Zugegeben, der Name ist noch ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Vogard wie Wogaar? Vogard wie Bogart mit Vögelivau? Der Mann im Frühlingsanzug schüttelt den Kopf: «Vogard wie Vogard, Vogard wie Voyage und Avantgarde in einem Wort vereint.» Michael Vogt steuert seinen Audi in Richtung des Hauser-Parks, eines ehemaligen Fabrikgebäudes im Nordosten von Biel, wo sich am Eingangsportal alte Architektur und neue Medien die Klinke reichen. Hier befinden sich die Geschäftsräumlichkeiten des jungen Uhrenunternehmens wobei, genau genommen, es sich um ein einziges Büro handelt. Denn Vogard ist zurzeit noch ein Einmannbetrieb, bereit, um mit allfälligen Investoren oder Partnern in die Zukunft zu schreiten. Von Michael Vogt 2002 gegründet, aus eigenem Antrieb, mit eigenem Geld und eigener Vision. «Ich wollte eine Uhr kreieren, wie ich sie mir stets gewünscht, nie aber gefunden habe», bemerkt der 41-Jährige.
Andächtig, mit feierlicher Gelassenheit greift er nach einem kleinen Lederkoffer, der kurz darauf zwischen Espresso und Mineralwasser auf der Tischplatte landet. Der Deckel der Schatztruhe indes, der bleibt vorderhand geschlossen. «Alles zu seiner Zeit», winkt Vogt, der Kettenraucher, ab und zündet sich eine «Chesterfield» an. Der Mensch versteht sich darauf, die Spannung aufrechtzuerhalten. «Zuerst muss ich doch erzählen, wie ich überhaupt zum Uhrenunternehmer geworden bin.»
Ein Uhrenfan mit Herzblut
Geboren in Grenchen, kam der spätere Betriebswirtschafter früh schon mit der Uhrenbranche in Kontakt. Stets hätten Zeiger und Zifferblätter eine ungemeine Faszination auf ihn auszuüben vermocht, das belege auch seine private Sammlung an schönen Exemplaren, die inzwischen um die 60 Stück umfassen dürfte. 1983 absolvierte er bei Swatch ein Praktikum am Fliessband. Seine Aufgabe: Zeit und Datum zu justieren. «Da merkt man, wie lange eine Stunde sein kann», schmunzelt Vogt rückblickend und lässt zur Veranschaulichung seine Finger den entsprechenden Arbeitsvorgang verrichten. «Drehen, drehen, drehen nach zehn Minuten wird einem bewusst, dass dies jetzt noch acht Stunden so weitergeht.»
Nach dem Studium in St.Gallen stieg Vogt im Brand Management des Konsumgüterkonzerns Unilever in Zürich und London ein, 1992 folgte der Wechsel in die Uhrenindustrie. TAG Heuer, Ebel und Gucci waren die einzelnen Stationen, der Bereich Marketing jeweils das Tätigkeitsfeld. «Für mich hat aber schon immer festgestanden, dass ich irgendeinmal Unternehmer werden würde», bemerkt der Marketingfachmann mit Blick auf seinen zwischenzeitlichen Abschied von der Uhrenbranche. Ende der 90er Jahre wurde er beim Internet-Start-up Aseantic Partner und Chief Operating Officer.
Eine spannende Aufgabe zwar, aber keine, in die Vogt sein letztes Herzblut hätte fliessen lassen wollen. Der Vielgereiste trug sich immer mehr mit dem Gedanken, einen alten Traum endlich in die Tat umzusetzen: Die Kreation einer eigenen Uhrenkollektion.
Weltneuheit für Weltbürger
Michael «Mike», wie ihn die Kollegen rufen Vogt drückt seine Zigarette aus. Die Klappe des Lederköfferchens öffnet sich langsam. Da liegt sie, die Weltneuheit, die erste Kollektion aus dem Hause Vogard. Fein drapiert, sauber poliert, Business Officer neben Licensed Pilots neben Bogey Golfer, massiv und edel in der Erscheinung, beträchtlich im Gewicht. Uhren, wie sie sich Michael Vogt stets gewünscht, nie aber in dieser Art gefunden hat. Der Clou: Ein Mechanismus, der es ermöglicht, mittels Drehens der Lünette die gewünschte Zeitzone einzustellen. Je nach Modell finden sich auf dem Drehring 24 verschiedene Geschäftszentren, Flugdestinationen oder Golfanlagen vermerkt, auf welche die Uhr justiert werden kann. «Wer viel in der Welt unterwegs ist, wie ich es in der Vergangenheit gewesen bin, für den ist diese Erfindung ein echter Nutzen», gibt sich Vogt zuversichtlich, was die Erfolgsaussichten des Jungunternehmens anbelangt. Seine Zielkundschaft umfasst denn auch in erster Linie Vielflieger, Geschäftsleute und Weltbürger. Und Leute, die Reisen auch als mentale Sache erachten. Für sie haben Vogt, Uhrmacher Thomas Prescher und der für den Verkauf zuständige Alfio Pennisi eine ganz besondere Möglichkeit geschaffen. Statt der vorgegebenen Destinationen lassen sich auf der Lünette auch individuelle Ziele eingravieren mit Vorteil 24 Ortschaften aus 24 verschiedenen Zeitzonen, ansonsten das System nur wenig Sinn macht. «Ich persönlich würde wohl Punkte auswählen, mit denen ich spezielle Erinnerungen in Verbindung bringe», liefert Vogt ein Beispiel, «Malaysia wahrscheinlich, wo ich meine Flitterwochen verbracht habe.» Der Fantasie seien indes keine Grenzen gesetzt, was kürzlich ein Bekannter mit einem delikaten Vorschlag unterstrichen habe. Der nämlich trägt sich mit dem Gedanken, gleich all seine Liebschaften auf dem Drehring zu verewigen: Eine pro Längengrad quasi!
Auf in die Champions League
Vogt und Vogard sehen sich mit ihren Luxusmodellen der Einstandspreis reicht von 7000 bis 22000 Fr. ganz klar als Nischenplayer. Von der ersten Kollektion, die in Basel ihre Feuertaufe erlebt, werden 500 Stück hergestellt. Der Verkauf erfolgt über ausgesuchte Fachhändler. Die Geschäftsstruktur ist äusserst schlank, Vogt baut auf ein Netzwerk von versierten Zulieferern und Produzenten, jede einzelne Uhr geht zudem, bevor sie das Haus verlässt, bei ihm zur Endkontrolle über den Tisch. Qualität und Funktionalität seien entscheidend für den Erfolg der Marke, betont Vogt, ganz Marketingmensch, und fügt dem bei, dass die Nützlichkeit des Produktes im Vordergrund stehen müsse und nicht die Show, die man damit abziehen könne.
Als Absatzmärkte definiert der Uhrenunternehmer primär die Schweiz, Italien und die USA. Vorderhand auf jeden Fall. Denn: «Meine Devise lautet, schliesslich will ich auch in 20 Jahren noch hier sitzen.»
Um seine Vision von der eigenen Uhrenmarke zu realisieren, hat der zweifache Familienvater denn auch einiges an Risiko auf sich genommen. Arbeitstage von 16 Stunden sind keine Seltenheit, das Salär als Firmenboss liegt weit unter jenem, das ihm einst in seiner Funktion als Marketing-Manager ausbezahlt wurde, und das Geld, welches er mit dem Verkauf seiner Aseantic-Aktien verdient hat, steckt ebenfalls in der Firma.
Kann man da noch ruhig schlafen? «Eigentlich schon», nickt Jungunternehmer Vogt gelassen und lässt die lederne Schatulle ins Schloss fallen. Schliesslich habe er sich einen Traum verwirklicht und ein Ticket für die Champions League der Uhrenindustrie gelöst. Mit einer eigenen Marke. Mit einer eigenen Kollektion. Mit einem eigenen Slogan: «Vogard the time of your life». Auf den von Zeiger und Zeit infizierten Unternehmer Vogt selber trifft dieser Spruch wohl am besten zu.
Profil: Steckbrief
Name: Michael Vogt
Funktion: Gründer und Eigentümer Vogard SA, Biel
Alter: 41
Wohnort: Petit-Cortaillod NE
Familie: Verheiratet, zwei Kinder
Karriere:
1987-1991 Unilever, Brand Management
1992-1995 TAG Heuer, Marketing Manager
1995-1997 Ebel, Marketing Director
1998-1999 Gucci Time Pieces, Marketing Director
1999-2001 Aseantic, Partner und COO
Zeitzeichen
«Endlich weiss man, was Zeit ist: So lange man auch trödelt, es wird nicht früher.»
Günter Eich, 1907-1972, deutscher Lyriker
Zeitzeichen
«Geh mit der Zeit - aber komm von Zeit zu Zeit zurück.»
Stanislaw Jerzy Lec, 1909-1966, polnischer Aphoristiker