Als grösste Schweizer Kantonalbank mit einer Bilanzsumme von 80 Mrd Fr. besitzt die Zürcher Kantonalbank sicher auch eine beachtliche Kunstsammlung?
Martin Zollinger: In der 135-jährigen Geschichte der ZKB hat sich ein Bestand von rund 5500 Kunstwerken angesammelt. Man hat jeweils gekauft, was so von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beantragt wurde, und Kunst primär als «Schmuck» betrachtet, um neue Büroräumlichkeiten oder neue Filialen damit auszustaffieren. Auf diese Weise wurden die verschiedensten Kunstgegenstände von unterschiedlichster Qualität angekauft. Wir besitzen zwar Kunstwerke, die recht wertvoll sind, etwa eine grössere Sammlung von Gemälden des Zürcher Landschafts- und Tiermalers Rudolf Koller, und auch eine Hodler-Landschaft können wir unser Eigen nennen, aber sehr viele Werke waren auch spontane Anschaffungen, die zwar den damaligen Zeitgeist repräsentieren und nicht unbedingt dem Geschmack unserer heutigen Kunden und Mitarbeitenden entsprechen.
Ist die heutige Sammlung somit «organisch» gewachsen?
Zollinger: Das kann man so sagen. Die Sammlung muss nun aber sukzessive gestrafft und fokussiert werden. Dazu haben wir kürzlich eine Kunstkommission gebildet, die sich unter anderem aus Vertreterinnen und Vertretern jedes Geschäftsbereichs der Bank zusammensetzt und die von mir präsidiert wird. Mit dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK), welches uns bereits seit einigen Jahren beratend zur Seite steht, wird zurzeit ein Konzept ausgearbeitet.
Gibt es bereits ein Inventar der vorhandenen Werke? Wie haben Sie den Überblick?
Zollinger: In der Vergangenheit wurde von jedem Werk beim Kauf eine Fotoaufnahme und eine Karteikarte erstellt. Seit wir nun aber vor rund einem Jahr, nach Bildung einer Fachstelle Kunst, eine eigentliche Inventarisierung der Kunstsammlung in Angriff genommen haben, müssen wir feststellen, dass für eine solche seriöse Aufarbeitung viel Zeit und Arbeit nötig sind. Es kommt vor, dass man Bilder nicht mehr ausfindig machen kann oder dass Kunstgegenstände nicht mehr dort sind, wo sie gemäss Karteikarte sein sollten. Ausserdem mussten wir feststellen, dass eine grosse Zahl von Werken nur noch ein Schattendasein fristet oder wegen unsachgemässer Lagerung beschädigt wurde. Rund 1500 Kunstwerke werden wir deshalb abstossen. Wir werden eine Verkaufsausstellung veranstalten, wo unsere Mitarbeitenden die Exponate sehr günstig erwerben können.
Die Bank Bär kauft pro Jahr 40 bis 50 neue Werke ein. Wie gross ist Ihr Budget für Kunstanschaffungen?
Zollinger: In der Vergangenheit hatten wir kein festes Kunstbudget, sondern haben eher nach Bedarf eingekauft, beispielsweise anlässlich der Neueröffnung oder der Renovation einer Filiale. Vor vier Jahren haben wir aber unser Private Banking im Hauptsitz an der Bahnhofstrasse neu organisiert und nach einem Sammlungskonzept von Hans-Jörg Heusser, Direktor des SIK, gezielt etwa 50 Werke von 21 Künstlern eingekauft, die alle nach 1990 entstanden sind. Berücksichtigt wurden Künstlerinnen und Künstler aus dem Wirtschaftsraum Zürich. Weitere Kriterien waren die Bekanntheit, künstlerische Qualität, Diversität und Eignung für die Räumlichkeiten der Bank. Eine Vielfalt der künstlerischen Positionen wurde als wichtig erachtet. Da die Grösse der Besprechungszimmer aber nur sehr beschränkt den Einbezug von Installationen und Skulpturen erlaubt, wurde auf diese Kunstgattungen gänzlich verzichtet. Unsere Kunden und Mitarbeitenden sind aber immer wieder überrascht von der Video-Installation von Annelies Strba, die am Ende eines Korridors schwimmende Koi-Karpfen oder Bilder von Paris und Berlin zeigt. Von unserer Zürcher Gegenwartskunst haben wir übrigens auch eine Publikation erarbeiten lassen. Eine zweite, über die Kunst in unserem neuen Bankgebäude in Zürich-West, ist zurzeit in Vorbereitung.
Wie wecken Sie denn das Interesse der Mitarbeitenden für Kunst?
Zollinger: Mit unserer «Zürcher Gegenwartskunst»-Sammlung als Basis versuchen wir, auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzusprechen. Im Bereich Private Banking ist diese Sensibilisierung bereits eingeleitet. Der nächste Schritt ist, dass wir beispielsweise die Neu-Ankäufe während einer bestimmten Zeit ausstellen, um so die Diskussion darüber anzuregen, und um die Leute zu animieren, diese zeitgenössische Kunst auch gerne in ihrer Büroumgebung zu haben. Es ist unsere erklärte Absicht, die Sammlung als Teil unserer Corporate Identity intern und extern zu präsentieren. Wir betrachten es aber nicht als unsere Aufgabe, eine Kunstsammlung im Spitzensegment international zusammenzukaufen. Mit den Kunstankäufen von jungen und junggebliebenen Künstlerinnen und Künstlern aus dem Wirtschaftsraum Zürich erreichen wir auch unsere Mitarbeitenden besser, weil so eine echte Identifikation möglich wird.
Bieten Sie für Ihre Kunden auch Kunstanlässe an?
Zollinger: Ja, das tun wir für unsere Private-Banking-Kunden, die sich für die Entwicklungen im Kunstmarkt interessieren. Das Thema Kunst ist auch Teil unserer Akquisitionsstrategie. So sind wir auf den grossen europäischen Kunstmessen wie der TEFAF in Maastricht, der Kunstmesse München und der Kunst- und Antiquitätenmesse in Wien mit verschiedenen Angeboten und Veranstaltungen für unsere Kunden und Interessierte präsent. Kunstbezogene Vorträge bieten wir ebenfalls an. Ich bin überzeugt, dass ein gut geplantes Kunstprogramm von den Kunden wahrgenommen wird und für das Image unserer Bank effektiver ist als eine Werbekampagne. Wir sind bis heute noch zu wenig als Mäzenin für junge Künstler im Raum Zürich in Erscheinung getreten. Es ist eine wesentliche Aufgabe der neuen Kunstkommission zu prüfen, ob wir verstärkt in diese Richtung gehen wollen als Teil unserer Marke.
Die Preise einzelner Künstler und Künstlerinnen, die in Ihrer Sammlung vertreten sind, wie Fischli/ Weiss, Mario Sala oder Olaf Breuning aus dem Raum Zürich, haben sich in den letzten vier Jahren beachtlich nach oben entwickelt. Ist es für Sie vertretbar, von diesen Künstlern neuere Werke zu kaufen?
Zollinger: Das ist tatsächlich eine schwierige Frage. Für solche Zukäufe braucht es entsprechendes Kunstverständnis und Kunstmarktkenntnisse. Die arrivierte Kunst ist zwar nicht unsere Sache, aber es ist doch nicht ganz ausgeschlossen, dass wir vereinzelt von Kunstschaffenden, die wir bereits seit einigen Jahren in unserem Bestand haben, noch Zukäufe tätigen, um so zu einer kleinen, repräsentativen Sammlung zu kommen. So haben wir beispielsweise vor vier Jahren für unser Private Banking vier Bilder von Mario Sala gekauft. Sie wurden nun für das neue ZKB-Bankgebäude um drei weitere ergänzt. Natürlich sind Salas Preise heute «etwas höher» als noch vor vier Jahren, aber wir betrachten es als vertretbar.
Wer entscheidet bei der ZKB über die Ankäufe? Sind Kunstkäufe auch bei Ihnen Chefsache?
Zollinger: Bis jetzt hat das aus drei Personen bestehende Bankpräsidium der ZKB über die Ankäufe entschieden. Mit der neuen Kunstkommission soll die Entscheidungsfindung nun breiter abgestützt werden. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass der definitive Entscheid auf höchster Führungsstufe getroffen bzw. auf alle Fälle klar mitgetragen werden muss. Kunst ist nun einmal auch Geschmackssache, und auch da gilt, dass zu viele Köche den Brei verderben.
Arbeiten Sie bei der Suche nach jungen Zürcher Künstlerinnen und Künstlern auch mit Galerien zusammen?
Zollinger: Zurzeit noch nicht. In der Vergangenheit, beim Einkauf für das Private Banking, sind wir direkt zu den Kunstschaffenden gegangen und haben sie in ihren Ateliers besucht. Dabei ging es vor allem um das Kriterium «Eignung für die Räumlichkeiten». Es ist aber vorgesehen, dass wir künftig mit der Kunstkommission mit jenen Galerien einen regelmässigen Gedankenaustausch pflegen, die Schweizer und insbesondere Zürcher Künstlerinnen und Künstler vertreten.
Erteilt die ZKB im Rahmen von Projekten für Kunst am und im Bau auch Direktaufträge an Künstler?
Zollinger: Ja, in diesem Bereich haben wir, wiederum mit Unterstützung des SIK, in den letzten Jahren einige Erfahrungen gesammelt. Vor vier Jahren haben wir die Empfangshalle im Private-Banking-Stockwerk vom in Zürich geborenen Künstler Thomas Huber gestalten lassen, und drei Jahre später wurde für das Verwaltungsgebäude auf dem Steinfelsareal ein Wettbewerb ausgeschrieben. Zehn Teams von Künstlerinnen und Künstlern, welche die nötige Erfahrung im Sektor Kunst am Bau mitbrachten, beteiligten sich. Als Präsident der Jury war es für mich spannend, zwischen «bankmateriellem Kunstverständnis» und «künstlerischem Kunstverständnis» vermitteln zu müssen. Ausgewählt wurde dann ein Projekt von Andrea Wolfensberger und Pascal Gysin, das mit einem Luftnelkenvorhang die Natur in den Innenraum holen wollte. Die Nelken liessen sich aber nicht so leicht zu einem 300 m2 grossen Naturvorhang bändigen. Möglicherweise infolge Lichtproblemen oder wegen eines Wärmeschocks im Sommer starben sie ab. Derzeit werden diese Probleme analysiert und hoffentlich bald gelöst, denn dieses experimentelle Projekt stösst auf sehr grosses Interesse! Um den 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem Gebäude mit grossen Glasflächen eine Identifikation mit ihren Büros zu ermöglichen, wurde auch ein Signaletik-Projekt vom in Berlin lebenden Schweizer Bruno Nagel umgesetzt. Fantasie-Wortpaare von Orten, Pflanzen oder Tieren wie «Hasengarten» oder «Gletscherfee» wurden auf die Glasflächen angebracht und bringen so die Anonymität gewissermassen zum Verschwinden.
Bleibt Ihnen als Präsident der neuen Kunstkommission nun noch eine Herausforderung, nachdem Sie Grossprojekte wie Zürich-West bewältigt haben?
Zollinger: Wenn man sich intensiver mit Kunst im und am Bau befasst, merkt man, wie dynamisch das alles ist. Man muss regelmässig überprüfen, ob das, was da hängt und steht, zeitgemäss ist oder ob die Umgebung einer Änderung bedarf, um dem Kunstgegenstand wieder einen zeitgemässen Rahmen zu geben. Ich betrachte mich nicht als Kunstexperten, aber Kunst hat mir mein ganzes Leben Freude gemacht, und die Auseinandersetzung mit ihr betrachte ich auch weiterhin als grosse Herausforderung.
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Präsident der ZKB-Kunstkommission: Steckbrief
Name: Martin Zollinger, Dr. iur.
Funktion: Vizepräsident des Bankrates der Zürcher Kantonalbank
Geburtsdatum: 23. Januar 1944
Wohnort: Zürich
Familie: Verheiratet
Karriere
1963-1968 Jus-Studium an der Universität Zürich
1970 Promotion Universität Zürich
1970-1989 Schweiz. Kreditanstalt, ab 1986 Direktor
1990 Bank Julius Bär, stv. Mitglied der GL
1991 Ordentliches GL-Mitglied
seit 1997 Mitglied Bankpräsidium der Zürcher Kantonalbank