Die rasante Entwicklung im Online-Bereich und bei neuen elektronischen Medien stellt die gesamte Medienbranche vor grosse Herausforderungen. Der jüngste und bislang grösste Schritt in der Konzentration der Presselandschaft ist die Übernahme der Berner Espace Media Groupe durch das Zürcher Verlagshaus Tamedia.
Wird die Fusion von der Wettbewerbskommission bewilligt, rückt die neue Gruppe mit einem Pro-forma-Umsatz von 971,3 Mio Fr. hinter Ringier an die zweite Stelle unter den Schweizer Verlagshäusern vor und verdrängt damit den Westschweizer Verlag Edipresse, der umsatzmässig noch vor der NZZ-Gruppe liegt.
Zunehmende Konzentration
Doch auch diese Rangordnung ist nicht in Stein gemeisselt. «Die Konsolidierung im Sektor wird sich fortsetzen», erwartet Analyst Daniel Bürki von der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Am Ende werde es in der Schweiz nur noch vier oder fünf Verlagshäuser geben. Traditionelle Tageszeitungen werden vermehrt von Online-Medien konkurrenziert. Die Werbeinvestitionen ins Internet sind gemäss der Forschungsstelle Mediafocus im vergangenen Jahr um 44% gestiegen, machen aber erst 1,4% am gesamten Werbekuchen aus. Der Löwenanteil entfällt nach wie vor auf die Tagespresse, die mit einem Wachstum von knapp 15% 2006 ihren Marktanteil auf 36% ausbauen konnte.
Gratiszeitungen im Vormarsch
Immer mehr Werbegelder fliessen auch von den Abonnementszeitungen weg zu den Gratiszeitungen. Die starke Konkurrenz durch Gratiszeitungen werde weiterhin auf die Margen drücken, so Helvea-Analyst Chris Burger. Im Herbst soll noch ein weiteres kostenloses Blatt auf den Markt kommen. Sacha Wigdorovits, PR-Mann und ehemaliger Projektleiter von «20 Minuten», lanciert ein Gratisblatt, das in den Städten Zürich, Bern und Basel nach Hause geliefert werden soll. Mittlerweile ist die zum Tamedia-Konzern gehörende Pendlerzeitung «20 Minuten» zur auflagenstärksten Schweizer Tageszeitung aufgestiegen und gehört neben dem lukrativen Geschäft mit Stellenanzeigen zu den Gewinntreibern des Zürcher Verlags. 2006 hat Tamedia den Reingewinn um 23% auf 98,4 Mio Fr. gesteigert und steht damit an der Spitze der Schweizer Verlagshäuser. Dagegen musste Espace Media einen Gewinnrückgang von 6% auf 17,6 Mio Fr. hinnehmen, und Edipresse verdiente mit 30,1 Mio Fr. sogar fast 20% weniger als im Vorjahr. Edipresse sieht sich im Heimmarkt mit «20 Minutes» einer starken Konkurrenz gegenüber. Das Schwesterblatt von «20 Minuten» bedrängt in der Romandie die Gratiszeitung «Le Matin Bleu» von Edipresse und hat den grössten Werbeanteil bei den Westschweizer Tageszeitungen ergattert.
Gute Aussichten für Werbemarkt
Generell zeigt der Trend bei den Werbeausgaben seit dem 4. Quartal 2006 wieder nach oben. «Die Konjunkturaussichten sind nach wie vor intakt, zudem ist der Werbemarkt ein spätzyklisches Geschäft», ist Bürki von der ZKB zuversichtlich. Der Werbevermittler Publigroupe ist noch immer stark in der Printwerbung verankert; das Online-Geschäft soll aber weiter ausgebaut werden. Deshalb haben die Westschweizer kürzlich die bislang grösste Übernahme der Firmengeschichte angekündigt. Zusammen mit dem Partner Axel Springer wird für fast 215 Mio Euro die deutsche Online-Werbefirma Zanox erworben. «Damit gewinnt Publigroupe an Schlagkraft», so Bürki, «aber noch nicht von heute auf morgen.» Der Analyst stuft die Aktie deshalb weiterhin mit «Marktgewichten» ein. Mehr Potenzial attestiert er Affichage und Tamedia, die bei der ZKB mit «Übergewichten» eingestuft sind.
Tamedia noch moderat bewertet
Tamedia ist mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 17,5 für 2007 ähnlich moderat bewertet wie die Aktien von Publigroupe oder Edipresse. Affichage notiert dagegen nach einem Kursanstieg von 55% in den vergangenen zwölf Monaten bereits bei einem geschätzten KGV von 24 für 2007. Tamedia hat im gleichen Zeitraum gegen 40% zugelegt, während die Performance von Publigroupe und Edipresse nur im einstelligen Prozentbereich liegt. Insgesamt hat dies nicht ausgereicht, den Gesamtmarkt zu schlagen. Der Schweizer Medienindex, in dem auch Orell Füssli und Agen enthalten sind, ist in den letzten zwölf Monaten mit rund 27% fast genau gleich stark gestiegen wie der SPI.