Das Communiqué vom 7. September, mit dem die Goldraffinerie Metalor ihre eigene Übernahme durch eine Pariser Investorengruppe bekanntgab, war so dürr und frei von erhellenden Zusatzinformationen, als handle es sich um den Austausch einer Betriebssoftware. Eher verwirrend sprach Metalor-Chef Scott Morrison von einem «signifikanten positiven Schritt» in der Entwicklung Metalors, um im nächsten Satz zu verneinen, dass das laufende Geschäft der traditionsreichen Edelmetallschmelze vom Kontrollwechsel in irgendeiner Weise tangiert werde. Viel mehr, als dass er den Wechsel im Aktionariat begrüsse und diesen persönlich unterstützt habe, lässt sich der CEO auch auf telefonische Nachfrage hin nicht entlocken. «Ein paar sehr passive wurden durch sehr aktive Aktionäre ersetzt», sagt Morrison trocken.
Private-Equity-Deals wie der Verkauf der Neuenburger Metalor an die Buy-out-Gesellschaft Astorg sorgen nur selten für Schlagzeilen. Dies aus dem einfachen Grund, weil Firmen und Investitionsvehikel, die ihre Aktien nicht an der Börse kotieren lassen, auch keiner Informationspflicht unterliegen. Beim Verkauf der früheren Tochtergesellschaft des Schweizerischen Bankvereins (heute UBS) nach Frankreich drängt sich ein Blick hinter die Kulissen jedoch geradezu auf, weil es sich dabei während über eines Jahrzehnts um eine ebenso gut getarnte wie ausgesprochen lukrative «Spielwiese» für namhafte Exponenten der Schweizer Wirtschaftsprominenz handelte. Nicht wenige der auf Diskretion bedachten Promis aus dem Metalor-Aktionariat tauchen weiter hinten in diesem Heft unter den 300 Reichsten wieder auf.
1998 konnte der Sanierer Ernst Thomke die Aktienmehrheit der mit operativen Problemen kämpfenden Goldschmelze von der Grossbank übernehmen – «für einen Apfel und ein Ei», wie sich einer aus Thomkes damaliger Entourage lebhaft an dieses einzigartige Schnäppchen erinnert. Mit einer Handvoll Gleichgesinnter aus dem Umfeld der Bank am Bellevue – namentlich Martin Bisang (heute CEO Bellevue Group), Rolf Soiron (heute u.a. VR-Präsident Holcim) und Giorgio Behr (heute u.a. VR-Präsident BBC-Gruppe) – erwarb der geübte Turnaround-Spezialist in einem ersten Schritt 55 Prozent der Edelmetall-Raffinerie. In den ersten zwei Jahren nach der Übernahme stieg der Nettobetriebsgewinn kräftig an und erreichte bereits im Jahr 2000 respektable 43 Millionen Franken. Die neuen Mehrheitseigner witterten Morgenluft und sahen das von ihnen beherrschte «Schatzkästchen» in eine neue Dimension hineinwachsen.
Um für Akquisitionen gerüstet zu sein, kam das Quartett überein, das Eigenkapital von Metalor um 60 Millionen Franken aufzustocken. Thomke, der beim Firmenumbau freie Hand behalten wollte, drängte darauf, keine industriell interessierten Einzelinvestoren an der Firma zu beteiligen. Vielmehr sollten die neu auszugebenden Aktien einer sich möglichst still verhaltenden Anlegerschaft ohne Mitwirkungsinteresse anvertraut werden. Im Handumdrehen waren die gesuchten Passivinvestoren zur Stelle – in Gestalt einer Briefkastenfirma, domiziliert auf den Britischen Jungferninseln. Ihr Name: Partners Only.
Roche-Connection. Zum Kreis der gut situierten Privatanleger, die sich hinter der anonymen Offshore-Gesellschaft verbargen, gehörten vorab vermögende Pensionäre aus dem Kader von Hoffmann-La Roche: der langjährige CEO und VR-Präsident des Basler Pharmakonzerns, Fritz Gerber, sein Stellvertreter, der frühere Vorort-Präsident Andres Leuenberger, Ex-Roche-Finanzchef Henri B. Meier, dessen langjähriger Treasurer Peter Matter sowie der einstige Pharmachef Armin Kessler. Zum illustren Kreis der Metalor-Eigner gehörte bis vor kurzem auch der Zuger Rohstoffhändler und VR-Präsident von Glencore, Willy Strothotte, der sich dem Pillenkonzern in besonderem Mass verbunden fühlt, seit ihn dieser bei der Abnabelung von Marc Rich finanziell unterstützt hat. Selbst der bis dato amtierende Roche-Verwaltungsrat und Sprecher der milliardenschweren Besitzerfamilie, André Hoffmann, liess es sich nicht nehmen, privat ein paar Milliönchen in die welsche Goldfirma zu stecken (siehe BILANZ 2/2005: «Gold Boys Network»).
Um eine Mehrheitsübernahme durch die Franzosen zu ermöglichen, kamen Gerber & Co. überein, die Briefkastenfirma Partners Only – ähnlich still und leise, wie sie vor zehn Jahren gegründet worden war – im Herbst 2009 wieder zu liquidieren. Bei verbreiteten Inflationsängsten und einem Goldpreis, der sich krisenbedingt im Zenit befindet, scheint der Liquidationszeitpunkt für eine Goldraffinerie aus Investorensicht geradezu ideal. Kommt dazu, dass die verdeckt agierenden Metalor-Teilhaber im Schnitt bereits über 70 Jahre alt sind und demzufolge Erbfolgefragen da und dort an Bedeutung gewinnen. «Weil es sich um eine illiquide Geldanlage handelte, mit der man sich faktisch keine Bratwurst kaufen konnte, wollten mehrere Teilhaber seit längerem raus», sagt einer der Ex-Metalor-Mitbesitzer. Tatsächlich hatte sich das Management schon vor zwei Jahren aktiv um eine Exit-Möglichkeit bemüht, doch mit dem Ausbruch der Finanzkrise geriet dieses Vorhaben ins Wanken.
13 Prozent Rendite. Im zweiten Anlauf hat es jetzt also geklappt, «nach zähen, sich über mehr als sechs Monate hinziehenden Verkaufsverhandlungen mit den Franzosen», wie ein Insider verrät. Hinsichtlich des Transaktionspreises wurde, wie üblich, Stillschweigen vereinbart. Gemäss BILANZ vorliegenden Informationen liess sich Partners Only für das von ihr verwaltete Aktienpaket (33 Prozent der Metalor-Aktien) im Rahmen des Handwechsels einen Betrag in der Grössenordnung von 100 Millionen Franken gutschreiben. Zählt man Dividendenausschüttungen und Kapitalrückzahlungen hinzu, hat sich das indirekte Investment der Roche-Veteranen innerhalb von zehn Jahren gut und gerne verdreifacht, was einer Durchnittsrendite von stolzen 13 Prozent per annum entspricht.
Mit einem geschätzten Gewinn in Höhe von 20 Millionen Franken dürfte sich das Metalor-Engagement für Roche-Grossaktionär André Hoffmann unter dem Strich am meisten gelohnt haben. Nur unwesentlich weniger strich offenbar Willy Strothotte ein, der seinerseits rund sechs Prozent an der welschen Goldschmelze kontrolliert haben soll. Komfortabel mitverdient hat des Weiteren Fritz Gerber, der indirekt knapp fünf Prozent der Metalor-Aktien hielt. Geschätzter «Zustupf» für das Altersvorsorgekässeli des achtzigjährigen Roche-Ehrenpräsidenten: 15 Millionen Franken. Auch alle übrigen verdeckt agierenden Teilhaber konnten sich unlängst, gemäss ihrer individuellen Kapitaleinlage bei Partners Only, über hübsche Spekulationsgewinne in Höhe von jeweils zwischen fünf und zehn Millionen Franken freuen. Einzig der vormalige Kassenwart, Henri B. Meier, musste auf die vorweihnachtliche Sonderbescherung verzichten. Der glücklos agierende Biotechinvestor, dem zu seiner Aktivzeit bei Roche höchste Präzision im Timing und ein hoch entwickelter Gewinninstinkt nachgesagt worden waren, verlor vorzeitig die Geduld und stiess seine Metalor-Beteiligung bereits vor drei Jahren zu einem seinerzeit noch wesentlich tieferen Buchwert ab.
Verglichen mit den ansehnlichen Renditen der Roche-Veteranen gingen die Gewinne der Kerninvestoren rund um Ernst Thomke erst recht ins dicke Tuch: Ihre Einstandskosten lagen noch wesentlich tiefer, weil der Bankverein die Raffinerie dem Swatch-Miterfinder gleichsam zu Dumpingkonditionen überlassen hatte. Kein Wunder, schafften es Thomke, Behr, Soiron und Bisang, ihren Einsatz ab 1998 nicht nur zu verdrei-, sondern gar zu verzehnfachen, wie einer der Glückspilze «off the record» bestätigt. Mit einem steuerfreien Kapitalgewinn in der Grössenordnung von mehr als 50 Millionen Franken dürfte Ex-Metalor-Präsident Thomke den Vogel abgeschossen haben. Und bei den Mitinvestoren Giorgio Behr und Rolf Soiron, die jeweils knapp fünf Prozent der Metalor-Aktien besassen, blieben nach dem Verkauf an Astorg schätzungsweise netto jeweils 20 Millionen Franken hängen. «Ich habe all meine Aktien verkauft», bestätigt Rolf Soiron. Wenn er nicht mit Kontrollpflichten betraut sei, widerstrebe es ihm, grosse Teile seines Privatvermögens in einer Einzelfirma gebunden zu wissen, erklärt der Basler Profi-VR, der sein Mandat bei Metalor aufgab, als er in den VR der Dentalfirma Nobel Biocare gewählt wurde. Über die Performance seines langjährigen Engagements will Soiron keine Auskunft geben. Man dürfe aber getrost davon ausgehen, dass es eine «sehr schöne Anlage» gewesen sei, bestätigt auch er.
Contre-CŒur-Verkauf. Ihrem Engagement trotz dem Kontrollwechsel im Aktionariat treu geblieben sind die beiden Bellevue-Banker Martin Bisang und Daniel Schlatter. Beide sitzen im neu formierten, fünfköpfigen Verwaltungsrat der nunmehr von Pariser Buyout-Spezialisten gesteuerten Raffinerie. Nur um dem Wunsch einer Reihe von Mitaktionären zu entsprechen, die einen Exit gesucht hätten, habe er die Verkaufsverhandlungen mit Astorg überhaupt in die Wege geleitet, beteuert Bisang, also «contre cœur». «Ich wollte dabeibleiben.» Entgegen der Klischeevorstellung von einer selbsttätig sprudelnden Goldquelle handle es sich bei Metalor um einen industriellen Verarbeitungsbetrieb mit einem komplexen Geschäftsmodell. «Es war extrem schwierig, einen Käufer zu finden», sagt Bisang, der bei Metalor bis vor zweieinhalb Jahren als VR-Präsident amtete und die Strukturen der Firma in- und auswendig kennt.
Dieser Umstand dürfte dazu beigetragen haben, dass Astorg bei den Verkaufsverhandlungen offenbar darauf bestand, dass der Bellevue-CEO und sein Finanzchef zumindest vorläufig noch an Bord bleiben. Irgendwann werden aber auch die beiden Banker versucht sein, ihre Schäflein ins Trockene zu bringen. Unter der realistischen Annahme, dass Astorg bereit war, für eine Zweidrittelmehrheit an Metalor 200 Millionen Franken auf den Tisch zu legen, dürfte allein die im Besitz des Bellevue-Chefs verbliebene Tranche im Moment gegen 70 Millionen Franken wert sein.