Beim Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand eröffnen sich den Versicherten in einer Pensionskasse immer mehr Möglichkeiten, wie sie das angesparte Alterskapital beziehen möchten. Die ursprünglich allein angedachte Rente auf Lebzeiten bleibt zwar das dominante Modell, aber seit gut einem Dutzend Jahren ist auch der Kapitalbezug möglich, und jüngst wurden zudem neue Bezugsvarianten in Form einer zeitlich begrenzten Rente lanciert. Das entspricht auch den gewandelten Lebensbedürfnissen nach der Pensionierung.

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Verschiedene Umfragen über die Einstellung zur 2. Säule verdeutlichen den Wunsch der Versicherten nach mehr Flexibilität bei der Auszahlung des Vorsorgevermögens. Auf dem politischen Parkett allerdings zeigt sich ein anderer Trend: Im vergangenen Jahr hat der Ständerat einer Reform zugestimmt, mit der ein Kapitalbezug für obligatorische Altersguthaben verboten werden soll. Der bürgerlich beherrschte Nationalrat hat allerdings in der Frühjahressession nicht auf die von Bundesrat Alain Berset vorgegebene Linie geschwenkt und sich gegen den Rentenzwang entschieden. Damit kommt es zu einem Differenzverfahren und möglicherweise gar einer Volksabstimmung. Doch das kann noch dauern.

 

Weniger Wahlmöglichkeiten

Das Antasten der Wahlfreiheit beim Bezug von Geldern aus der beruflichen Vorsorge hängt mit der rasch anwachsenden Beanspruchung von staatlichen Ergänzungsleistungen zusammen. Man will verhindern, dass Rentner ihr bar bezogenes Alterskapital mit Luxusreisen oder anderen teuren Hobbies verprassen, um danach mit den vom Steuerzahler finanzierten Ergänzungsleistungen den Lebensabend zu bestreiten. Pensionskassenexperten geben jedoch zu bedenken, dass es nicht sinnvoll sei, aufgrund von einzelnen Extrembeispielen die Bezugsmöglichkeiten für sämtliche Versicherten einzuschränken. Denn im Vergleich zur bisherigen Regelung würden den Versicherten künftig deutlich weniger finanzielle Varianten zur Verfügung stehen. Gemäss geltendem Gesetz kann jeder Pensionär mindestens ein Viertel der Altersleistung als Kapital beziehen. Ein Grossteil der Pensionskassen erlaubt zudem den vollen Bezug der Guthaben oder zumindest die Hälfte davon.

Die vielfältigen Möglichkeiten zum Bezug des Altersguthabens werden rege benützt. An flexiblen Lösungen sind auch die Pensionskassen interessiert. Immer mehr Vorsorgeeinrichtungen verlangen, dass angehende Pensionierte einen Teil des Altersguthabens als Kapital beziehen. Jeder Rentner, der sein Guthaben bei der Pensionierung auszahlen lässt, entlastet die Vorsorgeeinrichtung. Sie muss damit das Langlebigkeitsrisiko nicht mehr voll tragen. Der Kapitalbezug anstelle oder in Kombination mit einer Rente gewinnt an Bedeutung. Einzig die Verhaltensweisen der Versicherten ändern sich je nach den wirtschaftlichen Erwartungen. Unmittelbar vor dem Ausbruch der Finanzkrise haben sich mehr angehende Rentner für den maximalen Kapitalbezug entschieden. Nach dem Kurssturz an den Börsen wurden sie vorsichtiger. Wenn der Pensionierte das Kapital bezieht, muss er sich selbst um das sprunghaft gestiegene Vermögen kümmern. Sämtliche Risiken gehen auf ihn über. Dazu zählen in erster Linie die steigende Lebenserwartung und die Unsicherheit über den zukünftigen Ertrag aus der Vermögensanlage.

 

Rente auf Zeit

Als dritte Option nebst der traditionellen Rente oder dem Kapitalbezug ist jetzt auch die zeitlich begrenzte Rente im Angebot. Das Pensionskassen-Beratungsunternehmen Willis Towers Watson hat für den überobligatorischen Teil der 2. Säule ein neues Modell mit zeitlich begrenzten Renten entwickelt. Der Rentner kann die Bezugsdauer – zum Beispiel 15, 20 oder 25 Jahre – selber bestimmen. Je nach gewählter Laufzeit fällt die monatliche Auszahlung höher oder tiefer aus. Nach Ablauf der Bezugsdauer werden die kumulierten Zinsen als Abschlusszahlung ausgeschüttet. Für Christian Heiniger, Pensionskassenexperte bei Willis Towers Watson, wird mit dieser Lösung «eine Rentenreform für den überobligatorischen Teil geschaffen, die für Pensionskassen wie auch Rentner höchst attraktiv ist.» Die Vorsorgeeinrichtungen können ihre Rückstellungen minimieren. Gleichzeitig profitiert der Versicherte von der Möglichkeit, sich die Rente individuell anhand der eigenen Bedürfnisse auszahlen zu lassen. Gewerkschaftsvertreter beurteilen das Modell kritisch. «Das Risiko wird auf die einzelnen Versicherten überwälzt», sagt Matthias Kuert Killer von Travailsuisse.

Im Ausland sind derartige Modelle mit Zeitrenten verbreitet. In der Schweiz stehen sie erst am Anfang. Weil sich der neue Ansatz ausschliesslich auf den überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge bezieht, bleibt die Grundversorgung aus AHV und BVG unverändert bestehen. Aus der Sicht von Pensionskassenexperte Heiniger könnten über die Hälfte der zukünftigen Schweizer Rentner bei gleichbleibender Sicherheit für die Grundbedürfnisse von der erhöhten Flexibilität beim Bezug des überobligatorischen Vorsorgeguthabens profitieren. In der jüngsten Vergangenheit haben beinahe alle Vorsorgeeinrichtungen die Umwandlungsätze und damit die Renten sukzessive gesenkt. Damit gewinnen neuartige Vorsorgelösungen wie die zeitlich begrenzte Rente oder der Kapitalbezug an Attraktivität.

 

Risiko gering halten

Speziell der Entscheid zugunsten einer Barauszahlung liegt im Interesse eines Unternehmens. Börsenkotierte Firmen, die nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS bilanzieren, möchten möglichst geringe Risiken im Rentenbereich anhäufen. Bei den aktuell tiefen Zinsen steigen die Pensionsverpflichtungen. Mit IFRS-Abschlüssen müssen diese Fehlbeträge als Schulden in der Bilanz erfasst werden. Grosse Konzerne mit einer globalen Geschäftstätigkeit möchten die Vorsorgeverpflichtungen in den eigenen Büchern möglichst gering halten. Bevorzugt werden zweigeteilte Alterspläne: als Basis die obligatorische berufliche Vorsorge mit einer Rente, dazu eine zweite Kasse für besserverdienende Kader und Spezialisten mit dem zwingenden Kapitalbezug bei der Pensionierung.

Für die Versicherten macht es durchaus Sinn, sämtliche Varianten zur Auszahlung des angesparten Alterskapitals vor der Pensionierung eingehend zu prüfen. Ein wichtiges Kriterium ist die gesundheitliche Verfassung. Generell fährt jemand mit der Rentenlösung besser, wenn er sehr alt wird. Bei einer niedrigen Lebenserwartung kann eine zeitlich begrenzte Rente oder der Kapitalbezug eine interessante Alternative sein. Auch die Höhe des Altersguthabens spielt eine zentrale Rolle. Mit einem niedrigen Kapital steht der Sicherheitsaspekt im Vordergrund. Entsprechend wird der Versicherte zu einer lebenslangen Rente tendieren. Wer sich für den Kapitalbezug entscheidet, sollte vorgängig abklären, ob er es sich zutraut, das bezogene Guthaben selber anzulegen. Insgesamt fällt es vielen Versicherten angesichts der tiefen Zinsen und der Turbulenzen an den Aktienmärkten schwer, sich zwischen Rente, Kapitalbezug oder einem Mix zu entscheiden.

 

Hohe Zinsgarantie

Die Rente bleibt auch bei einem niedrigeren Umwandlungssatz interessant. Das gilt speziell in einem Marktumfeld mit Null- und Negativzinsen. Selbst für professionelle Vermögensverwalter ist es äusserst schwierig, eine ansprechende Rendite zu erzielen. Um die durchschnittliche Lebenserwartung von 20 Jahren ab dem Zeitpunkt der Pensionierung finanziell ausreichend abzudecken, ist eine jährliche Rendite von rund 4 Prozent notwendig. Im aktuellen Umfeld entwickelt sich die Performance aber tendenziell rückläufig.

Mit der Rentenzahlung entscheidet sich der Pensionär für ein regelmässiges Einkommen, das bis zum Lebensende garantiert ist. Finanzexperten verweisen darauf, dass der Rente bei einem Umwandlungssatz von 5 bis 6 Prozent eine lebenslängliche Zinsgarantie von 3 bis 3,5 Prozent zugrunde- liegt. Beliebt ist auch eine Mischform aus Rente und Kapital. Bei den meisten Vorsorgeeinrichtungen können die Versicherten selbst bestimmen, welchen Anteil ihres Altersguthabens sie als Rente oder Kapital beziehen möchten. Der regelmässig ausbezahlte Geldbetrag dient zur Absicherung der Grundbedürfnisse. Mit dem Bargeldbezug kann man sich darüber hinaus zusätzliche Ausgaben leisten.