Des einen Leid ist oft des andern Freud. Was viele Fleischesser dazu zwingt, ihre Lebensgewohnheiten umzustellen – die Rinderseuche BSE –, ist für gleich zwei Thuner Finalisten ein wahres Glück. Die Zürcher Prionics, die einen BSE-Schnelltest entwickelt hat, gäbe es ohne BSE wohl gar nicht, und ob die Vegi-Fastfood-Kette Tibits auch ohne schlechte Nachrichten vom Fleischmarkt florieren würde, darf bezweifelt werden. «Glück gehört auch dazu», meint Prionics-Mitgründer Markus Moser trocken.
Doch ein einmaliger Lucky Punch genügt nicht zum Aufbau eines Unternehmens. Der Weg zum Erfolg ist so lang wie dornig, und der Effort, der bis dahin zu leisten ist, wird von vielen unterschätzt – wohl auch von manchen unter jenen 31 000, die im vergangenen Jahr eine neue Firma gegründet haben.
Gut möglich, dass es auch ein Unternehmer des Gründerjahrgangs 2001 dereinst ins Finale des Thuner Siwss Economic Award schafft und die hochkarätige Jury siehe dazu «Sieben Finalisten, drei Gewinner».
zu überzeugen vermag. Man wird sehen. Klar ist hingegen, dass die sieben diesjährigen Finalisten bereits gezeigt haben, was sie können: Es ist ihnen gelungen, mit innovativen, qualitativ hoch stehenden Produkten neue Märkte zu erobern. BILANZ hat sich bei den Vorzeigeunternehmern umgehört und nennt fünf Punkte, die sie besonders auszeichnen.
Visionäres Denken
In den Jahren 1996/97 gaben die beiden Pharmariesen Roche und Abbott bekannt, dass sie aus der Suche nach einem BSE-Schnelltest aussteigen. Abklärungen hätten ergeben, so die Global Player, dass dafür kein Markt bestehe. Die beiden Zürcher Prionenforscher Markus Moser und Bruno Oesch, die ein entsprechendes Nationalfonds-Projekt betreuten, hörten die Botschaft wohl, schenkten ihr aber keinen Glauben. Scheinbar wider besseres Wissen gründeten sie 1997 die Prionics. Der Erfolg, so lässt sich heute sagen, gab ihnen Recht: Das Schlieremer Unternehmen erfreut sich eines exponentiellen Wachstums.
Dass sich zähes Festhalten am einmal als richtig Erkannten auszahlt, hat auch IDS-Gründer Alexander Stoev bewiesen. Der gelernte Physiker beschäftigt sich mit der Energieumwandlung, einer Technik, die auf Grund ihrer langen Geschichte schon ausgereizt schien. Stoev liess sich indes nicht beirren und entwickelte in den letzten Jahren eine Technologieplattform, mit der sich der Wirkungsgrad von Getrieben und Generatoren entscheidend erhöhen lässt. Der Markt hat auch ihn belohnt: Zu seinen Kunden gehören heute genau die (Gross-)Unternehmen, die es versäumt haben, auf eigene Faust nach neuen Wegen in der Energieumwandlung zu suchen.
Und da berühren sich die beiden Geschichten wieder: Hauptvertreiber der Prionics-Tests ist ausgerechnet Roche.
Gründliche Planung
Unternehmensgründer wissen es zur Genüge: Geldgeber und potenzielle Kunden verlangen einen Businessplan. Zu Recht, wie sich immer wieder zeigt. Die Beispiele der beiden Firmen Tibits und Chemspeed demonstrieren deutlich, wie wichtig eine detaillierte Planung für den Erfolg einer Jungfirma ist.
Das Tibits-Konzept für den Aufbau einer Kette von vegetarischen Fastfood-Restaurants wurde schon vor der Firmengründung mehrmals prämiert und erwies sich in der Folge auch als gut durchdacht: Der Pionierbetrieb im Zürcher Seefeld erzielte bereits im ersten Betriebsjahr satte Gewinne. Dem Management-Duo Daniel und Reto Frei ist es gelungen, die ausgeklügelten schlanken Betriebsstrukturen und kostengünstigen Abläufe in die Realität umzusetzen und gleichzeitig für die Kunden eine angenehme, freundliche Atmosphäre zu schaffen. Und dies wohlgemerkt in einem Verdrängungsmarkt, denn die Schweiz verfügt mit über 38 000 Gastbetrieben über eine extrem hohe Betriebsdichte.
Auch die Basler Chemspeed verdankt ihren Erfolg einer exakten Planung und deren cleveren Umsetzung. CEO Rolf Gueller und seine Mitgründer finanzierten die Umsetzung ihrer Idee für die Beschleunigung und Automatisierung des Screenings von chemischen Substanzen zu Beginn selber und holten sich erst eine Finanzspritze in Form von Venture-Capital, als sie mit ihren Automaten den Markteintritt bereits hinter sich hatten. «Es ist sinnlos, zweistellige Millionensummen für ein Projekt zu generieren und erst nachher ein Team für die Realisierung zusammenzustellen», kommentiert Gueller.
Technologisches Trendsetting
Eines haben die mikrotechnologischen Schalter der Neuenburger Sercalo und die Energieumwandlungssysteme der Zürcher IDS gemeinsam: Sie sind weltweite Unikate. «Wir sind die einzige Firma, die Switcher für optische Datenleitungen auf der Basis der Mikrosystemtechnik (MST) produziert», sagt Sercalo-Mitgründer Cornel Marxer unbescheiden. Das grossse material- und verfahrenstechnische Wissen, das es dazu braucht, hat er am Institut für Mikrotechnik der Uni Neuenburg erworben und als Leiter der Ascom-Mikrosystemtechnik ausgebaut. Sein regelmässiger Gesprächspartner ist der Neuenburger Professor Nico de Rooij, eine MST-Koryphäe von Weltruf. Die Sercalo bündelt bereits vorhandenes Wissen und setzt es in Prozesse um.
IDS-Gründer Alexander Stoev ist hingegen eher der Typ des Tüftlers. Der Elektrophysiker hat schon als Student seinen ersten Technologiepreis gewonnen und ist ein Dauerinnovator auf dem Gebiet der Energieumwandlung: Allein im laufenden Jahr will er acht neue Patente anmelden.
Für beide Unternehmen, sowohl für die IDS, wie auch für die Sercalo ist der technologische Vorsprung matchentscheidend: «In einem Hightechmarkt können wir als Start-up nur bestehen, wenn wir der Konkurrenz im mer einen Schritt voraus sind», fasst Cornel Marxer zusammen.
Cleveres Kontaktmanagement
«Als Vier-Mann-Entwicklungsbetrieb sind wir auf einen starken Partner wie BMW angewiesen», sagt Jürg Moser, Gründer, Hauptaktionär und CEO der Berner Ramseier Technologies. BMW gehörte bereits zu den Kunden des Lohnbeschichters Ramseier, der Mutterfrma von Mosers Spin-off. Moser hat den Kontakt zu den potenten Deutschen konsequent ausgebaut, sodass die ungleiche Partnerschaft auch nicht zerbrach, als das erste gemeinsame Entwicklungsprojekt im Bereich der Pulverbeschichtung stecken blieb. Im vergangenen Jahr erfolgte nun der Durchbruch: Bald dürften die meisten grossen Autohersteller ihre Karosserien mit Hilfe der Technologie aus Rubigen spritzen. Ohne Mosers heissen Draht zu den Bayrischen Motorenwerken wäre die Ramseier Technologies nie so schnell in die Gänge gekommen.
Und die Schlieremer Biotechfirma Prionics hätte ohne ihr weit verzweigtes Kontaktnetzwerk gar nie losgelegt. Die Gründer Markus Moser und Bruno Oesch wollten ihre Spin-off-Pläne bereits zu den Akten legen, als ein Anruf vom Nationalfonds kam: Der zuständige Projektleiter wies die beiden Forscher auf ein neues Forschungsprogramm hin. Oesch und Moser reagierten. Vier Wochen später war eine Viertelmillion Franken auf dem Tisch. Damit konnten sie ihre Forschungsaktivitäten weitertreiben. Schliesslich gab ihnen die Anerkennung auch den Mut zur Firmengründung.
Laufendes Gewinnwachstum
Schöne Büros und Designermöbel sind für den Geschäftserfolg nicht entscheidend. Bei Chemspeed jedenfalls läuft in puncto Büro- und Raumausstattung alles auf Schmalspur. Wichtig ist für CEO Rolf Gueller einzig und allein der Markterfolg, der sich in laufenden Umsatzsteigerungen und entsprechendem Gewinnwachstum niederschlagen muss. Die angestrebte Rendite ist der eigentliche Treiber des risikokapitalfinanzierten Unternehmens. Das bedingt eine ständige Fokussierung auf die Kernkompetenzen, denn wer auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen will, wird früher oder später scheitern.
Das weiss auch Daniel Liebhart von der Basler Liebhart Systems. Er leistet sich im Gegensatz zu Chemspeed zwar einen exklusiven Firmensitz in der Basler Innenstadt, doch auch bei Liebhart ist die Rendite König. Wörtlich kommentiert Firmenchef Liebhart: «Eine Firma, die keinen Gewinn macht, hat keine Existenzberechtigung.»
Anfang Juni wird in Thun zum vierten Mal der Swiss Economic Award für Jungunternehmer vergeben. BILANZ präsentiert exklusiv die sieben Finalisten und zeigt, was sie erfolgreich macht.
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Veröffentlicht am 30.11.2001 - 01:00 Uhr
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