An Universitäten und MBA-Messen findet jährlich in der Schweiz die grosse
Charme-Offensive der Vertreter von Schulen statt, die sich in einem immer
grösseren Wettbewerb mit europäischen und globalen Anbietern finden. Allein
160 Programme werden im deutschsprachigen Raum verbreitet, und die
Nachfrage nach auf europäische Bedingungen zugeschnittenen Executive-
Programmen steigt.
Für MBA-Kandidaten und Unternehmen ist ein jahrelanger Aufenthalt auf einem
angelsächsischen Campus nämlich nicht nur aus Kostengründen schon längst
die Ausnahme geworden. Firmen nehmen Qualität und Inhalte von MBA-Titeln
heute kritischer denn je unter die Lupe. Wichtiger als jeder Glamour ist die
Frage, welche Angebote den strategischen Bedürfnissen der Unternehmen am
nächsten kommen und ob Aufwand und Ertrag für beide Seiten stimmen.
Bei ABB Schweiz sind die Kriterien für die Empfehlung eines bestimmten
Instituts deutlich formuliert: Fachrichtung, Renommée und Internationalität. Aus
dieser Sicht nimmt die Bedeutung von Schweizer MBA-Angeboten zu, weil
diese nach ABB-Mitteilung «insbesondere durch ihre Vielseitigkeit und oft
fremdsprachige Konzepte europaweit konkurrenzfähig sind». Voraussetzung
sind für Mediensprecher Lukas Inderfurth die gebotene Fachexpertise,
Internationalität der Lehrkräfte und Teilnehmer sowie die Allianzen mit
ausländischen Universitäten: «Angesichts dieser Tatsache nimmt die Zahl der
Absolventen amerikanischer und kanadischer Institute aus unserer Sicht ab.»
Kosten und Distanzen unter der Lupe
Hinzu kommt aus ABB-Perspektive, dass amerikanische und kanadische
Ausbilder oft andere Schwerpunkte setzen, als aus europäischer Sicht gefragt
sind. On-the-job-MBA-Angebote werden bevorzugt, und, falls das Assessment
Center seinen Segen dazu gibt, auch finanziell und zeitlich unterstützt. Ein
MBA-Titel wird noch immer als Vorteil angesehen, sollte aber nicht überschätzt
werden. Dazu Inderfurth: «Ein MBA gibt Indizien für Durchhaltewillen und
rezeptive Denkformen. Wichtig ist aber der gesamte Leistungsausweis. Ob sich
ein Bewerber bzw. Mitarbeiter im Job bewährt, hängt nicht allein von einem
MBA ab.»
Ein ähnliches Echo kommt von der Basler Versicherungsgruppe. An einem
Executive-MBA interessierte Mitarbeiter werden nur dann unterstützt, wenn sie
«High Potentials» sind. Priorität haben auf den Fachbereich zugeschnittene
Programme. Kosten und Distanzen werden genau unter die Lupe genommen,
sodass schon aus diesen Gründen US-amerikanische und kanadische MBA-
Schulen nicht bevorzugt werden.
«Mehrwert» ist auch bei PostFinance das Zauberwort. Das bedeutet, dass
sorgfältig geprüft wird, welchen Stellenwert das Institut hat und welche
Kompetenzen mit der Ausbildung verknüpft werden. Bei wohlwollender
Betrachtung übernimmt PostFinance rund 75% der Kosten und stellt die
Arbeitszeit zur Verfügung, mit der Auflage an die Mitarbeitenden, vier Jahre bei
dem Finanzdienstleister zu bleiben. Früheres Ausscheiden bedeutet eine
Kostenbeteiligung pro rata temporis.
Das zusammen mit dem MBA-Interessierten klar definierte Weiterbildungsziel
steht auch bei Saurer ganz oben auf der Liste der Auswahlkriterien, was die
Bevorzugung irgendeiner Schule aus Europa oder Übersee ausschliesst.
Bekommt ein Kandidat grünes Licht für die MBA-Ausbildung, werden nach
Auskunft von Pressesprecherin Carole Ackermann die Kosten geteilt. Die
Basler Roche arbeitet derzeit vor allem mit den europäischen MBA-Anbietern
IMD und Insead zusammen, im Weiteren mit Barcelona, der London Business
School und mit Berkeley. Beim Basler Chemiemulti fällt die Entscheidung für
einen bestimmten MBA-Lehrgang mehr nach der hierarchischen Stufe als nach
dem spezifischen Aufgabenfeld. Dazu Media Spokesperson Baschi Dürr: «Bei
Roche steht in Sachen MBA die allgemeine Management-Ausbildung im
Fokus.» Bei den Basler Human-Resources-Verantwortlichen wird jedoch
klargestellt, dass der MBA zwar als Background jedes Kandidaten wohlwollend
zur Kenntnis genommen wird, Erfahrung und bisheriger Werdegang jedoch
letzten Endes das Zünglein an der Waage sind.
Wer sich bei Swisslife mit einem MBA-Titel bewirbt, hat mit einem Finanz-MBA
oder einem General-Management-MBA besonders gute Karten. Der grosse Teil
der MBA-Absolventen beim Schweizer Versicherungskonzern verfügt über
einen Abschluss von anerkannten Instituten wie IMD, Rochester-Bern oder
St.Gallen, klärt PR-Sprecher Rob Hartmans auf.
Belastbarkeit bewiesen
Nach wie vor zählt der allgemeine Leistungsausweis, doch kann es
vorkommen, dass bei zwei gleichwertigen Kandidaten ein MBA schon mal den
Ausschlag für eine Anstellung geben kann. Ein MBA könne nämlich ein Indiz
dafür sein, dass ein Kandidat der Belastbarkeit besser standhalten bzw. unter
gewissem Zeitdruck erfolgreich arbeiten und Resultate vorweisen kann,
präzisiert Rob Hartmans. Das Gleiche sagt Nicole Sabine Pfister-Bachmann
von Media Relati-ons & Information der Credit Suisse. Der Finanzdienstleister
bevorzugt MBAs im Bereich General Management oder Finance, die
massgeschneidert sind auf Bedürfnisse wie Erfahrungsanforderungen,
Durchführungsort, den zeitlichen Rahmen und die Sprache. Für die Credit
Suisse Financial Services stehen derzeit europäische Angebote aus
strategischen Gründen und praktisch-zeitlichen Erwägungen im Vordergrund,
denn der strategische Fokus der Credit Suisse Financial Services liegt auf dem
europäischen Markt.
Gegenwärtig werde die europäische Sicht am besten durch Top Business
Schools wie IMD, Insead und London Business Schools LBS abgedeckt, umso
mehr, als strategische Allianzen mit amerikanischen Top-Schulen einen
globalen Zusatznutzen bieten. So kooperiert LBS mit der Columbia-Universität,
Insead mit Wharton, Kellogg mit der WHU und das IMD mit dem MIT.
Eine strenge Auswahl auch bei der CS, wenn es um die Bewertung von
Teilnehmenden geht: «Wir verstehen Executive MBAs speziell als
Weiterbildungsinstrumente für Manager, die einen hohen Leistungsbeitrag
erbringen, Potenzial für eine Funktion auf einem höheren Level aufweisen und
über soziale Kompetenz und Führungsqualitäten verfügen. Fehlen diese
Kompetenzen, kann auch ein MBA diese Mängel nicht wettmachen.» Für den
Executive-MBA-Verantwortlichen der Hochschule für Wirtschaft HSW Luzern
Paul Senn ist das nachlassende Interesse an US-MBAs auch deshalb zu
erklären, weil die US-Executive-MBAs das reine Shareholder-Denken
fokussieren und teilweise damit auch das Scheitern der Managementideen
programmieren.
Kurzprofile
Auswahl Schweizer Anbieter von Executive MBA
Rochester-Bern
www.executive-mba.ch
Gemeinsames Ausbildungsprojekt der William E. Simon Graduate School of
Business Administration der University of Rochester und des Instituts für
Finanzmanagement der Universität Bern.
Studienschwerpunkt: General Management
Anzahl Studierende: Januar bis Juni 2003: 105, Juli bis Dezember 55.
100 aus der Schweiz, 5 leben im Ausland;
85 Männer, 20 Frauen,
Durchschnittsalter 36
Universität Zürich
www.emba.unizh.ch
Partnerschaft mit der Stanford University und dem neuen Kursmodul
Intercultural Management, doziert von Professoren der Insead. Weitere
Kursmodule zu Emerging Markets Lateinamerika, Asien und Russland
fokussieren zukünftige Wachstumsmärkte.
Studienschwerpunkt: Gesamtführung eines Unternehmens
Anzahl Studierende: 125
Ausländeranteil 10%
Frauenanteil 15%
GSBA Zürich-Horgen
www.gsba.ch
Ziel: Ganzheitliches, vernetztes, lösungsorientiertes Management
Team Teaching mit jeweils zwei Professoren im Raum einer aus den USA,
einer aus Europa
Anzahl Studierende: knapp 1400
40% mit Wohnort Schweiz, viele davon Ausländer (rund 70%),
60% kommen aus dem Ausland
Frauenanteil: 16%
Alter: Zwischen 30 bis 45
Swiss Banking School
www.iwemba.com
Das IWEMBA ist das weltweit einzige Executive-MBA-Programm, das sich auf
Wealth Management, Private Banking fokussiert. Die Teilnehmer arbeiten
ausschliesslich in diesen Bereichen, inklusive Family-Office-Bereich
Anzahl Studierende: 54
50% aus dem Ausland
Durchschnittsalter: 37
ZFU Zentrum für Unternehmensführung
www.zfu.ch
Fokus: Internationale MBA-Programme, die auf Wahlmodule aufgebaut sind
inkl. 10-tägiges MBA-Pflichtmodul «Advanced Management-Program for
Executives in Boston USA».
Anzahl Studierende: 170
(Schweiz, Österreich, Deutschland)
Frauenanteil 35%
Durchschnittsalter: 40
Hochschule für Wirtschaft Luzern
www.ibr-luzern.ch
Fokus: General Management und Leadership
Anzahl Studierende: 300
95% leben in der Schweiz
Frauenanteil: 20%
Durchschnittsalter: 32(wn)