Wenn Clemens Sialm, aufgewachsen in Disentis GR, mit seiner Familie in die Schweiz einreist, erlebt der Grenzpolizist ein Kapitel aus der globalisierten Welt: Sialm zückt einen Schweizer Pass, seine Frau einen chinesischen, die gemeinsamen Kinder einen amerikanischen.

Die Sialms wohnen heute im Studentenstädtchen Ann Arbor, Michigan, kennen gelernt hat man sich an der Stanford University, Kalifornien. Die Kinder, zwei und vier, wachsen dreisprachig auf – Englisch, Chinesisch und Rätoromanisch. In die USA hat es Clemens Sialm nach Abschluss an der HSG in St. Gallen verschlagen. In Stanford an der Westküste schrieb er eine Dissertation über «Taxation, Portfolio Choice, and Asset Returns». Heute lehrt der 34-Jährige als Assistant Professor in Ann Arbor Finanzen, sein Spezialgebiet ist ein Wachstumsmarkt: Mutual Funds und Hedge Funds. Seine Zuhörer sind es ebenfalls: MBA-Studenten.

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Denn wer es zumindest in Corporate America zu etwas bringen will, braucht einen MBA, mit Vorzug einen von einer Spitzenuniversität. Die Business School in Ann Arbor gehört dazu. Die Hochschule hat es in den letzten Jahren nach ganz oben geschafft. Im Ranking des «Wall Street Journal» figuriert sie auf Rang zwei hinter Harvard, die «Business Week» führt sie auf Rang sechs. Es sind Firmen wie A.T. Kearney, Boston Consulting Group, Citigroup, Booz Allen Hamilton, Dell, Microsoft und McKinsey, die ihre Kader in Michigan anheuern.

Dafür, dass es mit der MBA-Schule weiter nach oben geht, ist Sialm angestellt. In regelmässigen Abständen publiziert er Fachaufsätze, die vorzugsweise in den renommiertesten Zeitschriften der Branche («Review of Financial Studies», «Journal of Finance») abgedruckt werden. Zum Palmarès trägt auch bei, wenn Zeitungen wie die «New York Times», der «Economist» oder das «Wall Street Journal» über laufende Forschungsprojekte berichten. Sialm hat es in den US-Medien mittlerweile auf 22 Nennungen gebracht. Er kennt das gnadenlose Spiel, das den Titel «Publish or perish» trägt.

Viel beachtete Working Papers bringen Zitierungen und damit Renommée, was wiederum den Marktwert von Sialm erhöht und jenen der Universität. Das macht die Abschlusszeugnisse wertvoller und verleitet bei prächtiger Entwicklung des Privatvermögens schon mal zur Grosszügigkeit. Immobilientycoon Stephen M. Ross, Abgänger der Michigan University, überwies der Alma Mater vor zwei Jahren 100 Millionen Dollar. Aus Dank für das Gelernte. Nun trägt Sialms Schule einen neuen Namen: Ross School of Business.

Dieses Profitcenter der staatlichen Michigan University ist bekannt dafür, dass viele Ausländer hier ihren MBA in Angriff nehmen. Ihr Anteil beträgt 37 Prozent, die meisten stammen aus Indien, China und Südkorea, bloss einer aus der Schweiz. Sialm weiss das globale Einzugsgebiet zu schätzen, denn nichts ist internationaler als die Kapitalmärkte, die er erforscht.

Der Unterricht in Ann Arbor ist nicht auf den Quick Fix ausgerichtet, wie dies an manchen Colleges praktiziert wird. «Da sich das Wirtschaftsumfeld laufend verändert, dürfen MBA-Programme nicht auf kurzfristige Strategien fokussieren – sonst ist das Wissen innert kurzer Zeit redundant.» Ziel ist vielmehr die Vermittlung eines Grundverständnisses, wie Firmen nachhaltigen Mehrwert schaffen.

Gemäss Umfrage des «Wall Street Journal» schätzen die professionellen Recruiter bei den MBA-Absolventen der Ross School of Business das praxisnahe Wissen über Führung, ihre rasche Auffassung, die Fähigkeiten zur Lösung von Problemen und ihre Finessen in der Kommunikation.

Assistant Professor Clemens Sialm doziert 100 Stunden im Jahr. Er referiert über Investitionsentscheide Privater und darüber, wie ihr Verhalten durch direkte Steuern beeinflusst wird. Ansonsten korrigiert er Prüfungen oder berät Studenten. Die übrige Zeit forscht und publiziert er über Finanzmärkte.

Ein MBA-Abschluss in Michigan ist nicht billig, Kostenpunkt: 60 000 Franken. Meist wird ein Teil der Aufwendungen vom Arbeitgeber übernommen. Ein MBA-Abgänger verdient im ersten Jahr 138 000 plus einen Bonus von 25 000 Franken. «Trotz den beachtlichen Kosten ist ein MBA eine gute Investition», meint er. Bei jenen, die Sialms Fachgebiet bei Investmentbanken in New York oder Boston umsetzen können, dürften Gehalt und Bonus ungleich höher liegen.

Sialm, der Weltenbummler, der seine Latein-Matura an der Klosterschule Disentis absolvierte, kann sich durchaus vorstellen, später in die alte Heimat zurückzukehren. Immerhin beobachten er und seine Fachkollegen mit Interesse, dass der Ausbildungsplatz Schweiz im Finanzbereich in letzter Zeit markant an internationaler Strahlkraft hat zulegen können. Mit Erstaunen haben die Wissenschaftler etwa die Anstellung von Professor Bernard Dumas zur Kenntnis genommen, der von der Eliteschule Insead in Fontainebleau an die Uni Lausanne wechselte. Besondere Aufmerksamkeit geniesst in diesen Kreisen auch der Aufbau des Swiss Finance Institute, das Pierre Mirabaud, der umtriebige Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, angeschoben hat. «In ein paar Jahren können Schweizer Hochschulen mit den renommiertesten Bildungsstätten rund um den Globus mithalten», ist Clemens Sialm überzeugt.

Samba

MBA ist nicht gleich MBA: Qualität, Ausstrahlung, Internationalität und somit der Nutzen variieren. Deshalb konzentriert sich die Swiss Association of MBAs (Samba) ausschliesslich auf die weltweit 20 besten Business Schools. Mitglied kann werden, wer in einer dieser Top-Universitäten einen MBA- oder einen Executive-MBA-Abschluss gemacht hat, noch dort studiert oder als Professor doziert. Die Zielsetzungen sind die Vernetzung und der Wissenstransfer zwischen Alumni sowie die Unterstützung von (zukünftigen) MBA-Studenten. Samba, 2004 gegründet, zählt heute 200 Mitglieder.

Ross School of Business

Die Business School an der Universität von Michigan gehört zu den renommierten Lehrstätten der USA. Entsprechend ist die Nachfrage: Derzeit stecken 1905 Studenten in einem der vier MBA-Programme (Fulltime, Evening, Executive, Global). Bekannt ist die Lehrstätte für Marketing, Finance, ihre internationalen Kontakte (vor allem Indien, China) und ihre Praxisnähe. Eine nationale Institution ist der regelmässig publizierte American Customer Satisfaction Index, der in jede Konjunkturprognose der USA einfliesst.