Er liebte schnelle Autos. Und er galt als leidenschaftlicher Pilzsammler. Doch es waren nicht diese gefährlichen Hobbys, die Edouard Michelin ums Leben brachten. Der 42-jährige Co-Chef und Firmenerbe des gleichnamigen Reifenkonzerns ertrank letzte Woche beim Fischen vor der bretonischen Küste.
Die Nachricht von Michelins Tod sorgte in Frankreich für Entsetzen und für Unsicherheit bei der weltweiten Nummer eins der Branche. Der Reifenkonzern kündigte zwar nur wenige Minuten später an, das Unternehmen werde vorerst von Co-Chef Michel Rollier allein weitergeführt.
Doch Mitarbeiter und Beobachter rätseln, wie es nun mit Michelin weitergeht. Bisher hatte immer die Familie das Zepter in der Hand. Das bekam auch Renault-Chef Carlos Ghosn zu spüren, der eigentlich Chef des Reifenkonzerns werden wollte. Doch Fran™ois Michelin ernannte nicht ihn, sondern seinen Sohn Edouard als Nachfolger.
Diesmal allerdings sieht es in der streng katholischen Familie mit geeigneten Kandidaten schlecht aus. Zwar ist auch Rollier ein weitläufiger Verwandter der Michelins und auch sein Vater war Co-Chef. Doch Rollier ist bereits 61 Jahre alt und arbeitete bis 1999 in der Papierindustrie. Edouard selbst galt als der eigentliche Erbe des Familienunternehmens.
Bereits vor seinem Studium an der Elitehochschule Ecole Centrale war er auf den Posten vorbereitet worden. Nur einer seiner fünf Geschwister arbeitet bei Michelin. Ein anderer Bruder ist Priester und weibliche Familienmitglieder sind bei den Michelins von vorneherein nicht für die Nachfolge vorgesehen. Die sechs Kinder Edouard Michelins sind zu klein, um im Unternehmen arbeiten zu können, der Vater mit 79 Jahren zu alt.
Schwieriges Geschäftsumfeld
Ex-Co-Chef René Zingraff könnte zumindest vorübergehend zurückkehren, glauben nun einige Beobachter. Der 70-Jährige hat sein Amt erst im Mai niedergelegt, obwohl er laut Firmensatzung noch zwei Jahre länger hätte bleiben können.
Der Tod Edouard Michelins trifft den Konzern in einem ungünstigen Moment. Die zu Jahresbeginn verkündeten Ziele seien diesmal schwieriger zu erreichen, der Spielraum des Unternehmens nehme ab, warnte der Firmenerbe auf der Hauptversammlung im Mai. Bisher galt Michelin als einer der profitabelsten Konzerne der Reifenbranche. Zu verdanken hat das Unternehmen das nicht zuletzt Edouard Michelin, der sich vor allem auf gewinnbringende Produkte wie Hochleistungsreifen und Reifen für Geländewagen konzentrierte. Dadurch konnte der Anstieg der Rohstoffpreise gut ausgeglichen werden.
Doch die Konjunkturaussichten trüben sich weiter ein, die Automobilindustrie übt verstärkt Druck aus und fordert niedrigere Preise. Gleichzeitig steigen die Rohstoffkosten. Ebenfalls unklar ist, wie sich der Ausstieg aus der Formel 1 auf Michelins Image auswirken wird. Unter Edouard Michelin war der Reifenkonzern 2001 in den Rennsport zurückgekehrt. Das Skandalrennen von Indianapolis 2005 hatte ihm einen schweren Schlag versetzt und so beschloss er nach Unstimmigkeiten mit dem Automobilweltverband FIA, der Formel 1 den Rücken zu kehren.
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Seit 1891 von den Michelins kontrolliert
Die Nummer eins
Michelin ist weltweit der Marktführer für Reifen mit einem Marktanteil von 20% und 130 000 Mitarbeitern.
Milliardenkonzern
Im letzten Jahr kam der im französischen Leitindex CAC40 gelistete Konzern auf einen Umsatz von 15,6 Mrd Euro. Der Nettogewinn betrug 889 Mio Euro.
Lange Tradition
Ein Radfahrer, der 1891 in Clermont-Ferrand einen Platten hatte, bat in der Fabrik von Edouard und André Michelin um Hilfe. Er brachte sie so auf eine revolutionäre Idee: Den demontierbaren Luftreifen. Bis dahin wurden Reifen noch auf die Felgen geklebt und waren deshalb schwer zu reparieren. Siege bei Auto- und Velorennen verhalfen dem neuen Produkt zum Durchbruch.