Eingestiegen ist er damals in Barcelona. Kataloniens Hauptstadt boomte, der Markt war bereits vollkommen dereguliert, «dort ging die Post ab», erinnert er sich. Auch an die Lebensumstände jener Zeit denkt er gerne zurück: «Neun Uhr abends in die Oper, danach zum Diner ...»

Seit seinem Einstieg bei der Zürich entwickelte sich Markus Honglers Karriere sehr dynamisch, an sehr unterschiedlichen Positionen, nicht klassisch und nicht so gradlinig, wie es auf den ersten Blick aussieht, auch nicht im Fahrwasser eines Mentors, sondern so, dass er das Unternehmen in all seinen Facetten kennen lernte: «Immer wenn ich meine Aufgabe erfüllt hatte und reif war für einen Wechsel, kam das Unternehmen und eröffnete mir eine neue Chance», erzählt er, «und jedes Mal war die neue Aufgabe eine Schuhnummer zu gross, und ich konnte reinwachsen, mit der Hilfe von überzeugenden Chefs.»

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Und wenn für den nächsten Karriereschritt eine Ausbildung nötig war, dann half der Arbeitgeber mit, diese möglich zu machen. Kein Wunder, entwickelte er eine Firmentreue wie sie im Prospekt steht. «Die Zürich hat mir immer einen Hafen gegeben», sagt er, «sie hat mich dem Markt ausgesetzt und gleichzeitig gefördert.»

Fördern und Fordern

So, wie es ihm ergangen ist, will er es auch mit seinen Mitarbeitenden halten: seine Mitarbeiter fördern und fordern. Den Führungsstil, den er im Laufe seines Werdeganges entwickelt hat, kommuniziert er auch an seine Sous-Chefs klar und deutlich: «Ehrlichkeit und Transparenz sind mir wichtig.» Eine Führungsperson, glaubt Hongler, muss Selbstkritik zulassen, darf nicht dogmatisch führen, sondern sie soll sich hinterfragen lassen und bereit sein, andere Optionen anzuschauen. «Ich habe das immer so erlebt und führe selber auch so: Ehrlich, gradlinig.»

Was er nicht mag, sind Leute, die krasse Ansichten dogmatisch durchsetzen. Und damit er selber nicht in Gefahr kommt, patriarchalisch zu führen, legt er viel Wert auf Feedback. «Wir haben das Feedback zwar im Zielvereinbarungsprozess eingebunden und institutionalisiert, was mir aber viel wichtiger ist, das ist das spontane Feedback. Meine Türen sind offen. Oft kommen Kollegen zu mir ins Büro und wir besprechen die Dinge sofort. Das ist bereichernd. Vier Augen sehen mehr als zwei.»

Nun sind einige der Schweizer Versicherer nach einer Phase der Fusionen und Restrukturierung so aufgestellt, dass sie in einem Markt, der nur sehr langsam wächst, überdurchschnittliches Wachstum erreichen wollen und müssen. Das macht das Führen nicht einfacher. «Wir haben ein sehr kompetitives Umfeld», sagt Markus Hongler, «wir wollen profitabler sein als das Umfeld, schneller wachsen als der Markt und unsere Kunden noch besser bedienen.»

Wie geht er dabei mit so genannten Underperformern um, mit Leuten, die dieses Tempo nicht mithalten? «Wir suchen das klärende Gespräch», sagt er. «Wir suchen, woran es liegt, wenn jemand die Leistung nicht bringt. Hat er ein Formtief? Braucht er zusätzliche Ausbildung? Wir definieren die Ziele neu, fassen eventuell eine Neupositionierung ins Auge, eine Weiterbildung, aber wenn alles nichts hilft, muss man sich trennen. Alles andere wäre unfair gegenüber jenen Mitarbeitenden, die voll dabei sind.»

Seit Anfang Jahr ist Markus Hongler nun CEO der Zürich Schweiz. Das Führen eines solchen Bereiches ist einerseits hauptverantwortliche Knochenarbeit, andererseits ist man doch eingebunden in einen Weltkonzern. Viele Funktionen werden zentral gesteuert, so zum Beispiel die HR-Prozesse, die Finanzprozesse, das Investmentmanagement.

Den einzelnen Ländern bleibt aber doch die Freiheit, eigene Produkte zu entwickeln und am Markt zu testen. Allerdings nur «approved», das heisst versehen mit dem Gütesiegel der Fachfunktion am Konzernhauptsitz. Das macht Honglers Job zu einem Wechselspiel von Führung und Teamplaying. Eine ideale Mischung für ihn: «Wir nutzen die Kraft der Gruppe und setzen sie lokal ein.

Dabei hat das Versicherungsgeschäft für ihn in all den Jahren bei der Zurich kein Bisschen an Faszination verloren. «Versicherungen», sagt er, «sind ein menschenintensives Geschäft mit vielen Unbekannten. Sie handeln mit der Verteilung von Risiko und brauchen dafür viel Wissen und Kapital. Und es ist dann ein sehr intensives Geschäft, wenn der Kunde sie braucht, wenn er im Stress ist, wenn etwas eingetreten ist, was ihn aus der Bahn wirft.»

«Vertrauen herstellen», sagt Markus Hongler, «ist immer dann einfach, wenn der Versicherte einen Schaden hat und von der Versicherung die versprochenen Leistungen bekommt. Dann sieht er, dass das Vertrauen gerechtfertigt war. Schwieriger ist es, wenn noch kein Schaden da ist. Dann müssen sie zeigen, dass der Brand seinen Namen wert ist, sie müssen Transparenz über die Geschäftstätigkeit herstellen, die Resultate aufzeigen, die Performance an der Börse.»

Dieses Geschäft fasziniert ihn noch heute, und würden wir nun nicht das Thema wechseln, würden der Fotograf und der Journalist wohl mit neuen Versicherungspolicen das Haus verlassen.

Was treibt den Menschen Markus Hongler an? «Neugier», kommt es wie aus der Pistole geschossen. «Neugier auf andere Menschen, andere Kulturen.» Seine Karriere hat ihn um den halben Globus geführt, und immer war er fasziniert von den Bräuchen und Gewohnheiten der Menschen in diesen Ländern, vor allem in den lateinischen Ländern, aber auch im Norden oder im Maghreb. «Fremdes Essen, fremdes Denken ausprobieren und verstehen, das finde ich spannend.» Manche Freundschaft ist so im Laufe der Jahre entstanden, und wollte Hongler all seine Freunde besuchen, müsste er wohl eine Weltreise antreten.

Opernfan und Bildersammler

Kommt er in eine fremde Stadt, dann besorgt er sich am nächsten Kiosk zuerst einen Veranstaltungskalender und checkt das Angebot des lokalen Opernhauses und dasjenige der Galerien. «In einer Oper kann ich abheben», schwärmt er, «da läuft es mir manchmal kalt und heiss den Rücken hinunter und die Haare kräuseln sich auf der Haut.» Ob er selber singt? «Nein, nicht mal unter der Dusche. Das können andere viel besser.»

Seine zweite Leidenschaft lässt sich nicht übersehen. In seinem Büro hängen sechs grosse, abstrakte Bilder in seltsam bewegenden Farben. Kunst sammle er schon seit Jugendzeiten, sagt er, jedes Jahr kaufe er sich ein oder zwei Werke hinzu. Wozu? «Mich interessiert, wie diese Bilder auf mich und auf andere wirken. Man lebt ja mit ihnen über Jahre, begegnet ihnen jeden Tag. Mit der Zeit findet man heraus, was sie in der Seele bewirken, ob ihre Wirkung anhält, ob sie verblasst. Manche Künstler verfolge ich nun seit Jahren, beobachte ihre Entwicklung und meine Reaktion auf ihre Bilder.»

Ist das nun eine abgespaltene Eigenheit des kühl rechnenden Managers und Versicherers, oder gibt es da eine Verbindung zwischen Kunst und Versicherung? «Es ist das Gefühl, das beide verbindet», sagt Hongler sofort. «Chef sein, Geschäfte machen, vor Publikum auftreten, das ist genauso bewegend, wie wenn ich fasziniert vor einem Bild stehe. Dieses Gefühl mit Haut und Haar spüren, das macht mir Freude. Mich für ein Geschäft oder für ein Bild zu entscheiden, ist beide Male dasselbe Erlebnis: Passt die Vernunft zum Gefühl?»

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Zur Person: Steckbrief

Name: Markus Hongler

Funktion: CEO Zürich Schweiz

Alter: 49

Wohnort: Zürich

Familie: Verheiratet, zwei erwachsene Kinder

Karriere:

- 1983-2001 Diverse Positionen bei der Zürich Schweiz zuerst in Barcelona, dann in Zürich. Zuletzt Leiter Strategische Geschäftseinheit «Direct».

- 2001-2004 CEO Continental Europe Corporate, Zurich Financial Services

- 2004-2006 CEO Global Corporate in Europa

- 2006 CEOZürich Schweiz

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Führungsprinzipien

- Andere erfolgreich machen bringt Erfolg.

- Feedback zulassen, andere Optionen als die eigenen ebenfalls in Betracht ziehen.

- Keinesfalls krasse Ideen despotisch durchsetzen wollen.

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Firma

Zürich Schweiz mit Hauptsitz in Zürich, umfasst das schweizerische und liechtensteinische Firmen- und Privatkundengeschäft der Zurich Financial Services Group. 5100 Mitarbeitende betreuen rund 1,6 Mio Kunden.