Er ist wieder auf Tauchstation. Mathis Cabiallavetta sagt nichts zu seinem Abgang als Vizepräsident von Marsh & McLennan (MMC), dem weltweit führenden US-Versicherungsbroker. Wie bereits vor sechs Jahren, als er unter Druck den Präsidentenposten der fusionierten UBS verliess.
Zwei Abgänge, zweimal geriet Cabiallavetta unter Beschuss, zweimal der gleiche Vorwurf: Mangelhafte Kontrolle. Dabei hatte er sich seine Karriere anders vorgestellt. Wäre es nach ihm gegangen, müsste er heute noch dort sein, wo sein Nachfolger Marcel Ospel sitzt: Auf dem Sessel des Verwaltungsratspräsidenten der UBS. Im Juli 1998 verkündete Cabiavalletta im «Sonntagsblick», dass er gedenke, die nächsten zehn Jahre Präsident zu bleiben. Es kam anders. Von diesem Posten trat er am 2. Oktober 1998 zurück. Er und drei weitere UBS-Manager mussten die Verantwortung übernehmen für den 950-Mio-Fr.-Verlust, den die UBS einsackte. Der hochspekulative US-Hedge-Fonds LTCM hatte innert neun Monaten 4 Mrd Dollar verspielt. Das Engagement am LTCM-Fonds war 1997 noch die damalige Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) eingegangen. Und «Cab», so nannten Cabiallavetta seine Bankerkollegen, war damals Konzernchef der SBG gewesen. Die Situation sei für Cabiallavetta unerträglich geworden. Der Schritt erfolge als Beitrag zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Bank, sagte Konzernchef Marcel Ospel, als die UBS die Öffentlichkeit über den Abgang informierte. Cabiallavetta gab weder den Milliardenverlust selber bekannt, noch äusserte er sich zu seinem Rücktritt. Wenn es heikel wird, taucht er ab.
Studers Zögling
27 Jahre lang war die Karriere des heute 59-jährigen Mathis Cabiallavetta gelaufen wie geschmiert. Der Arbeitersohn aus Chur absolvierte das Handelsdiplom, studierte in Kanada Ökonomie und trat 1971 in die volkswirtschaftliche Abteilung der Bankgesellschaft ein. Als 34-Jähriger wurde er Vizedirektor, ein Jahr später Chef der Devisenabteilung. 1987, als sein Förderer Robert Studer zum Konzernchef aufstieg, wurde Cabiallavetta Mitglied der Generaldirektion. Neun Jahre später nahm er mit 51 Jahren auf dem Chefsessel der SBG Platz, Studer wurde Verwaltungsratspräsident. Der Stern am Bankenhimmel hatte seinen vollen Glanz erreicht. Aber schon als er zusammen mit seinem Kollegen Marcel Ospel für die Leistung bei der Fusion von SBG und Bankverein zum «European Banker of The Year 1997» ausgezeichnet wurde, waren die ersten Wolken aufgezogen: Im Derivatengeschäft der SBG entstand 1997 ein Verlust von 625 Mio Fr. Die verantwortlichen Händler in London wurden entlassen, die Eidgenössische Bankenkommission leitete eine Untersuchung ein.
Der Schlussbericht entlastete «Cab» zwar, sein Image war aber angekratzt. Nur ein paar Monate später wurden die Milliardenverluste aus dem LTCM-Fonds bekannt. Der Ruf des Schnelldenkers und Schnellredners war ramponiert. Ein Headhunter, der nicht beim Namen genannt werden möchte, zu «Cabs» Defizit: «Im Handel sind schnelle Entscheide nötig, das kann er. Als CEO oder Verwaltungsrat ist die langfristige Sicht wichtig.»
Der Rückschlag verbaute Cabiallavetta eine Zukunft in der Schweiz. Im Ausland hingegen steht man Managern mit Karriereknick weniger skeptisch gegenüber. Die grösste Lernerfahrung komme aus dem Scheitern, heisst es da. Deshalb erstaunt nicht, dass «Cab» gut ein halbes Jahr nach seinem unrühmlichen Abgang bei der UBS zum Vizepräsidenten von MMC ernannt wurde.
Wieder auf der Suche
Die Ursache für das Hedge-Fonds-Debakel bei der UBS mangelnde Kontrolle scheint er aber über die Jahre vergessen zu haben. Jedenfalls hat auch bei MMC die Kontrolle versagt. Dem Konzern werden betrügerische Offerten und Bereicherung mit illegalen Kommissionen vorgeworfen (siehe «HandelsZeitung» Nr. 43 vom 20. Oktober 2004). Wie zu hören ist, suchen Headhunter in Zürich derzeit ziemlich aktiv eine Stelle für Cabiallavetta.
Neue Funktion: Rücktritt perfekt
Fünf Mitglieder des Verwaltungsrates von Marsh & McLennan (MMC) haben dieser Tage ihre Funktion aufgeben müssen, unter ihnen auch der ehemalige UBS-Verwaltungsratspräsident Mathis Cabiallavetta. Er scheidet damit aber nicht ganz aus dem Unternehmen aus, denn alle fünf Verwaltungsräte waren auch operativ im Konzern tätig. Diese Aufgaben werden sie auch nach ihrem Rücktritt aus dem Verwaltungsrat weiter ausführen. Für Cabiallavetta brachte der Wechsel eine neue Rolle, wie Barbara Perlmutter, Sprecherin von MMC, erklärt: «Er wird neu die Funktion des Chairmans von MMC International übernehmen.» Damit ist Cabiallavetta direkt dem neuen CEO, Michael Cherkasky, unterstellt. Er wird sowohl die Muttergesellschaft wie auch die operativen Einheiten in strategischen und operativen Belangen unterstützen. Diese Unterstützung betreffe die Beziehung zu Schlüsselkunden und -organisationen, Regierungen und Regulatoren ausserhalb der USA und Kanadas, sagt die Sprecherin weiter.
Nachdem der New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer MMC angeklagt hatte, wurde nun auch der zweitgrösste Rückversicherer, SwissRe, von der New Yorker Staatsanwaltschaft und der amerikanischen Börsenaufsicht (SEC) aufgefordert, Dokumente zu nicht traditionellen Versicherungsprodukten auszuhändigen. (sj)