Nationalismus hat viele Gesichter. Eines zeigte sich vergangene Woche im bayerischen Penzberg. Anlass war die Grundsteinlegung für eine 600-Millionen-Euro-Investition am dortigen Diagnostikstandort von Roche. Ehrengast war Olaf Scholz, ums politische Überleben kämpfender Noch-Kanzler einer im November geräuschvoll in die Brüche gegangenen Ampelkoalition, der die Bühne nutzte, um sich und seinen Landsleuten mal wieder richtig auf die Schulter zu klopfen. 

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Da war die Rede davon, dass hier «Männer und Frauen von Roche» in nur 38 Tagen eine PCR für den Corona-Test entwickelten, dass es das sei, was «Deutschland kann», dass «Deutschland das Zeug habe, zur Weltspitze in der Medizinforschung und in der Biotechnologie zu werden», und dass es auch genau da hingehöre.

Es geht nicht um Eitelkeiten

Etwas gar dick aufgetragen, mag da manch einer denken. Aber Stil ist Geschmackssache, und darüber lässt sich bekanntlich streiten. Zudem ist der Mann im Wahlkampf und braucht dringend Good News angesichts des von ihm mit verantworteten wirtschaftlich unerfreulichen Zustands seines Landes. 

Schwerer wiegt, dass unerwähnt blieb, dass der Entscheid für die «bisher grösste Einzelinvestition» in Penzberg nicht vor Ort fiel, sondern in der knapp 300 Kilometer südwestlich liegenden Konzernzentrale. Die Worte «Schweizer Konzern» oder «Basel» sucht man in Scholz’ Rede aber vergebens. 

Damit wir uns richtig verstehen: Hier geht es nicht um Eitelkeiten. Doch hätten sich ein paar Dinge im Zusammenhang mit der schweizerischen Grossinvestition in Bayern durchaus sagen lassen, gerade vonseiten des Regierungschefs eines Landes, dessen wirtschaftliches Gedeihen wie kaum ein anderes vom Export und damit von Internationalität und von offenen Volkswirtschaften abhängt. Zum Beispiel, dass die Basler Grossinvestition vor der malerischen Kulisse der Zugspitze zeigt, wie wichtig es ist, dass Unternehmen weltweit frei investieren können.

Womöglich wäre es sogar gelungen, die erfolgreiche bayerisch-baslerische Kollaboration zu nutzen, um auf die gerade für offene Volkswirtschaften wie Deutschland und die Schweiz gefährlichen isolationistischen Wunschträume der nächsten Regierung in den USA hinzuweisen.

Nabelschau-Narrativ

Mit Sicherheit hätte man sagen können, dass die Grossregion Baden-Württemberg, Bayern, Liechtenstein, Nord- und Nordwestschweiz eben deshalb so erfolgreich ist, weil hier nahezu nahtlos über die Grenzen hinweg zusammengespannt wird. Oder dass der Standort Penzberg heute auch deswegen das ist, was er ist, weil er sich auf die PS eines seit zwei Jahrzehnten führenden Pharmakonzerns verlassen kann, der seinen Hauptsitz ein paar Hundert Kilometer weiter südwestlich und erst noch in einem andern Land hat.

Stattdessen bedient sich ausgerechnet der Bundeskanzler des Exportweltmeisters Deutschland eines Narrativs, das die eigene Perspektive über alles andere stellt. «Germany First» sozusagen. Schade.

Und gut, dass mit Friedrich Merz womöglich bald ein Politiker im Kanzleramt sitzt, der die Privatwirtschaft nicht nur aus der Vogelperspektive der Politik, sondern der diese als ehemaliger Deutschland-Chef des Vemögensverwalters Blackrock auch von innen kennt.