Der erste Eindruck täuscht nicht. Carolyn Lutz, 46-jährig und mit sportlicher Kurzhaarfrisur, verliert keine Zeit mit Überflüssigem: «Ich schwimme jeden Morgen meine 1,5 Kilometer. Da kann ich nachher nicht eine Stunde für meine Haare verschwenden.» Zuvor hat die Chefin der Genfer Executive-Search-Firma Lutz & Partners bereits mit ihren beiden Kindern Isabella und Anthony sowie ihrem Mann Marcello gefrühstückt. Der Physiker am Cern bringt die beiden Sprösslinge anschliessend in die internationale Schule.
Sie sei gut organisiert, sehr professionell, zuverlässig und sehr direkt: «Ich habe keine Angst, auch in schwierigen Situationen die Wahrheit zu sagen.» So beschreibt Lutz ihre Stärken. Und Schwächen? Sie lehnt sich leicht zurück, überlegt kurz. Um in einer grösseren Organisation Karriere zu machen, fehle ihr wohl die notwendige Diplomatie.
Zwei Etappen ihres beruflichen Werdegangs haben sie stark geprägt. Die amerikanisch-schweizerische Doppelbürgerin war nach ihrem Psychologiestudium für fünf Jahre beim US Marine Corps, zum Schluss im Rang eines Captains. «Da hat nur die Leistung gezählt. Ich wurde körperlich und geistig gefordert.» Dabei habe sie sehr viel über Leadership gelernt.
Beeinflusst wurde der Berufsentscheid durch ihren Vater, die Autolegende Bob Lutz. Er habe zu Hause oft und immer positiv über seine Zeit bei den Marines gesprochen. Eigentlich wollte sie Pilotin werden, doch das war der einzige Bereich, der damals den Männern vorbehalten blieb.
Genauso wenig will sie ihre MBA-Ausbildung an der Wharton School in Philadelphia missen. Die Managementschule der University of Pennsylvania rangiert in den diversen Rankings meist weit vorne. «Hier habe ich die technischen Skills gelernt und mir das Rüstzeug in Sachen Wirtschaft geholt.» Wichtig sei auch ein Bankpraktikum gewesen. Da wurde Lutz schnell klar, dass ihr dieses Umfeld nicht liegt. In Wharton geben sich die Spitzenmanager aller Branchen die Klinke in die Hand. Die CEO grosser Firmen gehen auf Talentsuche, führen unzählige Interviews. Lutz sprach mit vielen und bekam so Einblick in unterschiedlichste Branchen und Firmenkulturen. Global denkt sie von klein an, bedingt auch durch die vielen Berufsstationen ihres Vaters.
Sie nützte in Wharton ein internationales Austauschprogramm am Lauder Institute, um eine neue Sprache und andere Kulturen kennen zu lernen. Das Netz, das sie damals zu ihren Kommilitonen aus verschiedenen Ländern knüpfte, hält noch heute. «Networking ist matchentscheidend.» Viele Freundschaften sind geblieben, die ihr auch beruflich weiterhelfen. Die Kollegen sitzen heute überall auf der Welt in führenden Positionen. Sie sind potenzielle Auftraggeber und Anlaufstellen für seriöse Referenzauskünfte.
Das MBA-Diplom war ihre Eintrittskarte fürs Marketing beim Konsumgüterkonzern Procter & Gamble am Schweizer Firmensitz in Genf. Sie übernahm dann in Zürich eine Managementfunktion bei La Prairie, einer Tochter des Kosmetikunternehmens Juvena. Dort wurde sie nicht glücklich und wechselte die Seite: Statt sich in einer Organisation die Karriereleiter hochzudienen, sucht sie seit 1998 nun selber nach Führungskräften. Innert vier Jahren stieg sie zur Partnerin der Genfer Filiale der internationalen Search-Firma Heidrick & Struggles auf. Vor kurzem machte sie sich nun selbständig.
Worauf achtet sie bei Kandidaten? Auf fachliche und intellektuelle Kompetenz, die bisherige Karriere und vor allem auf Referenzen, die sie selber einholt. «Alle sagen, sie seien teamfähig, doch das trifft nicht immer zu.» Im persönlichen, mehrstündigen Interview lotet sie aus, was sie als «emotional skills» bezeichnet. Die Headhunterin will herausfinden, ob Kandidat und Firmenkultur zusammenpassen.
Positiv wertet sie, wenn jemand sein MBA-Diplom berufsbegleitend gemacht hat. «Das beweist Durchhaltevermögen.» Die inflationäre Entwicklung bei den MBA-Schulen sieht sie gelassen. Durchsetzen würden sich auf Dauer nur Top-Ausbildungen, das andere reguliere der Markt. MBA-Diplome des IMD in Lausanne und der Uni St. Gallen hätten hohe Aussagekraft, denn die Ausbildung sei dort kompetitiv. Wenn Lutz eine Messlatte legen könnte, würde sie dies bei den Zulassungsbedingungen tun: «Jeder MBA-Absolvent sollte sich zuerst während drei bis fünf Jahren Berufspraxis holen.»
Die Schweiz sei ein wundervolles Land mit hoher Lebensqualität, sagt sie. Allerdings sei Mutter Helvetia wohl eher ein Mann. Leicht amüsiert schildert sie die Situation, als sie für ihr neues Büro in Genf dringend einen Telefonanschluss brauchte. Nichts geschah. Erst als sie erwähnte, dass ihr Mann eine Leitung benötige, wurde flugs freigeschaltet. Das zweite Müsterchen betrifft eine grosse Schweizer Firma, die einen Finanzchef suchte. «Da wurde mir beim Briefing gesagt, dass eine Frau keinesfalls in Frage komme. Dabei werden 95 Prozent ihrer Produkte von Frauen gekauft.» Lutz war konsequent und lehnte den Auftrag ab.
Lutz & Partners gehört zu 70 Prozent Carolyn Lutz und zu 30 Prozent ihrer Partnerin Anne Ferretjans. Beide haben schon bei Heidrick & Struggles zusammengearbeitet. Ihre Firma hat neben dem Office in Genf auch ein Zürcher Büro und beschäftigt fünf Personen – nur Frauen. «Es klappt bestens. Wahrscheinlich sind wir weniger von unserem Ego gesteuert», lacht Lutz.
Auf ihrer Homepage www.lutzpartners.com spricht die Search-Boutique von einem «excellent track record in placing top female talent». Was aber nicht heisst, dass nur Frauen rekrutiert werden. «Wir suchen nicht die beste Frau, sondern die beste Person für den Job.» Bei den letzten zehn Mandaten war dies viermal eine Geschlechtsgenossin. Lutz & Partners rekrutiert Leute ab 300 000 Franken Jahreseinkommen, meist für internationale Firmen in der Schweiz und im Ausland. Was die Firmenchefin dabei freut: «Die Geschäftsleitungen werden immer internationaler und weiblicher.»
Bernhard Raos, ständiger Mitarbeiter der BILANZ, redaktion@bilanz.ch
Samba
MBA ist nicht gleich MBA: Qualität, Ausstrahlung, Internationalität und somit der Nutzen variieren. Deshalb konzentriert sich die Swiss Association of MBAs (Samba) ausschliesslich auf die weltweit 20 besten Business Schools. Mitglied kann werden, wer in einer dieser Top-Universitäten einen MBA- oder einen Executive-MBA-Abschluss gemacht hat, noch dort studiert oder als Professor doziert. Die Zielsetzungen sind die Vernetzung und der Wissenstransfer zwischen Alumni sowie die Unterstützung von (zukünftigen) MBA-Studenten. Samba, 2004 gegründet, zählt bis heute 130 Mitglieder.
www.swissamba.ch
Wharton Business School
Die Wharton Business School an der Universität von Philadelphia gehört zu den renommierten Lehrstätten der USA. Prominente Absolventen unterstützen die Schule mit Geld, darunter Leonard und Ronald Lauder, Besitzer des Kosmetikkonzerns Estée Lauder. Auch die UBS gehört zu den Sponsoren, dank ihrer 1,2-Millionen-Dollar-Spende heisst eine Halle der Uni nun UBS MBA Admissions Suite. Absolvent von Wharton ist auch UBS-CEO Peter Wuffli. Ausstrahlung über die Landesgrenzen hinaus hat längst die Wharton Leadership Conference erlangt.