Der Berater Martin Hellweg wäre dem Chef Martin Hellweg wohl nie begegnet. «Entweder hat ein Unternehmen ein gutes Management oder es hat ein Problem», sagt Hellweg, heute CEO und Turnaroundmanager bei der krisengeschüttelten Buntmetallverarbeiterin Swissmetal. Auf Managementberater verzichtet er. Ausgerechnet er, der früher selber vier Jahre als Berater bei Firmen ein und aus ging. Bei Swissmetal übernahm Hellweg Anfang Juni 2003 die Verantwortung, um das Unternehmen vor dem Aus zu retten. 2002 schrieb es einen Verlust von 55,5 Mio Fr. und geriet in einen Liquiditätsengpass. Dank Hellweg und einem geduldigen Bankenkonsortium konnte die Finanzierung gesichert werden.
«Eine Krisensituation entsteht häufig, weil falsche Kompromisse gemacht werden», stellt Hellweg fest. Genau diese prägten die Swissmetal-Geschichte. Ende der 80er Jahre wurden die Werke in Reconvilier und Dornach unter dem Dach Swissmetal zusammengefasst. Dennoch wirtschafteten sie nebeneinanderher. Dabei warf das Werk in Reconvilier tendenziell die höheren Margen ab und konnte so seine Unabhängigkeit halten. Die damaligen Führungskräfte haben es verpasst, die Werke zum Wohl des Gesamtunternehmens zusammenzuführen. Das ging so lange gut, wie es der Firma gut ging.
Eine ganze Führungsschicht gestrichen
Dann kam die Krise. «Martin Hellweg ist ohne Voreingenommenheit gekommen und hat, mit Blick auf das gesamte Unternehmen, Abteilungen und Systeme zentralisiert», anerkennt Jean-Pierre Tardent, Innovationsleiter bei Swissmetal. Er ist einer der heute 750 Swissmetal-Beschäftigten und arbeitet seit 25 Jahren für das Unternehmen, bis 2002 ausschliesslich in Reconvilier.
Hellweg strich eine ganze Führungsschicht direkt unter ihm. Er zog jüngere Kaderleute nach wie die heutige Finanzchefin Yvonne Simonis oder holte Personen von aussen herein. So auch Sam Furrer, Chef für Unternehmensentwicklung, Kommunikation und Personal. «Artenschutz für Topmanager gibt es bei mir nicht», sagt Hellweg, «ausbaden müssen dies später immer die Mitarbeiter an der Basis.»
Damit das Verständnis zwischen den beiden Standorten Reconvilier und Dornach steigt, will Hellweg junge Kaderleute in ein Rotationsprogramm bringen. Mauern will er nicht zulassen. Das zeigt sich auch beim aktuellen Entscheid, dass die neue Giesserei statt in Reconvilier in Dornach stehen soll. Das Fachpersonal würde im 60 km entferntenDornach weiterbeschäftigt wenn es nach Hellweg geht. Die Mentalität der Leute in Reconvilier ist eine andere, sie sind lokal verankert, und viele dürften kaum daran interessiert sein, in Dornach arbeiten zu gehen.
Sie werten den Entscheid um den Standort der Giesserei denn auch als Ungerechtigkeit und weiteren Fehlentscheid Hellwegs, wie er in ihren Augen schon im Jahr 2004 einige gemacht hat. Der CEO hat zum Beispiel die Arbeitsbedingungen verschlechtert, so hat er im Sommer 2004 das Zahnarztgeld gestrichen. Alles lag aber immer im Rahmen des Gesamtarbeitsvertrags. «Er hat gute Entscheide gefällt, aber im falschen Moment kommuniziert», sagt Tardent. Nämlich genau dann, als die Maschinen am heissesten gelaufen sind und die Belegschaft auch samstags und sonntags arbeitete.
Die Zahlen aber geben Hellweg Recht. Im vergangenen Jahr steigerte Swissmetal den Umsatz um 20% auf 204,8 Mio Fr., der Betriebsgewinn stieg von 1 Mio Fr. im Jahr 2003 auf 8,4 Mio Fr. Das alles trotz eines einwöchigen Streiks der Belegschaft in Reconvilier im November 2004. Sie wehrte sich gegen die Entlassung des Werkleiters, der aus der Region stammt. Zudem missfiel die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Anders als manche Mitarbeiter dort glaubt der CEO an die Zukunft von Swissmetal: Er hat zwei bis drei seiner Jahresgehälter in Aktien des Unternehmens investiert. Und auch 2005 werde das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben.
«Redet an den Leuten vorbei»
Für den Erfolg brauchte es schnelle und auch unbeliebte Entscheide. Diese musste der Deutsche Hellweg im französischsprachigen Reconvilier durchsetzen auf Französisch, eine Sprache, die er zwar versteht, wie er sagt, aber nicht gut spricht. «Das macht die Kommunikation in Reconvilier schwierig», beobachtet Kadermann Tardent. Hellwegs Rezept: Er tritt häufig mit dem Franzosen Daniel Brendel auf, der Mitglied der Generaldirektion ist. Trotzdem kritisiert Unia-Gewerkschafterin Fabienne Blanc-Kühn: «Er redet im wahrsten Sinn des Wortes an den Leuten vorbei.» Denn diese schauten nicht ihn an, wenn er spricht, sondern den Übersetzer. «Er hat die Produktionsmitarbeiter demotiviert», stellt Blanc fest. Was ihm in Dornach geglückt ist, fehlt in Reconvilier: Der Kontakt zur Basis. «In einer eingeschworenen Gesellschaft Vertrauen zu gewinnen, braucht viel Zeit», verteidigt sich der CEO.
Auch Personalleiter Furrer stand in Reconvilier wegen der Umsetzung unpopulärer Massnahmen in Kritik. «Das macht mir nichts, solange mein Chef hinter mir steht.» Dieser Chef lasse einem viele Freiheiten, er delegiere. «Wenn Ziele allerdings verfehlt werden, nimmt er einen in die Pflicht, fragt hartnäckig nach und wird extrem fordernd.» Einen Einlauf kriegen, nennen die Kaderleute dieses Vorgehen, bei dem Hellweg auch direktiv werden kann und die Zügel gleich selbst in die Hand nimmt.
«Ich teile aus, erwarte aber auch, dass man mir zurückgibt», sagt Hellweg. Ein übersteigertes Harmoniebedürfnis sei in Restrukturierungsphasen ungeeignet. «Da muss direkt kommuniziert werden, offen, ohne die Hand vor den Mund zu nehmen.» Andere im Unternehmen empfinden diese Haltung als fehlendes Gespür für Menschen. «Am Ende zählt, die Aufgabe erfolgreich zu erledigen», sagt Hellweg. Unternehmen in Ausnahmesituationen wieder auf Kurs zu bringen, ist sein Beruf. Wenn die Aufgabe bei Swissmetal gemacht ist, in ein, zwei Jahren, will er sich deshalb ein paar Monate ausruhen. «Wie immer, nach einem beanspruchenden Einsatz.»
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Martin Hellwegs Führungsprinzipien
1. Keine faulen Kompromisse
2. Konsistenz und Konsequenz
3. Keinen Artenschutz für Topmanager
4. Ziele setzen und delegieren
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Zur Person
Martin Hellweg ist CEO der Buntmetallverarbeiterin Swissmetal mit Hauptsitz in Dornach. Der 38-Jährige wurde als Turnaroundmanager geholt. Er wuchs im Ruhrgebiet auf, ist aber seit über zehn Jahren beruflich in der Schweiz tätig. Unter anderem arbeitete er 1998 an der Restrukturierung der Keramik Laufen mit. Hellweg machte ein MBA in Rochester, New York. Aber schon mit zwölf Jahren zeigte sich sein Sinn für Unternehmertum: Er handelte in der Schule mit Tonbandkassetten. Hellweg ist unverheiratet und zieht bald in ein Bauernhaus am Zürichsee.