Matt Glotzbach, wie passt YouTube in Googles Gesamtstrategie?
Video ist ein Schlüsselmedium, nicht nur für Unterhaltung und Musik, sondern auch was Nachrichten, Bildung, Politik etc. angeht. Es ist eine expressive Medienform mit einer hohen Informationsdichte. Google fokussiert sich ja darauf, relevante Information zum Benutzer zu bringen, wann immer, wo immer. Damit ist YouTube ein wichtiger Teil unseres Ökosystems: ein Dienst für den Benutzer. Aber es ist auch eine bedeutende Einnahmemöglichkeit. Und YouTube ist wichtig für Googles Mobilstrategie, weil wir sehen, dass immer mehr Filme auf Smartphones und Tablets angeschaut werden.
YouTube wird mehrheitlich von einem sehr jungen Publikum genutzt. Was machen Sie, um in Zukunft auch die Generation über 35 anzusprechen?
Es ist weniger eine Frage des Alters als vielmehr der Einstellung. Wir konzentrieren uns auf die «Generation Z»: ein Publikum, das mitwirkt, das selber gerne Inhalte erstellt. Digital Natives, die online geboren wurden, die mit dem Smartphone schlafen gehen und mit dem Smartphone aufwachen.
Wie wichtig ist Livestreaming?
Das ist ein wichtiger Aspekt der Plattform, in den wir auch investieren. Wir haben die Olympischen Spiele in London live in 64 Länder übertragen. Das war ein grosser Erfolg. Und Weltraumspringer Felix Baumgartner hat nicht nur den Geschwindigkeitsrekord gebrochen, sondern auch denjenigen für Live-Zuschauer im Internet. Es wird in Zukunft noch mehr solche professionelle Live-Inhalte geben. Aber jedermann sollte in der Lage sein, ein Ereignis ins Internet zu streamen. Es sollte so einfach sein, wie ein Smartphone hochzuhalten. Daran arbeiten wir.
Sind kostenpflichtige Inhalte für Sie eine Option?
Das schauen wir uns an. In manchen Ländern bieten wir ja bereits einen kostenpflichtigen Online-Videoverleih. Ich kann mir vorstellen, dass das bald eine grössere Rolle spielen wird.
Wann wird YouTube so gross sein wie traditionelles Fernsehen?
Schwer zu sagen – TV ist wirklich, wirklich gross. Vier bis fünf Stunden pro Tag und Person. Wenn sich YouTube dem auch nur annähert, muss das Internet gewaltig wachsen, um all diesen Traffic tragen zu können. Ich glaube eher, die TV-Stationen werden die Online-Trends aufnehmen.
TV nähert sich also YouTube an?
Das passiert zum Teil ja heute schon. Die Sender zeigen Video-on-Demand, bieten Smartphone-Apps etc.
Wird YouTube das Fernsehen eines Tages ersetzen?
Ich sehe es als Ergänzung, nicht als Ersatz des traditionellen Fernsehens. Aber YouTube wird dessen Möglichkeiten verbessern, indem es zusätzliche Elemente wie Interaktivität hinzufügt. Das ist das Wichtigste an YouTube: Es ist ein Zwei-Kanal-Medium.
Konkret?
Traditionelle Programme sind Einbahnstrassen: Ich erstelle Inhalte, vermarkte sie über einen Grosshändler, und eines Tages tauchen sie im Kino oder im TV auf. Dank dem Internet und besonders dank YouTube wird daraus ein Dialog: Ich bin in direktem Kontakt mit meinem Publikum. Es kommentiert mein Werk, es sagt mir, was es mag oder nicht mag, und ich kann darauf reagieren und mein nächstes Video entsprechend anpassen. Wir werden sehen, dass in Zukunft Filme nur noch so funktionieren.
Wie sieht Ihre langfristige Vision von YouTube aus?
Heute benutzt man YouTube primär, um Videos im Webbrowser des PC abzuspielen. Diese Fokussierung wird verschwinden. Man wird YouTube auf jedem Bildschirm haben. Immer mehr TV-Geräte sind mit dem Internet verbunden, es gibt immer mehr mobile Geräte, auf denen immer mehr Content konsumiert wird. Die Unabhängigkeit von der Hardware wird zunehmen.
Und bei den Inhalten?
Auch deren Vielfalt wird explodieren. Wenn ich heute in Zürich den Fernseher einschalte, kann ich zwischen 100 und 200 Stationen mit interessantem lokalem oder globalem Inhalt auswählen. Wenn ich auf YouTube gehe, kann ich zwischen Millionen Kanälen wählen – von der massentauglichen Unterhaltung bis zu sehr kleinnischigem, personalisiertem Content. Das wird noch zunehmen. Und man wird eine neue Generation von Stars erleben – YouTube-Stars. Viele, auch kleine Videoproduzenten werden von dieser globalen Plattform profitieren und berühmt werden.
Matt Glotzbach (37): «Auf YouTube kann ich zwischen Millionen Kanälen wählen.»