalb Leica nicht schon früh auf den Zug aufgesprungen ist, wird damit begründet, dass die digitale Technik ganz einfach den Anforderungen, die Leica an eine Kamera stellte, hinterherhinkte. Die Standards, die durch Leica-Optik gesetzt worden sind, konnten die Pixel-Bilder lange Zeit nicht erfüllen. «Es machte für uns deshalb keinen Sinn, ins Pixel-Rennen einzusteigen, solange die Technik nicht unsere Werte erfüllte.» Das Unternehmen stolperte also sozusagen über die eigene hohe Messlatte und verpasste bei der Digitalisierung der Fotografie den Marktanschluss.
Stichtag 31. Mai
Der Schweizer Unternehmensberater und Sanierer Josef Spichtig, der am 18. April die Führung bei Leica übernommen hat, soll das Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen führen. Am 31. Mai 2005 will Spichtig bei einer ausserordentlichen Generalversammlung seine Strategie vorstellen.
Zentral ist die Markteinführung neuer Kameras, die analoge und digitale Technik in einem Fotosystem verbinden. «Bei den Spiegelreflexkameras haben wir das schon erreicht. Nun ist dies auch bei den Messkameras geplant», sagt Furchheim.
Um aber die Rückkehr des Klassikers feiern zu können, ist mehr nötig als neue Produkte. «Leica muss sexy werden», bringt es Olivier Bachmann, Marketing- und Verkaufsleiter von Leica Schweiz, auf den Punkt. Es gehe darum, nicht mehr nur die Qualität in den Vordergrund zu stellen, sondern über die Geschichte, über den Mythos eine nicht nur eingeschworene, sondern auch breite Leica-Community zu schaffen. Leica soll zu einem nota bene teuren, aber auch hochwertigen Freizeitvergnügen werden. Eine Leica zu besitzen, so Bachmann, soll genau so viel Spass machen wie an einem iPod zu hängen. Dazu müsse sich Leica vom produkt- zum marktorientierten Unternehmen wandeln.
Es drängt sich also ein Marketing auf, das ans Lebensgefühl der potenziellen Käuferschaft rührt. Das traut Furchheim Leica durchaus zu. Denn der Klang der Marke Leica ruhe auf zwei Säulen: Zum einen sei es die Präzision der Mechanik, zum andern sei es die besondere Form des Sehens, die Leica ausmache. Gerade Letzteres soll zur zentralen Werbebotschaft werden: Das Erlebnis der bewussten Wahrnehmung; denn mit einer Leica zu fotografieren, ist noch immer eine Herausforderung, die zuweilen gar Profis überfordert. «Jüngere Profifotografen trauen sich teilweise gar nicht mehr zu, mit einer Leica umzugehen», erklärt die Zürcher Fotografin Pia Zanetti, die ihre Leica zwar hütet wie einen besonderen Schatz, auf ihre Reportagen jedoch inzwischen anderes Gerät mitnimmt.
Doch gerade die Profifotografen beziehungsweise ihr Îuvre spielen eine gewichtige Rolle bei der Vermarktung. Sie sind die Image-Multiplikatoren von Leica. Kein Wunder also, verteidigt Bachmann die Leica auch für den professionellen Einsatz: «Wer sich auf einem hart umkämpften Markt abheben will, muss sich auch durch das Besondere auszeichnen, wozu eine Leica-Kamera beitragen kann.» Tatsächlich ist die Leica noch immer jene Kamera, die punkto Lichtstärke und Schärfe alle anderen schlägt, was für einzelne Fotografen entscheidend für die Kamerawahl ist.
Das höchste der Gefühle für Analog-Aficionados
Nebst der Kommunikation wird Leica auch verstärkt auf den selektiven Vertriebskanal setzen. Den Leica-Shop nach dem Vorbild von Apple oder Swatch wird es nicht geben. Doch will Leica auf ausgesuchte Fachgeschäfte setzen, in denen die Leica-Botschaft auch richtig transportiert wird. «Das gibt auch dem Fachhandel neuen Auftrieb», glaubt Bachmann. Beim deutschen Fotoindustrieverband glaubt man an das Revival des Rolls-Royce unter den Kameras auch im analogen Bereich; ein Nischenprodukt für das besondere Lebensgefühl, für das man dann auch gerne so richtig «blutet».
Veranstaltungshinweis
Ausbilder-Forum
Die Balance zwischen Beruf und Freizeit ist das Credo aller, ein Akt, der aber längst nicht immer gelingt. «Lebensqualität durch Selbstmanagement» heisst deshalb auch das Motto des 2. Ausbilder-Forums am Donnerstag, 2. Juni 2005, in Burgdorf. Veranstalter sind die Schweizerische Kader-Organisation (SKO) und der ausbilderverband.ch.
Auskunft und Anmeldung:
Schweizerische Kader-Organisation SKO, Tel. 041 220 29 29