Die Krise an den Finanzmärkten hat vieles verändert, so zum Beispiel das Machtgefüge an der Wall Street. Zwar konnten die «Big Player» durch das Verschwinden unliebsamer Konkurrenten wie Bear Stearns und Lehman Brothers ihre Marktanteile in wichtigen Segmenten des Investment Banking ausbauen. Kleineren Playern ist es aber dennoch gelungen, in aussichtsreichen Nischen ihre Posi- tion gegenüber den Schwergewichten der Branche zu verbessern. Nicht verändert hat sich indes die Bonuskultur in der Branche. Wieder einmal konnten die Lobbyisten ihren Einfluss - vor allem auf das Finanzministerium - geltend machen und damit den Regulierungsbehörden den Wind aus den Segeln nehmen. Selbst Banken, die Verluste einfuhren und Hilfen aus dem TARP-Programm erhielten, schütteten Boni in Milliardenhöhe aus. Insofern würde nicht verwundern, wenn die Bonizahlungen in diesem Jahr neue Rekordstände erklimmen.
Rettungsanker
Ungeachtet dieser Diskussionen hat sich das Investment-Banking, also ausgerechnet jener Geschäftsbereich, der für das Desaster an den Finanzmärkten massgeblich verantwortlich war, jetzt als Rettungsanker für viele Banken erwiesen. Das wird vor allem bei der Deutschen Bank deutlich. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres erzielte das Investment Banking rund 80% des Vorsteuergewinns der Bank. Diese Zahl belegt, wie abhängig die Investmentbanken inzwischen von dieser Sparte geworden sind.
Im 1. Halbjahr profitierten die Investmentbanken von der Renaissance im Fixed-Income-Geschäft. Ausschlaggebend für den Erfolg waren vornehmlich die Rekordvolumina bei der Emission europäischer und amerikanischer Staats- und Unternehmensanleihen. Das Ergebnis ist auch deshalb so gut ausgefallen, weil es im Handel nach der Marktbereinigung durch die Krise kaum noch richtigen Wettbewerb gibt.
Skepsis bei Analysten
Trotz des neuen Optimismus sind viele Analysten skeptisch, ob die Rally im Anleihegeschäft nachhaltig ist, und bezweifeln daher stark, dass die Ergebnisse der ers-ten beiden Quartale als Indikator für das gesamte Jahr taugen. Von den europäischen Investmentbanken konnten neben den führenden US-Banken insbesondere die Deutsche Bank, Barclays, BNP und Credit Suisse von diesem Trend profitieren, wobei die CS Group ihren Marktanteil nicht nur im gesamten Debt Capital Markets Ranking verbessern, sondern auch bei den Gebühreneinnahmen den stärksten Anstieg innerhalb der Top-Ten-Banken verbuchten konnte. Die UBS hingegen verzeichnete in den einzelnen Bereichen des Fixed-Income-Universums eine schwache Ertragsentwicklung.
Auch im Aktienemissions- und emissionsnahen Geschäft gehörten die US-Investmentbanken wie zu den Top-Book-Runnern mit Marktanteilen von zusammen fast 30%. Die europäischen Player belegten innerhalb der Top Ten die hinteren Plätze. Positiv ist dennoch hervorzuheben, dass die Credit Suisse nach J.P. Morgan die stärksten Marktanteilsgewinne erzielen konnte. Auch die UBS konnte im Aktienemissionsgeschäft Erfolge verbuchen - insbesondere in Asien bzw. China. Damit konnte die UBS zwar ihre Position in Asien stabilisieren, sie hat aber in Nord-amerika an Terrain verloren.
Nachdem mit Bear Stearns, Lehman Brothers Holdings Inc. und Merrill Lynch& Co. drei der fünf grössten Investmentbanken durch Insolvenz oder Übernahme von der Bildfläche verschwunden sind, haben sich die verbliebenen Banken einen Teil der Kunden dieser drei gesichert. Die fünf grössten Banken - neben Morgan Stanley, Goldman Sachs und J.P. Morgan noch Bank of America Corp. und Citigroup Inc. - haben ihren Marktanteil von 39% im vergangenen Jahr auf 52% in diesem Jahr ausbauen können. Gleichwohl bekommen die «Big Player» in Nischensegmenten von kleineren Investmentbanken wie Lazard, Jeffries und Evercore Partners Inc. zunehmend Konkurrenz. Die Konzentration auf wenige, gewichtige Player birgt auch Risiken, dass hat die Finanzkrise eindrucksvoll bewiesen. Im Falle einer erneuten Bankenkrise wird der Staat noch stärker in die Verantwortung genommen und noch mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um diese unbeweglichen Kolosse vor der Pleite zu retten.
Überkapazitäten
Ein weiteres Problem für die Branche könnte sich mittel- bis langfristig durch die Überkapazitäten ergeben. Wie im Autosektor könnten die Überkapazitäten im Bankwesen den Boden für künftige finanzielle Schwierigkeiten bereiten. Nach dem personellen Aderlass im vergangenen Jahr kaufen vor allen viele US-Häuser wieder teures Personal ein, in der Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung im Investment Banking.
Die Credit Suisse hingegen scheint einen anderen Kurs einzuschlagen. So verordnete CEO Brady Dougan der Grossbank einen harten Sparkurs. Insgesamt sollen 5300 Stellen gestrichen, defizitäre Geschäftseinheiten geschlossen und Risiken im Handel heruntergefahren werden. Trotz Sparkurs gewinnt die Bank Marktanteile z.B. bei Zinsprodukten, Aktien und im Prime Brokerage - und profitiert dabei von der Schwäche des heimischen Konkurrenten. Auch die UBS will in der Gesamtbank die Fixkosten um 3,5 bis 4,0 Mrd Fr. senken bis 2010.
Trotz der ermutigenden Erholungstendenzen in einzelnen Marktsegmenten wird man erst von einer echten Renaissance des Investment Banking sprechen können, wenn auch das IPO- und M&A-Geschäft auf globaler Ebene wieder anspringt. Nur dann werden sich auch die Erträge und die Gewinnqualität der Investmentbanken nachhaltig verbessern. Dagegen erscheinen die Bewertungen bei vielen Banken bereits recht ambitioniert, mit der Folge eines erhöhten Rückschlagpotenzials.