Die Zeiten «als wir im Auftrag eines einzigen Kunden für 250 000 Fr. monatlich Telefonkiosk-Inserate geschaltet haben», die seien schon seit Mitte der 90er Jahre vorbei, sagt ein Insider, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Und heute könne er nicht mal mehr die Kosten für eine 280-fränkige Kleinanzeige im «Blick» direkt einspielen: «Das rechnet sich nur, wenn die Kunden sich die Nummer merken und zu Stammkunden werden.» Seit einem Jahr wächst der Markt kaum noch. Entsprechend aggressiv pushen die Anbieter neue Angebote. Statt mit der 906er Nummern locken sie die Kundschaft mit normalen Nummern. Erste Anbieter agieren bereits mit Handy-Nummern.

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«Lea live ab 22 Uhr» auf einer normalen Telefonnummer mit Zürcher Vorwahl, zum Beispiel. Das funktioniert so: Beim Anruf auf die zu normalen Tarifen taxierte 044er-Nummer wird der Anrufende aufgrund seiner Telefonnummer identifiziert (Ist die Rufnummerunterdrückung aktiviert, nimmt niemand ab). Im Hintergrund läuft das Taxameter mit. Nach Gesprächsende druckt der Mehrwertdienstleister die Rechnung aus und stellt sie dem Anrufenden per Post zu: «0. - 5. Minute CHF 39 pauschal, zusätzlich ab der 6. Minute CHF 4.50/Min.»

Anbieter nehmen es mit Paragrafen nicht so genau

Die Anbieter aus dem Sexbusiness nehmen es dabei mit der Preisbekanntgabeverordnung, die die Veröffentlichung des Preises im Inserat verlangt, allerdings nicht immer sehr genau. In zwei ähnlich gelagerten Fällen hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bereits Anzeige erstattet, wie Susanne Bühler sagt. Auch Lea hält die PBV nicht ein: Sie verweist im Inserat lediglich auf die Website der Pay4Service AG, wo die Tarife hinterlegt sind.

«Wir sind für ein echtes Preis-/ Leistungsverhältnis», begründet Yvonne Gilomen, Pay4Service-Verwaltungsrätin mit Einzelzeichnungsrecht, die horrend hohen Tarife. Eine echte Leistung könne sie «nicht mit einem Minutenpreis von CHF 3.23 realisieren.» Sie stellt folgende Rechnung auf: Die Auslastung einer Telefonsex-Dienstleisterin «liegt effektiv bei zirka 10%». Eine Vollzeitangestellte erarbeitet demnach monatlich gerade mal 3000 Fr. Bruttoumsatz. Bei einer durchschnittlichen Gesprächslänge von 5 Minuten und mit einer Setupgebühr von 39 Fr. kommt eine Vollzeitangestellte hingegen leicht auf einen Bruttoumsatz von 8000 Fr. im Monat. Und genau in diese Richtung gehen die Bemühungen der zahlreichen Anbieter.

Swisscom verdient mit

Insgesamt sind in der Schweiz rund 52000 Mehrwertnummern 090x in Betrieb. 12000 davon sind Business-Dienste unter 0900. Unterhaltungsangebote wie Horoskope oder Votings (0901) werden auf insgesamt 16500 Leitungen angeboten. 23000 Leitungen (0906) führen zu einem Sexangebot. Nicht hinter jeder 0906er-Nummer sitzt eine Person. Die meisten Nummern führen in die Callcenters der grossen Anbieter. Dort wird der Anrufer mit der nächsten freien Telefonfee verbunden. Faustregel: Pro zehn Telefonnummern eine Callcenter-Agentin. Mit Telefonsex werden in der Schweiz jährlich über 100 Mio Fr. umgesetzt. Kräftig mitverdient dabei Swisscom. Ein Fünftel des Umsatzes dürfte bei ihr landen. Der grösste Brocken dürfte dabei in die Kassen der Baarer Yellow Access fliessen. Sie unterhält eigene Linien, bietet hauptsächlich aber Support für andere Anbieter, die mit ihr vernetzt sind.

Die Telefonsex-Angebote auf 044er-Nummern stammen denn auch alle aus dem selben 10000er-Block, der an Yellow Access AG vergeben ist. Sie ist mit 45% aller Service-Rufnummern Marktführerin in der Schweiz.

Pay4Service geht jetzt noch einen Schritt weiter. In Inseraten bietet sie seit kurzem Telefonsex über Orange-Mobilnummern (078) an. Der Netzbetreiber Orange zeigt sich machtlos. Sollte das Angebot von Pay4Service nicht dem Gesetz genügen, solle das Seco an sie herantreten, sagt Mediensprecherin Therese Wenger. «Erst dann dürfen wir die Nummer sperren», so Wenger. So einfach dürfte das nicht werden.

Nummer in der Schweiz, Firma im Ausland

Denn Pay4Service hat sich gut abgesichert: Anrufer wählen zwar eine schweizerische Nummer, Pay4Service hingegen ist eine liechtensteinische Firma (Gerichtsstand: Vaduz FL). Die internationale Konstellation mit liechtensteinischen Unternehmen im Hintergrund ist «auch für uns neu», sagt Susanne Bühler vom Seco. Noch ist nicht klar, wie das Seco dagegen vorgehen kann.

Pay4Service ist eine alte Bekantne im Telefonsex-Geschäft. Früher hiess das Unternehmen nomen est omen Zastra AG. 2001 erfolgte ein Namenswechsel, und fortan war das Unternehmen als Yellow Gateway AG im liechtensteinischen Öffentlichkeitsregister eingetragen. Im Februar 2004 wurde der Wechsel auf Pay4Service AG vollzogen. Die Website der liechtensteinischen Yellow Gateway AG findet man nach wie vor im Netz, obschon die Firma nicht mehr unter diesem Namen existiert. Die schweizerische Yellow Gateway AG gibt es weiterhin und gehört ebenfalls zum Konglomerat von Firmen und Personen rund um Yellow Access AG.

Yvonne Gilomens Bruder Philippe gehört zu den Grössen im Schweizer Sex- (Magazin «Cherry») und Telefonsex-Business (Infofon AG, Telebilling AG) und ist Teil eines «Firmengeflechts mit verschachtelten Besitz- und Beziehungsverhältnissen» («Facts»). Ausser verwandtschaftlichen Banden eint die beiden Geschwister nichts mehr. Sie sind verkracht und «geschäften seit dem 13. Oktober 1997 nicht mehr miteinander», so Philippe Gilomen.